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Rollendes Leichtgewicht

Aus einem neuartigen Material aus Dresden haben zwei Studenten der HTW ein Laufrad entwickelt. Das soll bald Kinder und Eltern begeistern.

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© René Meinig

Von Jana Mundus

Der kleine Junge auf dem Laufrad wird langsamer. Dann stoppt er plötzlich und schaut seine Eltern mit Unschuldsmiene an. „Ich kann nicht mehr.“ Es sind die Worte, die Mama und Papa gar nicht gern hören. Vor allem nicht beim gemütlichen Spazieren gehen. Denn sie bedeuten eines: tragen. Nicht nur das Kind, sondern auch sein Laufrad. Beides kann schwer werden. Zumindest für Letzteres haben zwei Dresdner Studenten eine Lösung entwickelt. Ein Laufrad mit schlanken 2,6 Kilogramm Gewicht.

Wahrscheinlich kennen sich Niko Alber und Tom Witschel heute auf dem Laufrad-Markt besser aus als manche Eltern. „Dabei haben wir selbst noch gar keinen Nachwuchs“, sagt Alber. Doch für ein Projekt in ihrem Masterstudium Produktgestaltung an der HTW Dresden brauchten sie genau dieses Wissen. Für ihre Kooperationsprojekte suchen sich die Studenten Partner aus der Wirtschaft. Alber und Witschel faszinierte eine Idee besonders: die neuartigen Rohre aus Furnierholz der Dresdner Firma Lignotube. Genau daraus sollte ein Laufrad entstehen.

Der Gedanke mit dem beliebten Kindergefährt war nicht so leicht zu finden. Lange überlegten die beiden Studenten, was sie aus den Röhren machen wollen. „Letztlich war das Laufrad ein Wunsch der beiden Lignotube-Gründer“, erzählt Witschel. Die hatten vor ein paar Jahren schon eine kleine Stückzahl an Fahrrädern aus ihren Furnierholz-Rohren gefertigt. Jetzt sollte es eine Nummer kleiner werden.

Das weltweit einzigartige Verfahren zur Herstellung der Röhren haben die Lignotube-Erfinder Curt Beck und Robert Taranczewski selbst entwickelt. Verwendet wird dafür Furnierholz. Die dünnen Holzlagen kennen die meisten als oberste Schicht ihrer Möbel. Direkt vom Baumstamm werden die dünnen Blätter geschält oder geschnitten. In diesem Zustand sind sie spröde und bruchanfällig. Zu Röhren biegen lassen sie sich so schon gar nicht. Doch Beck und Taranczewski wenden einen Trick an. Mit einem speziellen Kleber wird das Furnier so getränkt, dass es sich schließlich sogar verdrehen und spiralförmig rollen lässt. Lage für Lage entsteht mit dieser Wickeltechnik in einer eigens entworfenen Maschine in zehn Minuten ein sechs Meter langes Holzrohr – die Lignotubes.

Das Material fürs Laufrad stand also fest. „Wir haben uns aber erst einmal damit beschäftigt, wie Kinder überhaupt darauf sitzen, wie sie fahren und wie robust so ein Rad deshalb sein muss“, sagt Witschel. Auch mit Bekannten, die Kinder haben, kamen sie ins Gespräch. Ließen sich erklären, welche Probleme sie bei der Nutzung sehen. Schnell kam heraus: Das Gewicht ist für viele ein wichtiges Argument. „Und gerade die Frage, wie so ein Laufrad eben auch einmal getragen werden kann.“

Exemplare aus Holz gibt es auf dem Markt bereits. Nur sind die in den meisten Fällen kein echter Hingucker. Viele Modelle wiegen an die fünf Kilo, manche sogar noch mehr. Da kam der Designer in den Studenten durch. „Wir wollten ein Laufrad entwerfen, das funktional, robust und gleichzeitig eben auch besonders in seiner Optik ist.“ Also probierten sie aus, wie die Röhren zum Laufrad werden können. Das besteht nun aus insgesamt vier Lignotubes, die den Rahmen samt Lenkstange bilden. Und auch der Sattel ist eine Röhre – allerdings eine aufgeschnittene. Mit einem versteckten Hebel im Rahmen lässt sich der Sitz einfach nach oben oder unten bewegen. Eine mit Laser geschnittene Aussparung vorn ermöglicht ein einfaches Anheben und Tragen.

Mit Röhren aus robuster Pappe haben die Studenten einen ersten Prototypen gebaut. „So konnten wir erkennen, ob unsere Ideen auch funktionieren würden“, sagt Witschel. Doch schon dieses erste Grundgerüst eines Laufrads überzeugte die Firma Lignotube. „Wir finden das Design sehr ansprechend“, sagt Robert Taranczewski. Am Computer entstanden zudem visualisierte Designskizzen, wie das Laufrad aus Röhren aussehen könnte. Durch die verschiedenen Farben und Maserungen der Röhren sind viele Varianten möglich. Mit dunklem oder hellem Holz, blau oder in Streifenoptik. Schicke Griffe und ein Sattelpolster in Lederoptik runden das Design ab.

Prototyp und Computer-Visualisierungen sollen nun potenzielle Hersteller für das Laufrad begeistern. Die Firma Lignotube will sich in den nächsten Monaten darum kümmern, dass ein Produzent für das Leichtgewicht gefunden wird. „Ich denke, gerade das Gewicht ist für Hersteller ein interessanter Punkt, um zu investieren“, schätzt Taranczewski ein. Selbst produzieren kann das Dresdner Unternehmen die Laufräder nicht. Dazu reichen die zeitlichen Kapazitäten nicht aus. Denn die Röhren aus Dresden sind begehrt.

Niko Alber und Tom Witschel hoffen, dass der Plan funktioniert und das Laufrad schon bald produziert wird. Dann hätten Eltern bald deutlich weniger zu schleppen, wenn der Nachwuchs beim gemeinsamen Spaziergang schlappmacht.