Merken

Salat aus dem Keller-Depot

Auf Gut Gostewitz kann man sich jetzt frisches Gemüse abholen – wenn man den richtigen Code kennt.

Teilen
Folgen
© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Einmal in der Woche kommt auf Gut Gostewitz nun eine Ladung frisches Gemüse an – und landet gleich im Keller. Dort liegt es aber nicht lang. Nach und nach trudeln die Mitglieder der Initiative Solidarische Landwirtschaft Auenhof ein und holen sich ihren Wochenanteil der Ernte ab. Auch Carina Heinrich gehört dazu. In ihrer Familie gibt es vier Esser – zwei Erwachsene, zwei Kinder. „Eigentlich bräuchten wir mehr als einen Anteil, aber wir testen das jetzt erst mal“, sagt die Glaubitzerin. Gerade ist sie damit beschäftigt, ihre Gemüsekiste zu füllen. Einpacken darf sie, was und wie viel auf einem Zettel neben der Waage steht: zwei verschiedene Salate, Tomaten, Bohnen, Kräuter, Kartoffeln, insgesamt elf Gemüsesorten und drei verschiedene Kräuter sind diese Woche gelistet. Was es gerade gibt, richtet sich nach den Launen der Natur – und natürlich nach den Planungen der Biogärtnerei Auenhof in Niederlützschera bei Ostrau.

Wenn sich die Familie von Carina Heinrich gut mit der neuen Initiative arrangiert, bleibt sie dabei. „Ich hoffe, dass es dann auch ein Depot in unserer Nähe gibt.“ Dafür bräuchte es aus der Gegend aber noch mehr Mitglieder. Aus dem Gostewitzer Keller holen aktuell elf Mitglieder ihr Gemüse, es könnten bis zu 20 sein. Entstehen können Depots in privaten Räumen wie Kellern, Garagen oder in Betrieben – in Firmen oder Geschäften. Zugang erhalten die Mitglieder in Gostewitz über eine Tür, die mit einem Zahlenschloss gesichert ist. Was das Abwiegen und Einpacken der Ernte angeht, gilt das Vertrauensprinzip. Bislang ist der Keller von Gutsbesitzer Jan Gierisch die einzige Verteilstation in Riesa.

Aber die Initiative ist auch noch jung: Seit Anfang September betreibt der Auenhof die Solidarische Landwirtschaft, kurz Solawi. Die Verantwortung dafür hat Maria Hesse übernommen. Der Vorteil für die Gärtner liegt vor allem in der Planungssicherheit. Der Hof ist damit weitgehend immun gegen Trends. „Natürlich unterliegt auch der Gemüseanbau Moden.“ Mal ist Rucola-Salat in, mal Cocktailtomaten – oder Spitzkohl out. Über ihren festen Mitgliederstamm kann sich der Hof sicher sein, dass keine Sorte zum Ladenhüter wird und am Ende in der Mülltonne landet. Und wenn es im Winter (fast) nur Kohl oder wie derzeit eine Zucchini-Schwemme gibt? „Dann tauscht man sich mit anderen Mitgliedern über Rezeptideen aus“, sagt Gutsbesitzer Jan Gierisch, der mit seiner Familie selbst begeistertes Solawi-Mitglied ist.

Um eine Person mit ausreichend Gemüse versorgen zu können, rechnet der Auenhof mit 175 Quadratmeter Fläche. Derzeit zahlen die Mitglieder 60 Euro für einen Ernteanteil im Monat. Dafür können sie einmal in der Woche in das Depot kommen, für das sie sich angemeldet haben. Für den Betrieb bedeutet das eine verlässliche Einnahmequelle. Außerdem fallen teure Posten wie Verpackung und eine aufwendige Logistik weg. „Das Gemüse kommt vom Feld, wird gereinigt und landet ohne Umwege in den Kisten. Frischer geht’s nicht“, sagt Maria Hesse. Im Unterschied zu den Biokisten, die man sich auch in Riesa direkt ins Haus liefern lassen kann, sparen sich die Auenhof-Fahrer die Wege zu jedem einzelnen Kunden. Sie steuern nur die Depots an. Maria Hesse hofft, dass in Zukunft nicht jedes einzelne Mitglied jede Woche mit dem Auto zum Depot fährt. „Uns ist auch der Gemeinschaftsaspekt wichtig, toll wäre es, wenn sich Nachbarn zusammenschließen, die sich beim Abholen abwechseln.“

Das Wort „Kunde“ würde Maria Hesse in Bezug auf die Abnehmer des Gemüses nicht in den Mund nehmen. „Unsere Mitglieder zahlen mit ihrem Beitrag nicht das Produkt, sondern finanzieren den kompletten Betriebsablauf mit, vom Saatgut, über den Sprit für unsere Traktoren bis zu den Gehältern.“ Wenn eine Ernte aufgrund von schlechtem Wetter oder Schädlingen schlecht ausfällt, müssen die Mitglieder damit genauso leben wie mit einem Überschuss zur Erntezeit. Darüber hinaus kann sich jedes Mitglied so in die Gemeinschaft einbringen, wie es für richtig hält – bei Arbeitseinsätzen helfen oder mitreden, wenn es darum geht, welche Sorten angebaut werden. „Das ist aber kein Zwang“, betont Maria Hesse. Bis zu 80 Gemüsesorten produziert der Auenhof. In Zukunft könnten auch noch Obst und Tierprodukte dazukommen. Vorerst soll die Solawi-Gemeinschaft aber noch wachsen: von derzeit 20 auf rund 100 Mitglieder.

Eine Ostrauer Erfindung ist die Solawi indes nicht. Entstanden ist das Konzept in Japan. Auch in der Schweiz und den USA ist es verbreitet. In Deutschland gibt es laut einer Liste des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft aktuell rund 150 Solawi-Betriebe – Tendenz steigend.

Fragen zur Solidarischen Landwirtschaft beantwortet Maria Hesse vom Auenhof m.hesse@biogemüse-sachsen.de /03432421595