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Rollendes Jubiläum

100 Jahre Schienenfahrzeugbau in Niesky wird gefeiert - und auf neue Herausforderungen eingestimmt.

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© André Schulze

Von Carla Mattern

Um 15 Uhr war am Freitag Feierabend für die Waggonbauer. Denn der Tag gestern war ein besonderer, ein Meilenstein in der Firmengeschichte. Damit möglichst viele Mitarbeiter das Jubiläum 100 Jahre Schienenfahrzeug mitfeiern können, war zwar die Frühschicht verstärkt worden, die Spät- und die Nachtschicht aber fanden sozusagen im Festzelt statt. Freibier und Getränke für alle, natürlich auch Essen: Die Waggonbau-Geschäftsführung ließ sich nicht lumpen. Dafür gab es sogar vom Görlitzer Bundestagsabgeordneten Michael Kretschmer (CDU) Lob. Er finde es schön, dass nicht nur VIPs, sondern auch die eigenen Leute eingeladen sind und rief auf „Feiern sie ordentlich!“

Wiedersehen auf dem Fest: Günter Aey (links) und Michael Clausecker (rechts) arbeiteten in den 1990er Jahren in der Geschäftsführung. Von Thomas Steiner und Peter Schulze werden sie begrüßt.
Wiedersehen auf dem Fest: Günter Aey (links) und Michael Clausecker (rechts) arbeiteten in den 1990er Jahren in der Geschäftsführung. Von Thomas Steiner und Peter Schulze werden sie begrüßt. © André Schulze
Eine DVD mit dem neuen Imagefilm und eine Broschüre zum Jubiläum erhalten alle Waggonbauer als Erinnerungsgeschenk..
Eine DVD mit dem neuen Imagefilm und eine Broschüre zum Jubiläum erhalten alle Waggonbauer als Erinnerungsgeschenk.. © André Schulze

Doch bevor die Nieskyer Blasmusikanten mit dem Ständchen zum Jubiläum begannen, ging es natürlich erst einmal ums Geschäft. Und in ihrem sind die Nieskyer Waggonbauer deutschlandweit Spitze, wie Geschäftsführer Thomas Steiner bestätigte. Die neu entwickelten innovativen Modulwagen bleiben nicht nur auf Papier und digital gut anzusehen, sie werden demnächst auch in den Fertigungshallen Einzug halten. 50 Stück dieser universell ganz nach Kundenwünschen wandelbaren Waggons sind bestellt, informierte Thomas Steiner. Auch der Auftrag über 400 Stück Salzwagen mit dem Nieskyer Drehgestell wird die Waggonbauer im kommenden Jahr gut beschäftigen. Für die Autotransportwagen werde ein neues Konzept entwickelt, dass sie universeller macht. Das werde noch in diesem Jahr vorgestellt, so der Geschäftsführer. „Damit werden wir die Zukunft für Niesky ebnen“, sagt er.

Im Werk selbst soll allerdings auch einiges entwickelt werden. So sei geplant, die Kapazität fürs Strahlen und Lackieren um 50 Prozent zu erweitern. Um auch mehr Raum für die Montage zu haben, sollen zu den vorhandenen 2 000 Quadratmetern Fläche noch einmal so viel dazukommen, kündigt Thomas Steiner an. Zahlen nannte er nicht, wie hoch diese Investitionen sein werden. Dafür las er eine Grußbotschaft vor, die ihn sichtlich bewegte. Michel Boudoussier hatte sie punktlich zum Meilensteinfeiertag nach Niesky geschickt. Der Generaldirektor der Firma Eurotunnel schrieb, man sei stolz mit dem Waggonbau in Niesky Projekte zu realisieren, dass man sich freue, von der 100-jährigen Erfahrung der Nieskyer Schienenfahrzeugbauer zu profitieren und auf die weitere Zusammenarbeit. Sollte diese Zusammenarbeit ausgereizt werden, könnte sie den bisher größten Auftrag in der Firmengeschichte noch toppen. Denn in der Montagehalle stehen die letzten von insgesamt 315 Wagen für den Einsatz im Eurotunnel zwischen Frankreich und England. Dafür hatten die Waggonbauer den üblichen Fertigungsmodus zeitweise vom Dreischichtsystem getauscht in die rollende Woche. Das heißt, das rund um die Uhr, auch an den Wochenenden gearbeitet wurde.

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das wieder auf die Arbeiter zukommt. Denn der Eurotunnel-Manager schreibt nicht nur nette und anerkennende Worte. Zwischen den Nieskyern und ihrem französischen Kunden Eurotunnel laufen auch Gespräche, dass in Niesky weitere Züge produziert werden, sagt Vertriebsleiter Peter Wolfram. Geschäftsführer Thomas Steiner ergänzt, dass bereits eine mündliche Zusage für weitere sechs Züge vorliege. Bis Ende Oktober soll der Vertrag mit dem Eurotunnel-Kunden ausverhandelt sein. Sechs weitere Züge sind doppelt so viele wie bisher in Niesky gefertigt wurden. Insgesamt 21 neue Züge will Eurotunnel in der nächsten Zeit bestellen.

Ob die alle aus Niesky kommen? Auf jeden Fall hat die Belegschaft viel zu tun. 310 Männer und Frauen stark sei mittlerweile die Stammbelegschaft, sagt Thomas Steiner der SZ. Weitere 90 Leiharbeiter unterstützen sie. Als der jetzige Waggonbau Niesky-Besitzer, die Quantum-Gruppe, das Unternehmen 2014 der Deutschen Bahn abkaufte, hatte es 252 Mitarbeiter. Thomas Steiner nennt die Waggonbauer bodenständig, treu, verbunden und leidenschaftlich. Egal wie die Zeiten waren, die Belegschaft habe immer um den Erhalt des Werkes gekämpft, und darauf sei er stolz, sagt Betriebsratsvorsitzender Thomas Jurke.