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Sachsen drehen sich in Israel

Stanislaw Tillich besucht Israel mit einer Wirtschaftsdelegation. Die Reise dient in erster Linie der Beziehungspflege. Dabei findet der Landesvater ein neues Vorbild.

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© Matthias Rietschel

Von Henry Berndt, zzt. in Israel

Beim Blick vom Balkon des Hotelzimmers in Haifa fallen sie sofort ins Auge: die mächtigen Containerkräne im Hafen an der Mittelmeerküste. Viele von ihnen stammen aus Sachsen, wie Samuel Kermelk nicht ohne Stolz sagt. Er ist Prokurist bei Kirow, einem Maschinenbauunternehmen aus Leipzig, das Weltmarktführer bei Kränen dieser Art ist. Mehr als 50 Stück hat Kirow seit Mitte der 90er-Jahre bereits nach Israel verkauft. Stückpreis zwischen zwei und drei Millionen Euro. „Israel ist ein sehr wichtiger Partner im Nahen Osten für uns“, sagt Kermelk. Um die guten Beziehungen zu pflegen, war der 36-Jährige Teil der Wirtschaftsdelegation, die den amtierenden Bundesratspräsidenten Stanislaw Tillich während der vergangenen Tage bei dessen Tour durch Israel begleitete.

Zu den wichtigsten Handelspartnern Sachsens gehört Israel bisher zwar nicht, aber das kann sich ja ändern. Waren im Wert von rund 190 Millionen Euro exportierten sächsische Firmen 2014 dorthin, das entspricht einem Anteil von unter einem Prozent am gesamten Export. Die Hälfte dieser Summe bringt allein der Verkauf von Schienenfahrzeugen ein. Gemeint sind die roten Doppelstockwagen, die Bombardier seit 1999 im großen Stil von Görlitz aus für die israelische Staatsbahn produziert. Auf der Fahrt von Haifa nach Jerusalem kamen der deutschen Delegation am Sonntag gleich mehrere dieser Züge entgegen. Insgesamt wurden bislang rund 370 Stück nach Israel geliefert, wie Susanne Kortendick sagt. Sie trägt den schönen Titel Vice President Human Resources Global Supply Chain und vertritt Bombardier auf Tillichs Israelreise. Gerade erst hat ihr Unternehmen einen weiteren Deal mit der Staatsbahn perfekt gemacht: Geliefert werden sollen diesmal 62 Elektroloks, mit der Option auf weitere 32. Die Loks werden allerdings in Kassel produziert.

Susanne Kortendicks wichtigster Termin dauert am Sonntag nicht mal eine Stunde. Als Boaz Zafrir, Chef von Israel Railways, der Delegation von seinen Ausbauplänen berichtet, leuchten nicht nur ihre Augen. Auch die anderen sächsischen Wirtschaftsvertreter sind ganz Ohr. Insgesamt sieben Milliarden Euro will Zafrir bis um Ende der Dekade in den bislang noch eher überschaubaren israelischen Bahnverkehr investieren. An einer geplanten Ausschreibung von zwei Eisenbahnkränen wird sich aller Voraussicht nach die Kirow GmbH beteiligen. Die Dresden Elektronik GmbH, für die Prokurist Gunnar Daßler mit in Israel ist, hat die vage Hoffnung, dass man sich im Mittleren Osten für digitale Haltestellenschilder begeistern könnte, die das mittelständische Unternehmen mit 80 Mitarbeitern gerade in Dresden entwickelt.

Da geht noch was

Die sächsischen Exporte nach Israel schwanken von Jahr zu Jahr stark, abhängig vor allem von den Geschäften mit Bombardier. Signifikante Steigerungen sind seit 2000 nicht zu verzeichnen. Die Importzahlen liegen durchschnittlich noch weit darunter. 2014 wurden Waren im Wert von rund 48 Millionen Euro aus Israel nach Sachsen importiert, hauptsächlich Mess- und Steuerungstechnik, aber auch Maschinenbauteile.

Während einige Mitglieder der Wirtschaftsdelegation in Israel konkret Kunden ansprechen wollen, suchen andere vor allem nach Investoren. Geschäftsführer Thibaud Le Séguillon ist für die Heliatek GmbH dabei gewesen. Die Dresdner Firma ist weltweiter Technologieführer im Bereich der organischen Photovoltaik. „Wir suchen Geld“, sagt der Franzose kurz und knapp. Anders Thomas Warnatsch von der Mikromat GmbH. Seine Dresdner Firma will sich in Israel möglicherweise an einer Ausschreibung für den Bau einer 2-Millionen-Euro-Bohrmaschine beteiligen.

Spricht man von israelischen Investitionen in Sachsen, steht ein Name ganz oben: Michael Federmann. Der milliardenschwere Geschäftsmann beschäftigt heute in seiner Unternehmensgruppe weltweit mehr als 12 000 Mitarbeiter. Die Übernahme der Freiberger Compound Materials GmbH (FCM) war 1995 die erste israelische Großinvestition im Osten Deutschlands überhaupt. An der Produktion elektronischer Bauelemente aus Galliumarsenid arbeiten in Freiberg heute mehr als 250 Mitarbeiter. Der Kontakt nach Sachsen entstand nicht ganz zufällig: Michael Federmanns Vater hatte einst mehrere Bäckereigeschäfte in Chemnitz und musste unter den Nazis fliehen. Mehr als 50 Jahre später schloss sich der Kreis mit der Rückkehr der Federmanns – jetzt unter anderen Voraussetzungen. Um die guten Kontakte zu pflegen, besuchte Tillich nun in Tel Aviv auch die Zentrale des Elektronikriesen Elbit, einem weiteren Unternehmen der Federmann-Gruppe. „Michael Federmann ist ein riesiger Glücksfall für Sachsen“ sagt Peter Nothnagel, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen. Auch er war in Israel dabei, nicht zuletzt, um seine Fühler nach neuen Investoren und potenziellen Kunden auszustrecken.

Dabei helfen soll ihm Usi Ron, ein umtriebiger israelischer Geschäftsmann, der der Wirtschaftsförderung seit Jahren die nötigen Kontakte vermittelt. „Dieses Land hat ein gewaltiges Potenzial“, sagt Nothnagel. „Ein High-Tech-Land, das stark im Kommen ist.“

Daran glaubt auch Stanislaw Tillich, der Israel schon heute in mancher Hinsicht als Vorbild für Sachsen ansieht. „Mich beeindruckt vor allem die hohe Zahl an Start-ups hier“, sagte er nach einem Besuch der Technischen Universität in Haifa am Sonntag. „Ich würde gern lernen, wie man das hinbekommt.“