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Rumpelkopfs Rettungsmission

Samuel Fink ist Sachsens einziger Kassetten-DJ. Er macht ein vergessenes Medium zum Hit und tanzt auch selbst dazu.

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© Robert Michael

Von Andy Dallmann

Nur einmal hat er versucht, es wie alle zu machen. Ein Test mit Laptop und digitalisierter Musik, ein langer Abend im Dresdner Wettbüro mit verschwitzten wie zufriedenen Tänzern. Doch Samuel Fink selbst, der Mann hinterm DJ-Tresen, war irgendwie nicht glücklich. „Es war meine Musik, aber es lief alles zu glatt, zu gewöhnlich.“ CDs statt Festplatte? Uncool und unhandlich. Vinyl? Cool, aber noch unhandlicher, außerdem zu empfindlich und in der für eine Party nötigen Menge zu schwer für ein Leichtgewicht wie ihn. Fink hatte trotzdem große Lust, weiterhin Menschen mit seinem bevorzugten Mix aus Balkanrock und Ska auf Trab zu bringen. Also klapperte er Anfang 2012 zunächst ein paar DJ-Läden ab. „Als ich dort nach Kassettendecks fragte, sahen mich alle nur völlig ratlos an“, erzählt er. „Die hatten das Medium längst abgeschrieben.“ Er hingegen kam dank dieser Ignoranz erst recht auf den Geschmack.

In einem Secondhand-Laden erstand er wenig später für schlappe 50 Euro sein erstes Doppel-Deck, konnte es aber nicht einmal testen. Es gab weder Kassetten dazu noch passende Kabel, um das Gerät an einen Verstärker anzuschließen. „Zum Glück hatte ich zu Hause aber die Pippi-Langstrumpf-Kassetten meiner Tochter, die liefen schon mal super.“

Barfuß im Publikum

Das diskrete Rauschen, das jedes Tonband beim Hören unweigerlich mitliefert und das für die Mehrheit ein unerträglicher Mangel ist, zauberte Samuel Fink ein Strahlen ins Gesicht. Er hatte exakt das gefunden, was seiner Musik den angemessenen Rahmen verpasste. Zumal Kassetten leicht zu transportieren, preiswert und robust sind. Allerdings hakt es mit dem Nachschub. Gerade noch rechtzeitig schlug Fink im Elektromarkt zu, kaufte gleich 50 Bänder à 60 Minuten und hatte eine solide Basis. „Inzwischen gibt es höchstens noch 90-Minuten-Kassetten, mit denen man aber schlecht arbeiten kann“, sagt der 29-jährige Dresdner, der sich als Kassetten-DJ Rumpelkopf nennt, weil das so schön rustikal klingen würde.

Natürlich ist auch der alte Koffer, mit dem er seine Ausrüstung zu den Partys schleppt, ziemlich rumpelig. Fink selbst zieht bei seinen Auftritten optisch nach: Mit Halstuch, Feinripp-Unterhemd und Schiebermütze hält er größtmöglichen Abstand zu aktuellen Moden. Wenn er sich als Tänzer unters Publikum mischt, macht er das bevorzugt barfuß.

Der Luxus, selbst Nutznießer des eigenen Tuns zu werden, unterscheidet ihn von den meisten anderen DJs. „Wenn die Kassette läuft, habe ich Freizeit.“ Doch oft genug steigt ein Deck aus, verheddert sich das Band. „Die Tücken machen diese Technik erst richtig liebenswert“, erklärt Fink, der sich daran gewöhnt hat, dass sein Publikum ständig fotografiert. Nicht ihn, sondern eher seine Decks und vor allem die Kassetten, diese Relikte einer fernen Ära des Musikkonsums. „Viele können es gar nicht fassen, dass man mit diesen Dingern eine Party bespielt.“ Was, gibt er zu, auch nicht die leichteste Übung ist. Denn allein die Vorbereitungszeit dürfte vielen schon den Spaß verleiden. „Um die sieben Stunden Musik für die nächste Sause im ,Bautzner Tor’ zusammenzubekommen, habe ich eine Woche lang gesucht, sortiert und überspielt.“ Finks Quellen sind CDs und das Internet, ständig sucht er alles ab nach neuen und möglichst zackigen Nummern. Schließlich will er großen Abstand zu dem halten, was sonst auf Balkan-Diskos läuft.

So viel Einsatz kommt an, in Dresden ebenso wie in Jena, Leipzig oder Hamburg. Dabei hatte der Kassettenretter mit Wohnsitz in Pieschen zunächst Schwierigkeiten, seinen ersten Auftritt zu organisieren. „Ich habe Dutzende Läden in Dresden angemailt, aber nur von der ,Zille’ kam eine Antwort und eine Einladung.“ Am 29. August 2012 war dort Premiere; mit klapprigem Deck und klopfendem Herzen machte sich Fink zusätzlich Stress. „Ich wollte damals noch jedes Lied einzeln spielen und musste ständig vor- und zurückspulen. Davon habe ich mich längst verabschiedet.“ Seinem Tagwerk als Krankenpfleger in der Kinder- und Jugendpsychiatrie will er hingegen treu bleiben. Der sei eine Art Berufung und lieferte trotzdem einst die Steilvorlage für den ausgefallenen Nebenjob. Fink: „Ich brauchte einen Ausgleich, irgendwas mit Musik und purem Spaß. Als Kassetten-DJ habe ich die perfekte Kombination gefunden.“ Die will er nicht mal für sich allein beanspruchen, im Gegenteil. Samuel Fink hofft regelrecht, Nachahmer zu finden. „Denn alleine kann ich die Kassette doch nicht retten.“

Die nächste Kassettendisko: 10.5., 22 Uhr, Bautzner Tor, Dresden; Eintritt: 1 Euro