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Sachsens Gewichtheberzentrum ist jetzt in Görlitz

Der ehemalige Bundestrainer Thomas Faselt ist als Sachsentrainer zurück zu Hause – und hat spannende Ideen.

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© H.-E. Friedrich

Von Frank Thümmler

Görlitz. Ein Hauch von Olympia weht seit einigen Wochen durch das Görlitzer Gewichtheberzentrum „Flora“. Thomas Faselt, über ihre gesamte Karriere Trainer der Görlitzer Olympiaheberin Julia Schwarzbach (geb. Rohde) und als Bundestrainer im deutschen Olympiateam von 2008 (Peking), 2012 (London) und 2016 (Rio de Janeiro), hat unter dem Dach der altehrwürdigen Sportstätte seine neue Arbeitsstelle eingerichtet. Faselt ist seit Januar sächsischer Landestrainer/Sportkoordinator und leitet von Görlitz aus die Geschicke der sächsischen Gewichtheber, Kraftdreikämpfer und Fitness-Sportler. Der 49-Jährige sagt im SZ-Interview, warum er seine Zelte hier aufgeschlagen hat, wie er das Ansehen seiner Sportart verbessern will und welche Chance er sieht, neue Spitzensportler zu formen.

Herr Faselt, Sie standen als Trainer an den großen Gewichtheberbühnen der Welt und sind jetzt zurück in Görlitz. Wie kommt’s?

Zehn Jahre Stress pur, den man als Bundestrainer hat, reichen mir. Und da man als Bundestrainer sowieso immer nur Verträge über einen Olympiazyklus hat, stand für mich persönlich schon lange vor Rio de Janeiro fest, dass ich, wie auch Chef-Bundestrainer Oliver Caruso, nach den Olympischen Sommerspielen keinen weiteren Vertrag für Tokio 2020 unterzeichnen werden. Er ging zurück zum baden-württembergischen Verband und ich zurück zum sächsischen, um wieder an der Basis zu wirken. Der Landessportbund Sachsen und der Landesfachverband haben gemeinsam erfolgreich darum gerungen, um dies für mich auch zu ermöglich. Ich bin jetzt als Sportkoordinator nicht nur für die Gewichtheber, sondern auch für die anderen Sportarten im sächsischen Verband, Kraftdreikämpfer und Fitness-Sportler, zuständig. Ich werde versuchen, neue Strukturen im Nachwuchs-Leistungssport aufzubauen, um ihm damit auch neue Impulse zu geben, sowie den erfolgreichen sächsischen Verband gesamtheitlich verwalten.

Die besten sächsischen Gewichtheber sind doch aber eher in Chemnitz oder im Raum Dresden, Sie haben sich Görlitz als Standort ausgesucht. Warum?

Weil die besten deutschen Gewichtheber der letzten Jahre aus dem ostsächsischen Raum gekommen sind. Zur Debatte stand noch Chemnitz. Dort arbeiten aber schon drei Trainer am Bundesstützpunkt. Die Bündelung von hauptamtlichem Personal an einem Stützpunkt wollte ich auf keinen Fall weiter forcieren, auch wenn in Chemnitz ein Großteil unserer hoffnungsvollen Nachwuchsathleten betreut wird. Außerdem hat uns die Zentralisierung der besten Gewichtheber in den vergangenen Jahren nicht gut getan, wir wollen uns wieder besser in der Breite aufstellen. Und da passt der Standort Ostsachsen hervorragend, zumal mir meine Verbandstätigkeit auch Zeit lässt, um als Trainer zu arbeiten.

Gibt es Hoffnungen, dass unter den ostsächsischen jungen Gewichthebern jemand ist, der es an die deutsche, vielleicht sogar internationale Spitze schaffen kann?

Die deutsche Spitze ist nicht unser Anspruchsniveau. International haben wir den Anschluss verpasst. Dort wieder heranzukommen, wird ein langer Weg. Der Eibauer Erik Ludwig, den ich seit fünf Monaten betreue, hat zum Beispiel einiges Potenzial. Er könnte ein Beispiel dafür werden, dass wir die Förderstrukturen so angepasst haben, dass Leistungssport auch heimatnah möglich ist.

