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Sachsens Unternehmer des Jahres

Rainer Gläß startete zur Wende mit nur einem Kollegen. Heute hat seine Firma in Schöneck 1 000 Mitarbeiter und Büros in vielen Metropolen. Wie er es schaffte, die Jury von sich zu überzeugen.

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© Thomas Kretschel

Christoph Ulrich

Die GK Software SE hat Büros in Metropolen wie Berlin, Hamburg und Moskau – doch wer zu Vorstandschef Rainer Gläß will, muss tief hinein ins sächsische Vogtland. In Schöneck, einer Kleinstadt mit gut 3 300 Einwohnern an der Grenze zu Tschechien, hat die Firma ihren Sitz. Aufgrund der Höhenlage von rund 700 Metern und der ausgedehnten Wälder ist Schöneck seit 1962 ein staatlich anerkannter Erholungsort und Wintersportplatz. Gläß gilt als verwurzelt in seiner Heimat. Immer wieder hat er sich dazu bekannt. „Ich glaube, es ist ein Vorteil, in Schöneck zu sein. Wir haben hier gute und fleißige Mitarbeiter, die loyal zum Unternehmen stehen. Das ist der Unterschied zu Ballungszentren, und damit haben wir Stabilität“, sagte der 59-Jährige unlängst bei der Inbetriebnahme der jüngsten Investition, einem Erweiterungsbau für die gut 350 Beschäftigten in Schöneck.

Die GK Software, eine der wenigen börsennotierten Firmen in Mitteldeutschland, hat sich als Entwickler von Softwarelösungen für den Handel einen Namen gemacht. Ketten wie Aldi, Douglas oder Loblaw in Kanada stehen auf der Kundenliste. In mehr als 41 000 Filialen und mit mehr als 260 000 Installationen in über 50 Ländern ist die Software im Einsatz. GK Software hat über 1 000 Mitarbeiter an zwölf Standorten und zählt ein Dutzend der weltweit 50 größten Einzelhändler zu seinen Kunden. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um 17 Prozent auf 90,45 Millionen Euro.

Der Start war bescheidener, als Gläß und sein Partner Stephan Kronmüller 1990 als Zwei-Mann-Betrieb loslegten. Die beiden Informatiker hatten weder Firmenräume noch Geld. „Wir hatten eine Vision, wir hatten unglaublich viel Energie, aber wir hatten ansonsten gar nichts“, erinnert sich Gläß. Wie einst Microsoft-Gründer Bill Gates profitierten sie von einer Besonderheit der IT-Branche. Man kann mit kleinem Budget anfangen, wenn man auf seine Programmierfähigkeiten vertrauen kann. So begann das Unternehmen mit zwei Rechnern. Vom Wohnzimmer aus wurden Buchhaltungsprogramme für mittelständische Betriebe entwickelt. Nach einigen Jahren kamen die ersten Großaufträge. 2001 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und 2008 schließlich der Börsengang gewagt. Das sei der größte und entscheidende Erfolg gewesen, blickt Gläß zurück. Er brachte auch eine neue Professionalität und Transparenz.

Vor seiner Unternehmensgründung hatte der gebürtige Vogtländer an der TU Dresden Informationstechnologie studiert. Danach war er in verschiedenen Bereichen der Softwareentwicklung tätig, zunächst als Anwendungsprogrammierer, später als Projektleiter. Die Aufbruchstimmung in der Wendezeit nutzte er, um den Weg in die Selbstständigkeit zu wagen.

Der Vogtländer hat die Zukunft seines Unternehmens fest im Blick. Mit dem Kauf des Chemnitzer Softwareentwicklers Prudsys hat sich GK Software umfangreiches Know-how bei künstlicher Intelligenz gesichert. Sie wird künftig neue Einkaufswelten ermöglichen. „Die Branche verändert sich dramatisch, und das Tempo ist hoch“, warnt Gläß regionale Einzelhändler.

Der Vorstandschef hat seinem Unternehmen auch einen Wandel verordnet. Die einst eher verschlossene Adresse beginnt sich zu öffnen. „Wir waren beschäftigt, aber jetzt haben wir einen Paradigmenwechsel vollzogen“, sagt der Diplom-Ingenieur. Mit einer Tüftlerwerkstatt im Keller des Unternehmens – dem „Hack-Space“ – sollen technikbegeisterte junge Leute angelockt werden. Fünf Millionen Euro steckte das Unternehmen in ein neues Gebäude, das als GK Innovation Center auch die Bedingungen für 350 Beschäftigte verbessern soll. Mit 1 500 Quadratmetern Nutzfläche vergrößerte sich GK Software am Firmensitz in Schöneck um rund ein Drittel.

