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Sagenhafter Auszug

Fast 1 300 Mädchen und Jungen ziehen zu den Spielen in den Kamenzer Forst. Das gibt auch ungewolltes Gedränge. Wir haben die Bilder.

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© René Plaul

Von Frank Oehl

Kamenz. Natürlich ist das die eindrucksvollste Antwort auf die Frage „Warum?“: Um das Jahr 1430 herum belagerten die wütenden Anhänger des auf dem Scheiterhaufen verbrannten Vorreformators Jan Hus die Stadt Kamenz. Um die Hussiten milde zu stimmen und ein Brandschatzen der Stadt zu verhindern, sollen die Kamenzer Kinder ganz in Weiß vor die Stadt geschickt worden sein – als Sinnbild des Ergebens und der flehentlichen Bitte um Verschonung. Und siehe, die kriegerischen Horden nahmen die Friedensbotschaft auf und verschonten die Stadt. Schade, dass sich in der Stadtchronik dafür partout kein Hinweis finden lässt. Die offenbar sogar schon eher abgehaltenen Prozessionen haben womöglich mehr mit Erntedank oder Schulzucht zu tun. Beides vielleicht zu Ehren des Apostels Bartholomäus, in dessen Gedenkwoche das schöne Ritual seit 1845 nahezu unverändert abgehalten wird. Und das allein ist schon sagenhaft genug.

Der Umzug in Bildern

Am Montag jedenfalls zogen auch in diesem Jahr die Schulklassen zu den Spielen in den Forst. Exakt 1 276 Mädchen und Jungen hatten sich angemeldet, und so viele mögen es tatsächlich gewesen sein, die sich auf dem Markt zum Zwischenstopp und gemeinsamen Gesang vereinten. „Die Gedanken sind frei“ und „Festlich schwebt ein Freudentag“ – das Volkslied und die Heimatweise bilden gewissermaßen den harmonischen Grundstoff für ein Schulfest, das in Sachsen und darüber weit hinaus seinesgleichen sucht. Womöglich ist ja an der Hussitensage doch was dran?

Heimat als Thema

Die kleine Ansprache vom Rathausbalkon übernahm nicht zum ersten Mal Kathrin Schütze. Die Leiterin der Grundschule am Gickelsberg begrüßte neben den Ehrengästen, zu denen Landrat Michael Harig, OB Roland Dantz als Gastgeber und die Spitzenvertreter von Partner- und Städtebundstädten gehörten, auch zwei neunzigjährige Kamenzerinnen, die „vor 84 Jahren hier ihren ersten Forstfestauszug miterlebt hatten“. Angesichts eines solchen Zeitraumes war der ehrfurchtsvolle Beifall des Markt-Publikums mehr als verdient.

Kathrin Schütze rückte zum Forstfest den Heimatbegriff in den Mittelpunkt. „Heimat ist da, wo dein Herz ist, wo man sich immer wieder gern hin zurückzieht.“ Sie erinnerte an das Wirken Wilhelm Weisses, dessen 100. Todestag die Stadt Kamenz in diesem Jahr feiert. Der Gartenbaumeister habe Spuren in der Stadt hinterlassen – nicht nur auf dem Hutberg. „An der lebendigen Tradition des Forstfestes in der heutigen Zeit hätte er garantiert seine Freude.“

Ohne Regen

Die Rednerin erinnerte aber auch daran, dass Heimat vor allem mit Glück im Zusammenhang steht. Wir lebten in einem sicheren Land, was nicht jedem vergönnt sei. In wenigen, aber sehr treffenden Worten ging Kathrin Schütze – beinahe beiläufig – auch auf eine Diskussion im Forstfest-Vorfeld ein. So hatte es Kritik an der Gestaltung des Forstfestheftes gegeben, die sich auch auf die Titelgeschichte bezog. Sie war der deutsch-libanesischen Familie Salah gewidmet, die seit Ende der Neunziger Jahre in Kamenz lebt und deren hier geborenen fünf Kinder allesamt die Forstfesttradition hoch halten. „Was hat das mit Kamenz zu tun?“ Diese seltsame Leserfrage hat sich auch mit dem Montagsauszug 2016 erledigt. Schütze: „Glück ist das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.“

Der Montagsauszug ging auch diesmal ohne Tropfen von oben über die Bühne – trotz zeitweise drohender Wolkenberge. Allerdings gibt es etwas Kritisches am Rande anzumerken. Martina Laube, die Festzugverantwortliche: „Leider geht zum Ende des Auszuges hin mehr und mehr die Disziplin am Straßenrand verloren.“ Wenn die letzten Klassen von der Tankstelle hoch laufen, strömt ihnen auf der Bautzner Straße das Publikum bereits von oben entgegen – auch aus der Hoyerswerdaer, teilweise mitten durch den Zug. „Das ist nicht schön.“ Viel mehr sollten die Gäste am Rand auch den letzten Umzugsteilnehmern die verdiente Ehre erweisen. „Etwas Beifall für die besten Formationen eingeschlossen.“ Nun, das wäre sagenhaft gut!