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Ruhige Zeiten für Görlitzer Altstadtwirte

Bis Ende Oktober boomte das Gastronomie-Geschäft in Görlitz. Jetzt wird es ruhiger – aber nicht schlecht.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Frank Seibel

Bunte Aschenbecher setzen die letzten Farbtupfer. Noch wenige Tage stehen sie auf den Tischen vor dem Ratscafé und erinnern an den goldenen Herbst. Am vorigen Wochenende waren die Tische vor dem Café auf dem Untermarkt noch voll besetzt. Ein sonniger Ausklang des Oktobers mit einem angehängten Feiertag – da konnte der Untermarkt noch einmal Toskana spielen, mit schmucken Renaissance-Fassaden unter blauem Himmel. Da fielen die bunten Aschenbecher zwischen all den Torten, farbigen Jacken und Sonnenbrillen gar nicht auf.

Jetzt sind sie allein, und Christoph Zschornack gibt ihnen nur noch ein paar Tage. Vielleicht kommt am Wochenende die Sonne noch mal raus, und der eine oder andere Gast mag sich bei Kaffee und Zigarette vors Café setzen. Dann aber werden die meisten Stühle und Tische ins Winterquartier gestellt und nur ein oder zwei Plätze samt Aschenbecher bleiben für die unentwegten Frischluftraucher stehen.

November ist’s, und er hat seine typische Mischung aus Grau, Kälte und Feuchtigkeit ausgepackt. Binnen Tagen hat sich das Bild des Untermarktes gewandelt. Wer’s romantisch haben will, wartet nun, bis es Abend ist, und genießt den Blick durch die Fenster in gemütliche Cafés und Restaurants, in denen Kerzen leuchten.

Für die Wirte wie Christoph Zschornack, der seit 2013 das Ratscafé betreibt, beginnt eine Zeit der unruhigen Stille. Nun gilt es, Kräfte zu schonen, ohne aus dem Tritt zu kommen. Statt um 9 Uhr macht das Ratscafé nun um 11 Uhr auf, an Wochenenden um zehn. „Wenn ich zwei Mitarbeiter und zwei Gäste habe, dann lohnt es sich einfach nicht“, sagt Zschornack. Wie lange geöffnet ist, entscheidet sich täglich neu.

Die Erwartungen an den November sind aber durchaus unterschiedlich bei den Wirten der Altstadt. Johannes Witoschek von der „Altstadt-Krone“ in der Brüderstraße hat die Öffnungszeiten ebenfalls schon eingeschränkt. Nach dem letzten Oktoberwochenende habe die Zahl der Touristen, die durch die Brüderstraße flanieren, schlagartig abgenommen.

Aber immerhin: Es gibt sie. Und das, da sind sich die meisten einig, war vor zehn Jahren noch ganz anders. Noch vor einigen Jahren endete die Saison nach den Herbstferien – und kam erst Ende März wieder in Gang. Nun sind auch in den ersten Novembertagen noch Touristengruppen unterwegs. Das Leben wird langsamer in der Altstadt, aber es geht weiter. Und vor allem: Der Christkindelmarkt im Dezember ist für die Gastwirte ein Anker im Winterhalbjahr. Das bestätigen auch die Zahlen der Europastadt GmbH (EGZ), die fürs Tourismusmarketing zuständig ist. „Der Dezember ist wieder sehr gut“, heißt es da.

Und auch das ganze bisherige Jahr war eine Erfolgsgeschichte. Bis August gab es einen deutlichen Anstieg der Gästezahlen gegenüber dem Vorjahr, dann wurde dieser Trend im September und Oktober etwas schwächer, teilt die EGZ mit.

Wie es im November weitergeht, können auch die Tourismus-Experten der EGZ noch nicht absehen. Die großen Reisegruppen werden deutlich weniger, aber Individualisten seien weiterhin zu erwarten – die kommen aber spontan und machen das auch vom Wetter abhängig, heißt es bei der EGZ.

Robert Meinecke hat sich mit seinem Bistro „N 13“ nicht nur mit kürzeren Öffnungszeiten (in der Woche erst abends ab 18 Uhr) auf die ruhigere Saison eingestellt, sondern auch mit speziellen Themenabenden, zum Beispiel mit Cocktails.

Im Café am Flüsterbogen will man von „tote Hose“ nichts wissen. Weil Görlitz immer wieder im Fernsehen zu sehen ist, kommen auch in den ersten Novembertagen immer wieder Gäste von außerhalb, erzählt eine Mitarbeiterin. Und Steffen Nixdorf unterstreicht das. Der junge Mann ist Kellner im „Lucie Schulte“ und im „Bürgerstübl“, und da fühlt es sich keineswegs nach „toter Hose“ an, sagt er. Dass weniger Touristen in Görlitz sind als im Sommerhalbjahr, hat für ihn auch etwas Positives: „Die Görlitzer finden endlich wieder einen Platz“, sagt er augenzwinkernd.

Einen Nachteil haben die Görlitzer Wirte allerdings gegenüber den Mitbewerbern auf der polnischen Seite. Weil Zelte und sogar Markisen vor ihren denkmalgeschützten Häusern verboten sind, können sie die Freiluft-Saison tatsächlich nicht verlängern. Da würden auch Heizpilze nicht helfen. Aber sowohl Christoph Zschornack als auch Robert Meinecke haben diesbezüglich noch keinen Weg gefunden, den Denkmalschutz umzustimmen.

So machen sie weiter mit reduzierter Kraft, holen noch mal Schwung im Dezember und müssen von Januar bis März vermutlich wieder ziemlich tapfer sein.