„Es geht hier aber nicht darum, neue Büroflächen zu erschaffen, sondern es ist der Versuch, einen neuen Spirit zu kreieren“, sagt Gläß. Er spricht von frischem Wind und Aufbruchsstimmung: „Leben, arbeiten, kreativ sein, darum geht es.“ Mit der neuen Qualität am Arbeitsplatz, verbunden mit vielen Freiheiten für Mitarbeiter, will GK auch im Wettbewerb um die besten Köpfe noch attraktiver werden und neue Mitarbeiter ins Vogtland locken.

Bereits seit 2015 versucht Gläß, mit dem Programm „Active Balance“ das Thema Wohlfühlen in seinem Unternehmen strategisch anzugehen. Dahinter steckt ein Paket, das den Mitarbeitern das Arbeitsleben verschönern soll. Besonders beliebt sind die Massagen, die alle drei bis vier Wochen angeboten werden. Es gibt Sportveranstaltungen, aber auch sinnvolle Kleinigkeiten wie gelbe Säcke für Plastikabfall. Und der Bäcker kommt täglich ins Haus. Ein Stück moderne Arbeitskultur zieht im Vogtland ein: Oben tüfteln kluge Köpfe an neuer Software, in der Mitte treiben Mitarbeiter Sport, im Erdgeschoss tauschen sie sich beim Kaffee aus. Sogar eine professionelle Kletterwand steht an der Zentrale zur Verfügung, eine Idee der Mitarbeiter.

Gläß selbst schwingt sich nach der Arbeit gerne aufs Rennrad. In den langen Wintern ist er auf Skiern unterwegs. Pisten und Loipen gibt’s vor der Haustür. Der Chef, der auch den ortsansässigen Skiklub unterstützt, hat sogar ein Buch über das Skifahren verfasst.

Den eingeschlagenen Weg wird GK weitergehen. Zwei Baustellen nahe der Zentrale künden davon. Auf dem GK Campus sollen noch 2018 Gebäude in die Höhe wachsen, die auch eine Betriebskindertagesstätte und Schulungsräume beherbergen. Rund drei Millionen Euro nimmt das Unternehmen dafür in die Hand. Das zweite Projekt nimmt ebenfalls Gestalt an. Mit dem „Tannenhaus“ entsteht ein Hotel mit Gastronomie unweit des Firmensitzes. Gläß ließ eine marode, denkmalgeschützte Immobilie bis auf wenige Mauern abtragen. Im Haus mit 15 Zimmern sollen Mitarbeiter und Kunden aus aller Welt logieren.

Gut für GK Software ist die seit 2009 bestehende Partnerschaft mit SAP. Der weltweite Vertrieb der GK-Lösungen durch das international führende Softwareunternehmen SAP hilft dem vogtländischen Unternehmen, neue Kunden auf allen Kontinenten zu gewinnen. Schließlich hat Gläß ein großes Ziel: die weltweite Marktführerschaft bei Filial-Software für den Einzelhandel. Massives Umsatzwachstum und kontinuierliche Investitionen in Forschung und Entwicklung sollen den Weg ebnen.

Als Unternehmer, der schnelle Entscheidungen treffen muss, hadert Gläß mit der Digitalpolitik in Deutschland. Seiner Ansicht nach ließe sich mit wenig Mühe viel erreichen. Das beginnt bei einfachen Dingen wie dem Breitbandausbau. „Darüber muss man nicht mehr diskutieren, sondern es einfach machen“, meint der Vorstandschef. Auf der strategischen und rechtlichen Ebene könne man weitere Dinge tun, um den IT-Standort Deutschland zu festigen. Als Beispiel nennt Gläß das Thema Datensicherheit. Ein Punkt, der eine Rolle beim Standort von Servern spielt, auf denen Millionen von Daten abgelegt werden. Nötig sei in Deutschland zudem eine Kultur für Gründer. Das habe viel mit steuerlichen Aspekten zu tun. Für die Branche sei es wichtig, dass man Sachen schnell und leicht umsetzen könne. Eine lange Liste von Gründen, weshalb etwas nicht geht, brauche man nicht. „Die IT-Industrie denkt genau andersrum“, versichert Gläß.