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Roter Bahnhofsvorsteher auf Reisen

25 Jahre nach seiner Demontage in Dresden kommt der sächsische Granit-Lenin im bayerischen Exil unter den Hammer: Doch weder bietet Dresden mit, noch dem 80-Tonnen-Koloss ein neues Domizil.

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© dpa

Gundelfingen/ Dresden. Lenin, Stalin und Co. hatten vor einem Vierteljahrhundert in vielen Städten des einstigen Ostblocks ausgedient. Einige der monumentalen Denkmäler von kommunistischen Idolen fanden damals in Bayerisch-Schwaben eine neue Heimat, auf dem Gelände eines Steinmetz-Betriebes in Gundelfingen.

Der dortige Unternehmer hatte ein Faible für die Granitköpfe aus der untergegangen sozialistischen Welt. Nun ist auch diese Epoche beendet. Die letzten verbliebenen Großstatuen sollen an diesem Samstag (17. Juni) bei einer weltweiten Internetauktion versteigert werden.

In Sachsen sorgt die bevorstehende Auktion seit Tagen für Gesprächsstoff. Denn das Aushängeschild der Versteigerung ist der frühere „rote Bahnhofsvorsteher“ vom Wiener Platz, einstmals Leninplatz, in Dresden. Die mehr als zwölf Meter hohe Figur, die den kommunistischen Vordenker Wladimir Iljitsch Lenin und zwei unbekannte Mitstreiter zeigt, wurde 1992 aus Dresden verbannt. Nun wird diskutiert, ob die Stadt das kommunistische Denkmal zurückholen soll. Ein Stadtrat der Linken hat dies vorgeschlagen.

In Dresden gibt es Befürworter dafür, dass die Stadt die Skulptur als Museumsstück zurückholt. Gegner halten es dagegen für absurd, für den Riesen-Lenin Geld auszugeben. So oder so hat die Verwaltung bereits angekündigt, sich nicht an der Versteigerung zu beteiligen. Im laufenden Haushalt gebe es nicht die nötigen finanziellen Mittel für einen Ankauf, sagt Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke).

Selbst wenn das riesige Denkmal der Stadt geschenkt werden sollte, würde die Kommune nicht sofort zuschlagen. Zunächst müssten mögliche Folgekosten geklärt werden, betont Klepsch. Erst wenn dies geklärt sei, könne über Aufstellungsort und -art nachgedacht werden.

Doch vermutlich wird es soweit nicht kommen. Denn der Potsdamer Auktionator Frank Ehlert will für den 80-Tonnen-Koloss mindestens 150 000 Euro erlösen. Er rechnet mit Interessenten aus der ganzen Welt. „Wir haben Anmeldungen unter anderem aus Russland und China“, sagt er. Ehlert und der Denkmalbesitzer Josef Kurz haben die Diskussion in Dresden nur aus der Ferne verfolgt. Eine offizielle Anfrage habe es aus der sächsischen Landeshauptstadt nicht gegeben, sagen beide.

Der Vater des heutigen Besitzers, der ebenfalls Josef Kurz hieß, hatte Anfang der 1990er Jahre reihenweise solche Denkmäler gesammelt. „Es war sein Hobby“, erzählt der Sohn. Der Natursteinfabrikant aus dem kapitalistischen Westen plante nach dem Mauerfall eine Open-Air-Ausstellung mit den kommunistischen Kunstwerken. „Er wollte einen Skulpturenpark eröffnen, das hast sich dann zerschlagen“, erklärt der Sohn.

In der Donaustadt Gundelfingen kam es nicht zu dem Projekt, und auch im oberpfälzischen Wackersdorf wurde es nicht umgesetzt. Das damalige Staatsunternehmen Bayernwerk, heute Teil des Energiekonzerns Eon, hatte sich überlegt, die Steinköpfe in einem geplanten Freizeitpark im Bereich der gescheiterten atomaren Wiederaufarbeitungsanlage aufzustellen. 1994 starb Kurz senior, und die Ausstellungsidee wurde zu den Akten gelegt. Einige Stücke aus der schwäbischen Sammlung zogen später ins Haus der Geschichte in Bonn um.

Die nun zu verkaufende Lenin-Skulptur wurde einst von dem russischen Bildhauer Grigori Danilowitsch Jastrebenezki geschaffen und zum 25. Jahrestag der DDR-Gründung 1974 in Dresden aufgestellt.

Neben diesem Denkmal kommen noch fünf weitere Stein- und Bronze-Plastiken aus der Kurz-Sammlung unter den Hammer. Darunter ist auch ein 3,70 Meter großer Josef Stalin - diese Sandstein-Statue des Diktators ist mit einem Startpreis von 58 000 Euro das zweitteuerste Objekt. Das 65 Jahre alte Denkmal stand einst in Zabreh im heutigen Tschechien. (dpa)