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Sanierer mit Schwielen

Bernhard Kaluza hilft Unternehmern am Rande der Pleite. Dann packt der Dresdner selbst mit an, denn er kennt die Nöte.

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© Stefan Becker

Von Stefan Becker

Schon ein komischer Kauz, dieser Bernhard Kaluza. Das denkt bestimmt der ein oder andere Kunde, wenn er das Büro des Unternehmens- und Insolvenzberaters wieder verlässt. Macht der Mann einem doch tatsächlich Mut zum konstruktiven Konkurs: Pleite mit Plan, das Tal der Tränen durchwandern und wie Phoenix zurück ans Licht. Wenn der potenzielle Klient seine Situation selbst nüchtern reflektiert, hat Kaluza bereits einiges erreicht.

Der 56-Jährige weiß, was in den Köpfen von Menschen vorgeht, die finanziell ums Überleben kämpfen und darüber fast den Verstand verlieren. Vor Scham, vor Angst, vor Wut, vor Hilflosigkeit. Denn der gebürtige Nürnberger legte einst selbst eine fulminante Pleite hin. Kurz nach der Wende wechselte er die Branche und kachelte dann mit seiner Firma „Fliesenparadies“ geradewegs in die unternehmerische Hölle. Der Fluch hieß „Forderungsausfall in Millionenhöhe“. Und als wäre der Verlust seines eigenen Vermögens wegen der Haftung nicht schon Strafe genug, so zeigte der Staatsanwalt dazu noch strafrechtliches Interesse – schlimmer geht’s nicht.

Erst blauäugig, dann schlecht beraten, fasst Kaluza seine Odyssee lakonisch zusammen. Doch was so lapidar klingt, geht meist einher mit krassen körperlichen Symptomen. Unter anderem mit solchen Auswirkungen befasst sich eine Studie an der TU Dresden, die Kaluza mit initiiert hat. Diese „Dresdner Unternehmerstudie“ wird zwar gerade noch fleißig ausgewertet, doch Kaluza kennt und verrät bereits ein paar der Ergebnisse.

So wiesen zum Beispiel von einer Insolvenz bedrohten Probanden eine viermal so hohe Risikobereitschaft auf, wie Unternehmer ohne unmittelbare Existenzangst. „Solche Menschen reagieren hochgradig irrational, sie betrügen sich gerne selbst oder lassen sich leicht von anderen betrügen in ihrer verzweifelten Suche nach Hilfe“, sagt er. Einige der Teilnehmer nahmen auf seinen Rat hin an der Studie teil.

Die von den Forschern in den Haarwurzeln gemessenen Werte des Stress-Hormons Cortisol ähnelten teilweise denen eines Alkoholikers auf Zwangsentzug. In dieser Ausnahmesituation lebe der Körper also auch noch auf Kredit und damit am Limit. Und es geht noch ärger: So registrierten die Mediziner bei diversen Probanden eine eklatante Wahrnehmungsverschiebung, die sich in extremen Fällen nur noch zu fünf Prozent mit einer objektiven Realität deckte. Oft handeln die Protagonisten dann falsch oder gar nicht, was final auf dasselbe Resultat hinausläuft: Insolvenz-Verschleppung. Eine strafbare Handlung aus Scham vorm beruflichen Scheitern, aus Angst vorm familiären Versagen. Aber sind diese Menschen nicht eigentlich krank und brauchen professionelle Hilfe?, fragt er.

Als er selbst damals am Ende war, half ihm ein befreundeter Psychologe wieder auf die Beine. Dass es einmal so weit kommen würde, hätte sich der Selfmademan nie träumen lassen: Der gelernte Kfz-Elektriker und passionierte Oldtimer-Bastler baute in seiner kleinen Werkstatt einst edle Einspritzpumpen für die geflügelte Mercedes-Legende 300 SL und verdiente dann gutes Geld mit dem Verkauf eines Patents. Der unternehmerische Weg zeigte steil nach oben – bis er sich beruflich neu orientierte und auf den Fliesen schmerzlich ausrutschte.

Die Insolvenz als Chance

Kaluza rappelte sich wieder auf, machte sich später in Dresden selbstständig als Unternehmensberater und wollte nun denen helfen, die sein einstiges Schicksal teilten. Als Sanierer und nicht als Samariter. Als Sanierer mit einem Plan, dem Insolvenzplan. Das sei sein Steckenpferd, er wolle und könne auch gar nicht anders sanieren als mit diesem Instrument, sagt der Vater von drei erwachsenen Kindern.

Das Thema sei schon sehr speziell, böte aber enorme Chancen. Überhaupt müsse man die Insolvenz als Chance begreifen, wie eine Krankheit, bei deren Heilung sich jeder so gut engagiere, wie er eben könne. Diese potenzielle Rettung nach Plan wird unterstützt durch die 2012 eingeführte Insolvenz in Eigenverwaltung. Von seinem Büro in Striesen aus agiert Kaluza als Berater – oder steigt bei Bedarf als Geschäftsführer mit ein. Er spricht mit Ämtern und Behörden, holt die Gläubiger an einen Tisch, bekommt per Gesetz einen kontrollierenden Sachwalter an die Seite gestellt.

Zwar ist sein Job vergleichbar mit dem eines klassischen Insolvenzverwalters, aber eben nur vergleichbar. Denn der Sanierer nimmt alles auseinander, prüft die Teile, sortiert und ersetzt und baut zusammen mit dem Unternehmer den Betrieb wieder auf. So wie er es daheim mit den Oldtimern macht, die der regelmäßigen Pflege bedürfen.

Die Patchworkfamilie lebt schon lange in Bühlau, der jüngste Spross wohnt noch zu Hause und schraubt fleißig mit an den drei bejahrten Raritäten: Das älteste Familienerbstück stammt aus Frankreich, zählt bereits über 100 Jahre und fährt und fährt und fährt.

Kaluza agierte bis 2014 als einer der Vizepräsidenten im Oldtimer-Weltverband namens FIVA und engagiert sich mit weiteren Enthusiasten für einen Unesco-Status der immateriellen Automobilen Kultur. Dabei gehe es um die Anerkennung von Wissen und Können sowie dessen Austausch. Dafür reiste er jüngst mit seinem Filius nach Brüssel zu einem internationalen Schrauber-Treffen von Oldtimer-Freunden – Sanieren kennt eben keine Grenzen .