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Sägen am ungewöhnlichsten Heide-Ort

Der beliebte Wanderweg am Ullersdorfer Försterhain ist derzeit gesperrt. Das gefällt nicht jedem.

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© Kristin Richter

Von Jens Fritzsche

Ullersdorf. Sind es dunkle Geheimnisse? Hier, mitten im hell-weißen Schnee in der Dresdner Heide gleich am Ortsrand von Ullersdorf? Ein schwarzes Steinkreuz reckt sich zwischen den Bäumen in die kalte Januar-Luft, bemooste Grabsteinplatten schimmern durchs Weiß. Und ein filigran aus einer Sandsteinsäule gemeißelter Eichenstumpf mittendrin. Ein vergessener Friedhof? Hier, im Wald?

Anspruchsvoll: Am Försterhain lernen die Azubis des Forstbezirks das Baumfällen unter schwierigen Bedingungen. Aber Arthur Gommlich (r.) und Paul Winter aus dem zweiten Lehrjahr schlagen sich wacker.
Anspruchsvoll: Am Försterhain lernen die Azubis des Forstbezirks das Baumfällen unter schwierigen Bedingungen. Aber Arthur Gommlich (r.) und Paul Winter aus dem zweiten Lehrjahr schlagen sich wacker. © Kristin Richter
Es sieht aus wie ein Friedhof, aber unter den Grabsteinen für die Ullersdorfer Förster ist niemand begraben. Forstchef Heiko Müller kennt die Geschichte, die dahinter steckt.
Es sieht aus wie ein Friedhof, aber unter den Grabsteinen für die Ullersdorfer Förster ist niemand begraben. Forstchef Heiko Müller kennt die Geschichte, die dahinter steckt. © Kristin Richter

„Nein, das ist kein Friedhof“, sagt Heiko Müller. Der Chef des Forstbezirks weiß natürlich um das Geheimnis dieses „Försterhain“ getauften Areals zwischen der großen Tanzzipfelwiese und den ersten Häusern gleich am Ullersdorfer Sportplatz. Es sind Grabsteine der Ullersdorfer Förster aus dem 18. und 19. Jahrhundert; „aber es ist dennoch kein Friedhof, weil hier niemand beerdigt wurde“, macht Heiko Müller deutlich. Die Grabsteine stammen vom Friedhof im benachbarten Großerkmannsdorf. Dort sind die Förster begraben, zu deren Gräbern die Steine gehören. Aber als das damals seit gut 300 Jahren bestehende Ullersdorfer Forstrevier 1922 vorübergehend aufgelöst und dem Forstamt Weißer Hirsch angegliedert worden war, hatte der Ullersdorfer Forstmeister Traugott Hänichen die Grabsteine in die Heide bei Ullersdorf bringen lassen. Er wollte hier zur Erinnerung einen kleinen Förster-Ehrenhain schaffen.

Ehrenhain wird Försterhain

Aus dem Förster-Ehrenhain wurde dann mit den Jahren der Name Försterhain. Und ein beliebtes Ziel für Wanderer und Spaziergänger, die sich vor allem von der steinernen Eiche beeindrucken lassen, die an Egidius Lucas Metzner erinnert. Der in Altenburg geborene Metzner war immerhin 52 Jahre lang Verwalter des Ullersdorfer Reviers gewesen. 1820 war er gestorben – und die gut 1,80 Meter hohe Stein-Eiche zierte damals sein Grab in Großerkmannsdorf. Bis auch sie dann zwei Jahre später hierher gebracht worden war, in den Försterhain nach Ullersdorf.

