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Säfte aus der Natur

Die Sommer im Erzgebirge werden wärmer, bleiben aber feucht. Davon profitiert die mobile Mosterei von Martin und Philipp Förster aus Mildenau.

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© Thomas Kretschel

Von Ines Mallek-Klein

Auf den Tischen steht selbst gebackener Apfelkuchen. In den Thermoskannen dampft heißer Kaffee. Er ist an diesem Freitagmorgen gefragt. Denn der September startet mit Dauerregen und ungemütlichen zehn Grad über Null.

Philipp Förster macht das nichts aus. Er stülpt entschlossen die Kapuze seiner schwarzen Regenjacke über den Kopf und greift zur nächsten Apfelstiege. Die roten, grünen und gelben Früchte landen schwungvoll im Wasserbad. Frisch gereinigt werden sie dann auf einem Förderband zum Häcksler befördert und landen schließlich in der Presse. Die arbeitet elektronisch. Ist der Trichter randvoll mit Obst, setzt sich die Presse in Bewegung. Sekunden später läuft der naturtrübe Apfelsaft durch die zwei Filterstationen, und die Presse spuckt die pizzagroßen, trockenen Pressrückstände aus. Sie plumpsen in eine Schubkarre und werden später zu einem benachbarten Bauernhof gefahren. Die Rinder freuen sich auf den fruchtigen Extrahappen. „Hier kommt nichts um“, sagt Philipp Förster.

Er, sein Bruder Martin und Tante Claudia Uhlig waren die Ideengeber bei der Gründung der mobilen Mosterei. Förster hat in Dresden Gartenbau studiert. Doch er wollte keinen Bürojob und auch kein Angestelltenverhältnis. Er wollte sich selbstständig machen – und das möglichst in seiner Heimat, dem Erzgebirge. Doch die Region gilt keineswegs als großes Obstanbaugebiet. Noch nicht. Denn auch wenn Philipp Förster ein naturverbundener Unternehmer ist, der Umweltschutz nicht nur propagiert, sondern auch lebt, muss er doch eingestehen, dass die Region zumindest in diesem Bereich vom Klimawandel profitiert. Die Sommer werden wärmer, bleiben aber feucht und sorgen so für steigende Erträge. Auch in diesem Jahr hatte das Erzgebirge Glück. Während in anderen Teilen des Freistaates die Maifröste die Apfelernte stark minimiert haben, waren an den Bäumen rund um Annaberg-Buchholz die Blüten noch geschlossen. Der Frost konnte ihnen nichts anhaben und die Äste bogen sich unter der Last der Früchte.

Entsprechend groß ist der Andrang an der Presse. Ein ständiges Kommen und Gehen. Vor allem die ältere Generation freut sich, endlich wieder Verwendung für ihre Früchte gefunden zu haben. „Wir haben Apfelmus gekocht oder Apfelkuchen gebacken, aber alle Früchte konnten wir nie verwenden. Was übrig war, landete auf dem Kompost. Das war schade“, sagt ein Mann, der gerade Zettel mit seinem Namen an vier große Kisten klebt. Er muss zum Dienst und wird nach der Arbeit zurückkommen, um seinen ganz eigenen Saft abzuholen. Den gibt es für jeden Kunden, der mindestens 50 Kilogramm Obst vorbeibringt. Das ist der große Unterschied zu den anderen Mostereien, die vielfach das Lohntauschverfahren anbieten. Das eigene Obst gegen den Saft, der gerade gepresst wird, so ihr Prinzip. Philipp Förster geht noch einen Schritt weiter. Bei ihm bekommt jeder Kunde seinen ganz eigenen Saft. Nur wer ganz kleine Obstmengen erntet, nimmt Mischmost mit nach Hause.

Die Mildenauer Mosterei verarbeitet als eine der wenigen Saftpressen auch Klaräpfel. Sie sind schon im August reif, liefern aber weniger Saft, und der ist noch dazu etwas säuerlich. „Ein Nischenprodukt, an das sich nicht jede Mosterei herantraut“, sagt Philipp Förster. Er bevorzugt den Saft der Quitte. „Der ist herrlich klar und hat einen tollen Honiggeruch“, sagt der Jungunternehmer. Doch die Edelstahlpresse kann auch Birnen, Brombeeren, Aronia und Johannisbeeren, Rhabarber, Kirschen oder Wein verarbeiten.

Die Technik dazu stammt aus Ungarn. Die Unternehmer haben den Hersteller auf einer Fachmesse gefunden und einen fünfstelligen Betrag investiert. Ohne Fördermittel. „Darauf haben wir bewusst verzichtet, wir wollten uns nicht abhängig machen“, erklärt der Unternehmer. Er weiß die Familie hinter sich. Bruder Martin bestückt gerade die Presse neu. Und Onkel Christian füllt ab. Der pure Saft durchläuft nach der Filtrierung die Pasteurisierung. Dort wird er binnen weniger Sekunden auf 80 Grad Celcius erhitzt und haltbar gemacht. „Dafür verzichten wir auf Konservierungsstoffe und Süßungsmittel“, sagt Philipp Förster. In den Schläuchen landet Natur pur – und die ist zwölf Monate haltbar, ohne Kühlung. Philipp Förster hätte gern in Glasflaschen abgefüllt. Aber deren Reinigung ist zu umständlich für eine mobile Mosterei. Also gibt es den Mildenauer Most im Back-in-Box-Beutel, wahlweise mit drei, fünf, zehn oder 20 Litern.

Im Oktober war Philipp Förster täglich unterwegs. Unterstützt wird er von Bruder Martin, der die Arbeitseinsätze noch mit seinem Dienstplan als Krankenpfleger abstimmen muss. Eine Marktlücke gefunden zu haben, davon ist der Jungunternehmer überzeugt, nicht nur, weil es in der Region mittlerweile einen Mitbewerber gibt. Nein, die Nachfrage ist so groß, dass man die Packpresse durch die automatische Presse ersetzen musste. Sie schafft fünf Tonnen, braucht aber einen Strom- und einen Wasseranschluss. Und viel Pflege. Wenn die Obstbaumbesitzer ihren Most längst im Keller verstaut haben, putzen Philipp und Martin. Zwei Stunden dauert es, bis alle Edelstahlteile poliert sind. Dann werden die Seitenteile eingeklappt, die grasgrünen Planen darübergestülpt, und die Mosterei verwandelt sich flugs in einen Pkw-Anhänger.

Die Mosterei ist ein Saisongeschäft. Philipp Förster hat deshalb eine Heidelbeerplantage angepflanzt. 250 Sträucher warten in einigen Jahren auf Selbsternter. Und damit die ordentlich etwas zu pflücken haben, beschäftigt sich das Geschwisterduo seit einigen Monaten mit der Imkerei. Zudem haben sie Land gekauft, auf dem schon bald eine Streuobstwiese entstehen soll. Das alles finanziert der Unternehmer aus der eigenen Tasche, dabei war der Förderantrag schon ausgefüllt. Doch Philipp Förster hat ihn zurückgezogen, nachdem er die Bedingungen gelesen hat. Er geht seinen eigenen Weg und hat weitere Pläne. Im kommenden Jahr soll an der Mosterei ein Hofcafé entstehen. Hier können die Kunden warten, während draußen ihr Saft gepresst wird, und wieder heißen Kaffee zum Apfelkuchen genießen.

Alle aktuellen Informationen zum Saftverkauf, den Preisen und Sonderabfüllungen der Mosterei Mildenau im Internet unter www.mosterei-mildenau.de