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Sachsens einziger Schlachthof vor dem Aus

Gebühren und teure Energie zwingen Gausepohl aus Chemnitz zur Aufgabe. Auf Sachsens Viehhalter kommen nun weite Wege und höhere Kosten zu.

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Von Brigitte Pfüller, Röhrsdorf

Holger Hermsdorf vom Wirtschaftshof Sachsenland Röhrsdorf e. G. ist nicht glücklich. Das Agrarunternehmen muss sich kurzfristig einen neuen Schlachthof suchen, da die Unternehmensgruppe Gausepohl Fleisch aus dem niedersächsischen Dissen ihren Betrieb in Chemnitz schließt.

„Wir haben die Information erhalten, dass ab 1. September Schluss ist“, ärgert sich der Landwirt. „Jetzt müssen wir uns schnellstens mit dem Schlachtbetrieb in Altenburg einigen. Wir brauchen einen Partner, der mehrmals in der Woche schlachten kann.“ Denn Sachsenland lässt in Chemnitz schlachten und zerlegen, um als Direktvermarkter Wurst- und Fleischwaren in seinem Wirtschaftshof sowie in fünf Filialen anzubieten. Geschlachtet werden Schweine und Mastbullen.

Ob die Dienstleistung für den Agrarbetrieb teurer wird, konnte Hermsdorf nicht sagen. Sicher ist aber, dass die Kosten insgesamt steigen. Denn der Transport wird auf alle Fälle teurer. Bis Gauspohl-Chemnitz waren es nur wenige Kilometer. Bis Altenburg sind es hin und zurück rund 100 Kilometer.

Bauern müssen nach Thüringen

„Viele Bauern werden wohl jetzt nach Thüringen ausweichen müssen“, schätzt Frank Illing, Bereichsleiter Agrargenossenschaften vom Mitteldeutschen Genossenschaftsverband (MGV). „Wenn Gausepohl in Chemnitz schließt, gibt es keinen großen Schlacht- und Zerlegungsbetrieb in Sachsen mehr, und die Wege werden weiter.“

Das Schlacht- und Zerlegezentrum der Südost Fleisch GmbH in Altenburg gehört zur Unternehmensgruppe Vion aus Düsseldorf. Sie ist nach Tönnies der zweitgrößte Fleischverarbeiter Deutschlands. In Chemnitz ist der Düsseldorfer Konzern mit der Vion Convenience Chemnitz GmbH der unmittelbare Nachbar von Gausepohl Fleisch im Gewerbegebiet in der Neefestraße. Trotzdem gab Vion auf Nachfrage an, kein Interesse zu haben, den Chemnitzer Standort von Gausepohl zu übernehmen. „Wir beziehen für Vion Chemnitz kein Fleisch von Gausepohl“, lautete die Antwort aus Düsseldorf.

Von der Schließung der Chemnitzer Gausepohl-Betriebsstätte sind neben den sächsischen Viehzüchtern auch 60 Beschäftigte betroffen. Ihnen wurde ein Wechsel in eine Beschäftigungsgesellschaft angeboten. Hinzu kommen Werkunternehmer aus Tschechien und aus der Slowakei, die zeitweise als Schlachter in Chemnitz arbeiteten, sowie Mitarbeiter aus dem städtischen Veterinäramt.

Als Gründe für die Schließung nannte Gausepohl die zu hohen Kosten durch Energie und Gebühren für Veterinäre. Dagegen hatte Gausepohl im Jahr 2007 bereits geklagt, woraufhin die Stadt dem Unternehmen 250.000 Euro erließ.

Trotz Billiglöhnen Geldsorgen

Trotz Gesprächen mit der Kommune, bleibt Gauspohl beim Ziel, „die Schlachtung und Zerlegung kurzfristig bis spätestens 31. August 2011 einzustellen.“ Ein Verkauf sei keine Option, hieß es aus Dissen.

Gausepohl hatte den von 1994 bis 1996 neu errichteten Schlacht- und Zerlegebetrieb im Jahr 1998 aus dem Eigentum der Stadt Chemnitz gekauft. In die Schlagzeilen geraten war Gausepohl Chemnitz im Jahr 2005, als das Unternehmen einer deutschen Zerlegefirma kündigte und 60 Chemnitzer Schlachter entließ. Dafür wurden slowakische Billiglöhner des Subunternehmens Eurokart engagiert. Mit mehr als 750 Arbeitsplätzen an künftig sechs Produktionsstätten in Deutschland erzielt die Unternehmensgruppe Gausepohl Fleisch einen Umsatz von etwa 500 Millionen Euro.