Nun hat Gewichtheben in der breiten Bevölkerung den Ruf, dass man nach ganz vorn nur mit Doping kommen kann. Die vielen Dopingfälle scheinen das zu bestätigen. Was ist Ihre Meinung dazu?

Wir haben damit wirklich ein Problem, dass es in den vergangenen Jahren eine echte Chancengleichheit nicht gab. Wir hatten vor Olympia viele Hoffnungen auf das IOC gesetzt, die sich aber nicht erfüllt haben. Wenn man zum Beispiel Russland richtig an die Kandare nehmen würde, würden die darauf achten, dass die Nachbarländer auch die Finger von verbotenen Mitteln lassen, um selbst weiterhin Chancen zu haben. Aber es ist viel zu wenig passiert – bis jetzt.

Was sagen Sie vor diesem Hintergrund Eltern, deren Kinder Gewichtheben als Leistungssport treiben wollen?

Erstens ist international Bewegung in diesem Bereich. Zweitens arbeiten wir in Deutschland schon immer sauber, was unzählige Tests beweisen. Wir haben schon bewiesen, dass wir mit unseren Trainingsmethoden Sportler unter die TopTen der Welt bringen können. Wenn uns das wieder gelingt, und das möglichst mit mehreren Athleten, werden wir irgendwann auch wieder das Jahrhunderttalent dabeihaben, das ganz an die Spitze kommt. Und drittens steht für uns bei allem immer die Gesundheit des Sportlers im Vordergrund.

Glauben Sie, dass sich das Image des Gewichthebens wieder verbessern lässt?

Davon bin ich überzeugt, und das hat es schon. Inzwischen trainieren auch viele Frauen mit Langhanteln, nennen es Crossfit und bezeichnen es als gesund. Auf diesem Trend müssen wir mitschwimmen. Wir müssen neue Wege gehen, vielleicht auch mal einen Wettkampf auf öffentlichen Plätzen oder in einem Einkaufszentrum durchführen, also hin zu den Zuschauern. In den großen Sportstädten trainieren Sportler aus anderen Sportarten – zum Beispiel aus der Leichtathletik oder vom Volleyball – auch mal bei den Gewichthebern, um den speziellen Muskelaufbau richtig zu betreiben. Wir sind eine Basissportart, ohne die es aktuell im Gesamtleistungssport, egal welche Sportart, nicht in die Spitze geht. Und wir müssen das Vereinsleben in unseren Gewichthebervereinen, wie in Eibau, Görlitz oder Zittau, wieder so attraktiv gestalten, dass wir mehr Breitensportler bei unserer Sportart haben und wieder mehr Kinder bei uns trainieren. Dass Gewichtheben nicht gesundheitsschädlich ist, sondern ganz im Gegenteil, haben viele Untersuchungen längst bewiesen. Und unsere Sportart ist für jedes Alter trainierbar. Gewichtheben tut, anders als viele andere Sportarten, nicht weh, denn sollten meine Kräfte nachlassen, so nehme ich einfach eine Scheibe runter von der Hantel.

Wie wollen Sie mehr Kinder in die Vereine bekommen?

Ein Weg könnte unsere Athletikschule sein. Ich werde dazu in den kommenden Wochen Kontakt und Gespräche mit dem Regionalschulamt aufnehmen, um die Athletikschule vorzustellen und den Schulen anzubieten, damit in den Unterricht zu kommen. Die „Athletikschule“ ist ein sportmotorisches Angebot für zehn- bis zwölfjährige Kinder und erstreckt sich über zehn Sport-Unterrichtsstunden. Dies soll dann in den Vereinen mit kindgerechtem, allgemeinsportlichem Training fortgeführt werden, was später in das athletische Gewichthebertraining münden kann. Weiterhin benötigen wir wieder mehr Übungsleiter und Trainer, um all diese Angebote auch aufrecht zu halten. Da sind aktive und ehemalige Gewichtheber und Kraftsportler gefragt. Wenn das alles gelingt, finden wir vielleicht doch irgendwann wieder eine Julia Rohde oder einen Tom Schwarzbach in Ostsachsen.