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Salto rückwärts

Oksana Chusovitina turnt wieder für Usbekistan – nach sieben Jahren im deutschen Trikot.

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Von Frank Thomas

Oksana Chusovitina ist in ihrer schier unendlichen Turn-Karriere schon für vier National-Teams gestartet. Und obwohl Deutschland der Lebensmittelpunkt ihrer Familie bleibt, beendet die „Queen Mum“ ihre Karriere nicht im schwarz-rot-goldenen Trikot. Das Exekutivkomitee des Weltverbandes FIG erteilte der Ausnahmeathletin das Startrecht für ihre Heimat Usbekistan. Da möchte die 37-Jährige künftig in Doppelfunktion als Cheftrainerin und Turnerin arbeiten. Sie lebt aber weiter in Bergisch Gladbach. Dort besucht ihr 13-jähriger Sohn Alisher seit Jahren die Schule.

„Sie hat unserem Verband in sieben Jahren so viel gegeben. Da wollten wir ihr keine Steine in den Weg legen und stimmten ihrem Wunsch zu“, betonte der deutsche Verbandsboss Rainer Brechtken gestern. Seit Dezember 2012 liege das Ersuchen Chusovitinas vor. „Wir machten ihr nach ihrem Rücktritt bei Olympia das Angebot, als Trainerin im Olympiastützpunkt Bergisch Gladbach zu arbeiten. Dieses Angebot steht auch weiter. Eventuell ergibt sich in einigen Jahren noch mal eine neue Lage“, erklärte der DTB-Chef.

„Ich möchte meinem Heimatland helfen“, meinte Chusovitina, die derzeit in den USA im Trainingslager weilt, zu ihrem Salto rückwärts. Bereits bis 2011 arbeitete sie in ihrer aktiven Zeit für den DTB als Cheftrainerin für Usbekistan, ließ in der Olympia-Vorbereitung den Job aber ruhen.

„Der Trainerjob wäre kein Problem gewesen. Da sie aber jetzt auch weiter turnen will, musste der usbekische Verband den offiziellen Antrag stellen. Für uns ist die Freigabe kein Problem. Es war eine selbstverständliche menschliche Geste“, sagte Brechtken. Das Startrecht gilt lediglich für FIG-Ereignisse. Da Usbekistan dem asiatischen Turnverband angehört, sind Teilnahmen von Chusovitina bei Europameisterschaften künftig wieder ausgeschlossen. Falls sie tatsächlich erwägen sollte, sich als Einzelstarterin für ihre siebenten Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro zu qualifizieren, dann wäre ein Beschluss des Internationalen Olympischen Komitees erforderlich. Nach dem Sieg mit der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten bei den Sommerspielen 1992 in Barcelona im Mannschaftsmehrkampf und anderen Weltmeisterschafts-Erfolgen für die Sowjetunion und Usbekistan kam Chusovitina nach Köln, da Alisher kurz nach der Geburt an Leukämie erkrankte und ihm kein Arzt in Taschkent helfen konnte. In Köln fand sich ein Spezialist. Ein Spendenaufruf brachte 250 000 D-Mark ein, die für die aufwendige Behandlung gut angelegt wurden. Um bei ihrem kranken Sohn zu sein, verlegte sie ihren Wohnort in die Nähe von Köln und bekam 2006 die deutsche Staatsbürgerschaft.

Sieben ihrer 17 Medaillen bei WM, EM und Olympia erkämpfte Sprung-Spezialistin Chusovitina für Deutschland. Höhepunkte ihrer Laufbahn im schwarz-rot-goldenen Trikot waren die Silbermedaillen bei den Sommerspielen 2008 in Peking und bei der WM 2011 in Tokio. Bei ihrem sechsten Olympiastart vergangenes Jahr in London verfehlte sie als Fünfte eine weitere Medaille nur knapp. (dpa mit SZ)