Aber der „Ausflug“ von Heiko Müller hierher ist keiner in die Historie, sondern hat vielmehr mit der Gegenwart zu tun. „Und die ist ein bisschen laut“, sagt er. Denn derzeit ist der beliebte Wanderweg am Försterhain durch rot-weißes Flatterband gesperrt. Motorsägen brummen, Bäume knacken und stürzen krachend in den Schnee. „Die Eichen hier haben zwar in den vergangenen Jahren sehr intensiv geblüht, aber wir haben kaum Saatgut ernten können.“ Grund: Eichen lieben Licht, „weil sie hier aber zu dicht stehen, konnten sie keine großen Kronen ausbilden“, beschreibt Heiko Müller das Problem. Ein durchaus wirtschaftliches Problem, so der Forstchef. Denn Eichenholz ist wertvoll und bringt gute Erträge. Die jetzt hier gefällten Stämme bringen zwischen 150 und 200 Euro pro Kubikmeter, schätzt er. Dabei ist dieses Holz noch nicht mal besonders hochwertig. „Wenn man Platz schafft, wird natürlich die schlechtere Qualität gefällt.“

Förster brauchen Geduld

Die Eichen am Försterhain sollen später mal bis zu 80 Zentimeter Stammdurchmesser aufweisen. „Aber dafür braucht man Geduld“, weiß die zuständige Ullersdorfer Revierförsterin Uta Krauße. Bis zu 250 Jahre muss eine Eiche wachsen, sagt sie. Was für Zeiträume! „Das ist ja das Tolle an unserem Beruf, wir ernten, was Generationen vor uns gesät haben und säen, was Generationen nach uns ernten werden“, wird sie sogar fast ein bisschen philosophisch.

Derweil werden die gefällten Stämme am Försterhain mit Hilfe von „Felix“ gestapelt. Felix ist eine sehr flexible Forstmaschine, die mit ihren Greifern durchaus „gefühlvoll“ zupacken kann. „Wo die Maschine aber nicht hinkommt, dort werden in den nächsten Tagen dann Pferde helfen“, erläutert Uta Krauße. Das Eichenholz vom Försterhain geht dann nach Brandenburg, in eine Parkettfabrik. Die hier nebenher gleich mit gefällten Weymouths-Kiefern werden zu Paletten verarbeitet.

Chancen für die Lehrlinge

Wobei die Fällarbeiten, die gut vierzehn Tage dauern werden, nicht nur eine Chance für die Eichen sind, sondern auch für die Lehrlinge des Forstbezirks. Denn hier können sie lernen, „Bäume so zu fällen, dass die übrigen nicht beschädigt werden“, beschreibt Heiko Müller. Die Kronen der Bäume, die nicht gefällt werden, sollen möglichst keinen Schaden nehmen. „Das ist sehr anspruchsvolll, braucht viel Fingerspitzengefühl und Übung“, weiß auch Ausbilder André Salm. Per Funkmikrofon ist er mit den Lehrlingen aus dem zweiten und dritten Ausbildungsjahr verbunden, um trotz Sägelärm jederzeit Anweisungen geben zu können. „Baum fällen ist eine gefährliche Sache, deshalb sind die Wege ja während der Arbeiten gesperrt“, macht er klar. Und kann nur mit dem Kopf schütteln, wie oft Wanderer die Absperrung einfach ingnorieren. „Und auch, was wir uns da mitunter von Leuten anhören müssen …“ Dieser Tage zum Beispiel hatten Unbekannte das geparkte Forstfahrzeug „verziert“. Auf den frisch auf die Autoscheiben gekrümelten Schnee hatten sie den Satz gemalt: „Ihr kotzt mich an!“. André Salm findet das nicht wirklich lustig, sagt er. „Diese Leute sollten sich mal überlegen, wie das bei den Jungs ankommt, die hier den ganzen Tag richtig schwer arbeiten …“

Wald dient nicht nur der Erholung

Die Probleme kennt auch Forstchef Heiko Müller zur Genüge: „Es ist leider so, dass viele Waldnutzer nicht so richtig verstehen, dass es hier in der Heide nicht nur um Erholung, sondern auch um die forstliche Nutzung geht.“ Der Forst nehme Rücksicht, wo es möglich ist – „aber gerade jetzt, wenn der Boden gefroren ist, müssen wir bestimmte Arbeiten angehen, weil die schwere Technik sonst im matschigen Boden versinkt und die Wege stark in Mitleidenschaft zieht“, beschreibt er. Da müsse dann eben auch mal ein beliebter Weg kurzzeitig gesperrt werden. „Es gibt ja in der Heide zum Glück jede Menge Wege, die dann als Alternative genutzt werden können“, hofft Heiko Müller auf Verständnis.