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Sachsens Bau klagt über Klau

Die Diebe nehmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Ihr Risiko ist im Freistaat gering.

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© picture alliance / Bernd Thissen

Von Michael Rothe

Im Grunde ist Rüdiger Zschoch ein umgänglicher Zeitgenosse. Aber wenn es um Klau am Bau geht, bekommt der 48-Jährige einen dicken Hals und redet sich in Rage. Schon zu oft sei der Steine-Erden-Veredler RST Universal GmbH im Löbauer Ortsteil Laucha von Dieben heimgesucht worden. Der Bauingenieur spricht von zwei Aktenordnern mit Anzeigen. Der mittlere Schaden liege bei jeweils 30 000 Euro. Beim letzten Mal seien im Diorit-Steinbruch Baucontainer, Bagger und Kran aufgebrochen sowie Hochdruckreiniger, Bohrhämmer, Kabel, Funkfernbedienungen, Batterien, Motoren und Hunderte Liter Diesel und Heizöl geklaut worden, sagt er. Nicht nur der unmittelbare finanzielle Schaden mache dem Fünf-Mann-Betrieb zu schaffen. „Es gibt einen Tag Ärger mit Polizei und Spurensicherung, und noch länger fällt die Produktion aus“, so Zschoch.

Die kleine Lausitzer Firma steht exemplarisch für einen Schaden von 3,44 Millionen Euro durch Diebstähle auf Sachsens Baustellen im Jahr 2017 – und für die Ohnmacht der Ermittler und Strafverfolger. Laut Bauindustrieverband Sachsen/Sachsen-Anhalt (BISA) gab es 2017 in beiden Bundesländern insgesamt 2 134 solcher Straftaten, nur 59 weniger als im Jahr zuvor. Der prozentuale Rückgang sei deutlich schwächer als im Gesamttrend, hieß es unter Berufung auf die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik. Die Zahl der Delikte mit Waffen und Bandendiebstähle habe sich von fünf auf zehn verdoppelt. „Das lässt befürchten, dass diese Formen der Schwerkriminalität keine Einzelfälle mehr darstellen“, sagt Verbandschef Robert Momberg.

Der Schaden geht laut dem Geschäftsführer weit über das Diebesgut hinaus. Vandalismus an Gebäuden und Einrichtungen, Wiederbeschaffungskosten, Ausfallzeiten, Personal-, Rechts- und Beratungskosten lägen in Summe um ein Vielfaches höher. Er belaufe sich nach BISA-Berechnungen allein für das Bauhauptgewerbe in Sachsen auf rund 40 Millionen Euro, und fast jedes der rund 110 Mitgliedsunternehmen sei betroffen.

Fast die Hälfte aller Fälle im Freistaat entfällt auf den Direktionsbezirk Leipzig, fast ein Drittel auf die Messestadt selbst – mehr als in Dresden und Chemnitz zusammen. Leipzig sei ein „Hotspot der Baustellenkriminalität“, so Momberg, und das nicht, weil dort überdurchschnittlich gebaut werde. Angesichts der Anonymität der Großstadt sowie guter Fluchtwege über die Autobahnen A 9, A 14, A 38 sprechen Experten von einer tollen Infrastruktur für Kriminelle. Ihr Risiko, gefasst zu werden, hält sich in Grenzen. Im Direktionsbezirk Leipzig wird den Angaben zufolge nur jeder zehnte Fall aufgeklärt, im Großraum Dresden jeder achte. Insgesamt verringerte sich die Zahl der aufgeklärten Baustellendiebstähle um fast ein Fünftel.

Tom Bernhardt, Sprecher vom Landeskriminalamt Sachsen, nennt mit hoher Fluktuation am Bau sowie Grenznähe und damit nur kurzer Interventionszeit zwei Gründe. „Aber was zu schaffen ist, machen die Kollegen“, sagt der Behördensprecher.

Auch Sachsens Bauhandwerker bekommen immer wieder ungebetenen Besuch, mancher in Jahresfrist auch dutzendfach. „Viele zeigen den Einbruch schon gar nicht mehr an, weil es außer Ärger nichts bringt“, sagt Andreas Baumann, Präsident des hiesigen Baugewerbeverbands, Sprachrohr von rund 700 kleineren Betrieben.

So erging es auch Rüdiger Zschoch vom Steinbruch in Löbau. „Beim letzten Klau schrieb mir die Staatsanwaltschaft Görlitz bereits nach sechs Wochen, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt sei“, sagt er. Dabei habe ihm die Kriminaltechnik bestätigt, dass gesicherte DNA-Spuren zu jener Zeit nicht mal ausgewertet gewesen seien.