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Rückkehr in die Grube

Zwei ehemalige Bergleute erzählen in einem Buch die Geschichte der Grube Kohlfurt. Von hier wurde ganz Görlitz bis zum Krieg mit Energie versorgt.

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© Nikolai Schmidt

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Irgendwann musste einfach Schluss sein. 169 Seiten hat das neue Buch von Joachim Neumann und Wolfgang Stiller. Bestimmt doppelt so viel hätten die beiden früheren Bergleute noch zusammentragen können über die Grube Stadt Görlitz bei Kohlfurt. So heißt auch das Buch, das die beiden Senioren nun nach sechsjähriger Arbeit herausgebracht haben – als Verein Oberlausitzer Bergleute zusammen mit dem Museumsverbund Oberlausitz.

„Eigentlich sollte es nur eine Broschüre werden“, sagt Joachim Neumann. Als deutsch-polnisches Projekt angelegt – schließlich liegt die Grube heute auf polnischem Gebiet. Vom Görlitzer Norden, etwa von der Fichtenhöhe aus, sieht man von ihr heute noch zwei Schornsteine. Das Grubengebiet ist heute Naturschutzgebiet, in die Gegend der ehemaligen Schächte darf keiner rein. Während ihrer Recherche hatten Stiller und Neumann aber doch die Möglichkeit, einmal vor Ort zu fahren.

Ansonsten waren viele Stunden in Archiven nötig. Unterlagen gibt es noch genug. „Durch das gemeinsame Projekt war unsere Recherche in den Archiven der Region finanziert“, so Neumann. Die so viel Wissenswertes und Spannendes brachte, dass dann doch ein Buch daraus wurde. Es dokumentiert die Energieversorgung der Stadt Görlitz mit Beginn der Errichtung des Dampfkraftwerkes, das sich seit 1896 auf der Ostseite der Neiße auf der Prager Straße befand. Mit der „Grube Stadt Görlitz“ bei Kohlfurt und dem Bau der Brikettfabrik, eines Kraftwerkes und der Errichtung eines Tagebaus wurden die Grundlagen für die Elektroenergieversorgung auch des Kreises Görlitz und Rothenburg gelegt. Von den ersten Probebohrungen 1872, den ersten Schächten ab 1903, des Tagebaus ab 1906 sowie den Bau der Brikettfabrik und des Kraftwerkes sind alle Etappen im Buch dokumentiert. Auch die Fusionierung der Grube, des Elektrizitätswerkes und des Gaswerkes 1923 als „Städtisches Betriebswerk“, die als die Geburtsstunde der Stadtwerke Görlitz (SWG) gilt. Nach 1945 standen das Kraftwerk und das Umspannwerk Leopoldshain auf polnischem Gebiet.

Viele Zeitzeugen haben Wolfgang Stiller und Joachim Neumann in den Jahren der Recherche getroffen. Mit einigen sind sie an deren alte Arbeitsstätte gefahren – zum ersten Mal. Auch Zeitzeugen, die zu dem schweren Grubenunglück von 1970 noch etwas erzählen konnten, haben sie kennengelernt, darunter sogar Angehörige der damals ums Leben gekommenen fünf Bergleute. „Eine Witwe durften wir besuchen, sind mit ihr am Grab ihres Mannes gewesen“, erzählt Joachim Neumann. Es sind nicht die einzigen Toten der Grube, wie in dem Buch zu lesen ist. Stiller und Neumann loben die Unterstützung der polnischen Seite. Die Recherchen zu dem Buch hätte dort viel ausgelöst. „Die haben inzwischen sogar einen Bergbauverein.“

Es gebe noch einiges, an das man anknüpfen könnte, sagt Neumann. So suchen sie noch Bilder von Bergmännern in Uniformen aus dieser Grube. Weitere Zeitzeugen gibt es noch, da sind sich Stiller und Neumann sicher. „Das Buch ist aber ausreichend für die Nachwelt.“ Schließlich hat es auch genug Kraft gekostet. Wolfgang Stiller hat überschlagen, dass allein seine Arbeit an dem Buch etwa 700 bis 800 Stunden umfasst. Trotzdem denken die Herren noch einen Schritt weiter. „Es geht uns ja darum, die Erinnerung an den Bergbau aufrecht zu erhalten, er war schließlich der Reichtum der Stadt.“ Deshalb überlege der Verein Oberlausitzer Bergleute, ab kommendem Jahr „Berzdorfer Hefte“ herauszugeben, die über weitere Gruben der Region erzählen.

Buchvorstellung am 20. Oktober, 18 Uhr und am 2. November, 15 Uhr jeweils im Schlesischen Museum.

Das Buch ist im SZ-Treffpunkt (City-Center Görlitz) für 14,80 Euro erhältlich.