Merken

Rübenwinter und Post aus dem Krieg

Schiller-Gymnasiasten reisen 100 Jahre zurück in das Bautzen zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Nun stellen sie ihre Ergebnisse öffentlich vor.

Teilen
Folgen
© Museum Bautzen

Von Miriam Schönbach

Bautzen. Der Stadtkurs des Bautzener Schiller-Gymnasiums hat es wieder getan. Unter der Leitung ihrer Lehrerin Ulrike Wiezorek begaben sich 14 Elft- und Zwölftklässler auf Spurensuche vor ihrer Haustür. Im Mittelpunkt ihrer Forschungen stand in diesem Jahr das Ende des Ersten Weltkriegs in Bautzen vor 100 Jahren. „ Mit der Präsentation ihrer Ergebnisse eröffnen die Jugendlichen am Dienstag die diesjährige Vortragsreihe des Archivverbundes Stadtarchiv/Staatsfilialarchiv Bautzen.

Ausgangspunkt ihrer Recherchen war die Gedenktafel von gefallenen Bautzenern am Eingang des Schiller-Gymnasiums. Darauf befindet sich in Stein gemeißelt auch der Name von August Schieback. „Er ist der Onkel einer ehemaligen Geschichtslehrerin. Sie stellte uns seinen Nachlass zur Verfügung und motivierte uns, das Schicksal der Schüler, Kriegswitwen, Gefangenen und Fremdarbeiter zu erforschen“, sagt Ulrike Wiezorek. Ein Jahr begaben sich die Jugendlichen in die Zeit zwischen 1914 und 1918. Nicht nur das Lesen der Feldpostbriefe aus dem Schützengraben beeindruckte die Schüler. Der sogenannte Kohlrübenwinter – er bezeichnet die Hungersnot im Winter 1916/17 während des Ersten Weltkriegs ausgelöst durch Missernten und die britische Seeblockade in der Nordsee – aber auch Mobilmachung, Propaganda, Pressezensur und Kriegswirtschaft rückten durch Original-Dokumente aus dem Stadtarchiv fast in greifbare Nähe. „Die Jugendlichen hatten zum ersten Mal eine Lebensmittelkarte in der Hand. Geschichte ist eben kein luftleerer Raum, sondern mit Menschen und Orten verbunden“, sagt die Lehrerin.

Kurrentschrift muss beherrscht werden

Eine besondere Herausforderung für die jungen Historiker war, die Handschriften zu entziffern. Die wichtigste Voraussetzung für die Recherche in Archiven ist das Beherrschen der deutschen Kurrentschrift. „Die Schüler haben in diese archivalischen Quellen sehr viel Zeit und Mühe investiert“, sagt Ulrike Wiezorek. So hat zum Beispiel Louisa Ertel die Feldpostbriefe von Max Alfred Neubauer ausgewertet. Der 1885 geborene Lehrer zog 1914 begeistert in den Krieg. Bis zu dessen Ende blieb er beim Militär. Von seinem Leben als Soldat und den Fronterlebnissen berichtet er seiner Familie in zahlreichen Briefen. „Von brausender Kriegsbegeisterung zur tiefen Depression“ heißt der Vortrag der Schüler, mit dem am 13. November die Vortragsreihe im Jahr 2018 zu Ende geht.

Zwischen Auftakt und Schluss liegen sechs weitere Vorträge und Lesungen sowie im November die Herbsttagung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Archivverbund Bautzen zum Friedensschluss 1018 zwischen dem Heiligen Römischen Reich und dem Herzogtum Polen auf der Bautzener Ortenburg. Die Konferenz nimmt die Ereignisse vor 1 000 Jahren in den Blick wie auch nachfolgende Zäsuren, die für die Oberlausitz entscheidend waren. Am 3. März lädt das Haus in der Schlossstraße zudem zum bundesweiten Tag der Archive unter dem Motto „Demokratie und Bürgerrechte“ ein.

Präsentation des Stadtkurses am 9. Januar um 19 Uhr im Veranstaltungsraum von Archiv und Bibliothek, Schloßstraße 12 in Bautzen. Der Eintritt ist frei.