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Sachsen erlebt die Post-Moderne

DHL will Pakete schneller und umweltfreundlich zustellen: mittels Elektroautos und mechanischer Sortierzentren.

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© Ronald Bonß

Von Michael Rothe

Getrieben vom Boom des Internethandels und vom wachsenden Druck der Konkurrenz forciert die Deutsche Post DHL ihre Anstrengungen in der Paketzustellung. So entsteht in Dresden-Übigau an der Autobahn 4, eine mechanisierte Zustellbasis für 110 Beschäftigte. Dort werden bislang manuell vorsortierte Sendungen – pro Tour um die 160 – künftig automatisch geordnet, per Band und ausziehbaren Kastenrutschen zu 36 Zustellstoren transportiert. Das spare den Boten im Schnitt 30 Minuten Arbeit am Tag, heißt es von der Post.

Frank Bettgenhäuser, Chef von Deutsche Post DHL für Ostdeutschland
Frank Bettgenhäuser, Chef von Deutsche Post DHL für Ostdeutschland

Der Rohbau steht, Anfang 2017 soll die Anlage als Erste in Sachsen in Betrieb gehen und eine zweite in Leipzig folgen. Über die Höhe der Investition hüllt sich die Post in Schweigen. In den vergangenen Jahren hatte der Konzern bereits die Paketzentren Ottendorf-Okrilla, Radefeld und Neumark auf eine Kapazität von 32 000 Sendungen pro Stunde hochgerüstet – als Teil eines bundesweiten Modernisierungsprojekts für 750 Millionen Euro.

Insgesamt beschäftigt die Post im Freistaat 13 500 Menschen – auch in fünf Briefzentren und allein ein Drittel am DHL-Luftfrachtkreuz am Flughafen Leipzig-Halle. „Ab Juli werden in Sachsen die ersten Zusteller mit Elektroautos unterwegs sein“, verrät Frank Bettgenhäuser. Der 54-Jährige ist seit Februar Postchef für Ostdeutschland, hat die DDR nach eigenem Bekunden aber „nie selbst gesehen“. Die vor allem für die Zustellung auf dem Land entwickelten und von einer Posttochter in Aachen gebauten Kastenwagen sind bis zu 80 Stundenkilometer schnell, haben 100 Kilometer Reichweite und können 650 Kilogramm zuladen. Für die 30 KW Leistung der Einsitzer sorgen Lithium-Ionen-Batterien.

Bis zum Jahresende sollen in der Niederlassung Dresden 24 solcher „Streetscooter“ zum Einsatz kommen, davon je fünf in Bischofswerda und Schwarzheide, sechs in Großenhain, acht in und um Bautzen. Weitere solcher Transporter sollen folgen – bundesweit insgesamt 30 000.

Und noch eine Neuigkeit vermeldet Bettgenhäuser, der als 15-Jähriger im Westerwald Briefe austrug, sich über Auslandseinsätze hochdiente und nach der Wiedervereinigung die Einführung der fünfstelligen Postleitzahlen verantwortete: DHL bietet ab 1. Juli auch in Sachsen Zeitfenster zur Zustellung von Online-Bestellungen an: 18-20 und 19 bis 21 Uhr. Nächstes Jahr soll dieser Service auf 10 bis 22 Uhr erweitert werden. Einen Termin gebe es noch nicht.

An der Montagszustellung wird laut Bettgenhäuser nicht gerüttelt, trotz des geringen Aufkommens von „kaum fünf Prozent des Wochenaufkommens“. Die Zustellung per Drohne bleibt trotz erfolgreicher Tests Exot und – wie die per Spreewaldkahn – speziellen Regionen wie der Insel Juist oder Reit im Winkl vorbehalten.

Die Offensive der Post ist auch Reaktion auf Pläne des Onlinehändlers Amazon, eigene Zustellstrukturen für sich und andere aufzubauen. Insider beziffern dessen Anteil am DHL-Paketgeschäft auf 30 Prozent. Bettgenhäuser will sich dazu nicht äußern, gibt sich aber gelassen, schließlich wachse der DHL-Paketumsatz jährlich um fünf bis zehn Prozent – im Gegensatz zum rückläufigen Briefgeschäft. DHL transportiere im Schnitt 3,9 Millionen Pakete am Tag.

Auch innerbetrieblich gibt es fast ein Jahr nach den größten Streiks in der Postgeschichte noch Baustellen. „Die Narben sind noch nicht verheilt“, räumt Bettgenhäuser ein. Konzern und Gewerkschaft seien bemüht, zur Normalität zurückzukehren. Im vergangenen Sommer hatte Verdi nach mehrwöchigen Streiks 3,7 Prozent mehr Lohn in zwei Schritten durchgesetzt, musste aber auch 49 regionale Paketgesellschaften von DHL Delivery abnicken, in denen Neueingestellte etwa 20 Prozent weniger verdienen – 250 von ihnen arbeiten in Sachsen. Angesichts dortiger Einstiegslöhne von 10,53 Euro verbietet sich laut Bettgenhäuser der Begriff „Billigtochter“. Wettbewerber zahlten noch weniger.

Dass Verdi nun bei neuer Technik und Zustellbasen einen Haken wittert, glaubt der Manager nicht. Schließlich werde die Arbeit leichter und ein Umweltbeitrag geleistet – auch wenn die Touren der Zusteller künftig wohl etwas weiter würden.