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Sachsenbiker stürmen den Flugplatz

Die 15. Heimkinderausfahrt des Dresdner Zweirad-Vereins machte am Wochenende Station in Großenhain.

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© Anne Hübschmann

Von Manfred Müller

Großenhain. Motorengedröhn gab es am Samstagvormittag nicht nur beim Einzug von fast 100 Choppers und Cruisers auf den Großenhainer Flugplatz zu hören. Jeder der Zweirad-Piloten vom Sachsenbike-Verein kam mit einem jugendlichen Sozius vorgefahren, und viele davon wollten gern mit einem von Bothurs Schützenpanzern durch die Gegend düsen. Die Dresdner Biker hatten zur jährlichen Heimkinderausfahrt geladen, und 83 Kinder aus vier Einrichtungen der Elbestadt und Umgebung nahmen daran teil.

Die Strecke führte diesmal von der Feldschößchen-Brauerei zum Schullandheim Reibitz nördlich von Leipzig, wo eine Übernachtung geplant war. Großenhain lag etwa in der Mitte, sodass die Biker die Stadt als Rastplatz auserkoren hatten. Dass sie auf den Flugplatz kamen, hat mit dem sozialen Engagement des Unternehmers Wolfgang Bothur zu tun. Der ist an vielen karitativen Aktionen beteiligt, unter anderem bei der Lichtblick-Stiftung. „Der Staat tut einfach nicht genug für hilfebedürftige Kinder“, ist Bothur überzeugt. Deshalb holte er am Wochenende nicht nur seine ehrenamtlichen Panzerfahrer auf die Piste, sondern sponserte den Heimkindern auch ein Mittagessen. Das Großenhainer Original „Muppe“ kochte für die etwa 250 Ausfahrt-Teilnehmer Gulasch- und Erbsensuppe.

Die Heim-Ausfahrt der Sachsenbiker startete erstmals 2002 mit den Volkersdorfer Tschernobylkindern. Seit die Betreuungsstätte aufgelöst ist, nehmen andere Kinderheime an der ein- bis zweitägigen Veranstaltung teil. Diesmal waren es Schützlinge vom Dresdner Sonnenstrahl-Verein, vom Pfarrer-Dinter-Haus, dem Kinderhaus „Dreikönige“ und dem Heimverbund Sonneneck/Immenhof Frankenberg. „Die Kinder sind ja nicht umsonst bei uns“, erklärt Stefan Wald. „Sie kommen aus sozial schwierigen Familien und haben schon einiges durchgemacht.“

Auf einer solchen Ausfahrt, sagt der Immenhof-Erzieher, könnten sie ihre Probleme mal vergessen. Das umso mehr, als die Biker unter ihrer Lederkluft ausgesprochen herzliche Menschen seien. Der Stolzenhainer Volker Stäbler zum Beispiel hat schon zwölf der 15 Ausfahrten der Sachsenbiker mitgemacht. Der Chopper-Pilot trägt den Spitznamen „Mückenkiller“ und sieht mit seinen schulterlangen Haaren recht martialisch aus. Aber er engagiert sich bei der Seelsorge für die Angehörigen von Unfallopfern und hat ein großes Herz für sozial benachteiligte Kinder. „Man muss ihnen nur in die Augen schauen, wenn sie sich nach so einer Ausfahrt von uns verabschieden“, sagt er. „Die einen sind total aufgedreht und glücklich, die anderen haben Tränen in den Augen.“ Das gehe an niemandem spurlos vorbei.

Eric steigt gerade mit wackligen Knien von einem der Bothurschen Schützenpanzerwagen, mit dem er über die Geländestrecke gedonnert ist. Was denn nun aufregender sei – Panzer oder Motorrad fahren? „Auf dem Bike sitzt man bequemer, eigentlich sogar gemütlich“, sagt der 13-Jährige. Abenteuerlicher gehe es natürlich auf dem Militärfahrzeug zu. Trotzdem freut er sich, dass die Tour gleich wieder startet. Schnell noch eine Suppe essen und dann wieder rauf auf den Sozius und schön in die Kurven legen.

Ali ist einer von sechs Flüchtlingsjungen, die an der Heimkinder-Ausfahrt teilnehmen. Er sitze nicht das erste Mal auf einem großen Motorrad, erzählt der 15-jährige Afghane in recht passablem Deutsch. Nur seien sie zu Hause in Baghlan meist zu dritt oder zu viert gefahren. Der Junge hat auf der Flucht vor den Kämpfen in seiner Heimat den Kontakt zu seinen Eltern verloren und sich allein bis nach Deutschland durchgeschlagen. Jetzt wird er im Frankenberger Heim betreut, wo er schon etliche Freunde gefunden hat.

„Wir helfen ihnen dabei, dass sie die Chance, die sie hier bekommen, auch wirklich nutzen“, erklärt Betreuerin Janine. Sie habe im Übrigen keinerlei Probleme mit den 15 bis 17 Jahre alten Jungs. „Wenn einer mal einer Frau nicht die Hand geben will, dann tut er das aus Schüchternheit“, erklärt sie. In Deutschland hätten viele Männer sicher auch Schwierigkeiten, einen anderen Mann zu küssen, wie das in Afghanistan üblich ist.