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Rockiger Schlagerwettstreit im Kulti

Im Oktober 1971 findet in Dresden zum ersten Mal das Internationale Schlagerfestival statt. Bei den Stars ist der Wettbewerb beliebt.

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© SZ Archiv

Von Jana Mundus

Der schöne Frank bringt den Sieg nach Hause. Das Publikum im Kulturpalast ist verzückt. „Es war wie beim Eiskunstlaufen. Die Wellen der Schlagerbegeisterung schlugen erst im Schausingen hoch“, schreibt ein Journalist der Sächsischen Zeitung damals. „Kunststück, wenn die Kürsolisten Chris Doerk und Frank Schöbel heißen.“ Mitte Oktober 1971 findet in Dresden zum ersten Mal das Internationale Schlagerfestival statt. Drei Tage lang treten Sänger und Sängerinnen aus neun sozialistischen Ländern gegeneinander an. Bevor jedoch Frank Schöbel am zweiten Festivaltag beim „Internationalen Tag“ mit seinem Lied „Gold in deinen Augen“ den Sieg holt und Chris Doerk auf Platz drei landet, müssen die ausländischen Gäste so einiges über sich ergehen lassen.

Neue Impulse für die Unterhaltungskunst der DDR erhoffen sich die Veranstalter durch das Festival. Und wünschen sich für den ersten Wettbewerbstag gleich einen „Tag der DDR“. Für die 15 angereisten ausländischen Interpreten heißt das: Bitte auf Deutsch einen DDR-Schlager singen. Wohl etwas viel verlangt. „Sie wirkten verkrampft, konzentrierten sich in erster Linie auf den deutschen Text; die Interpretation geriet bei vielen ins Hintertreffen“, ist in der Zeitung zu lesen. Eine aber begeistert alle. Halina Kunicka aus Polen gewinnt mit „Fang meine Träume ein“. Ein Lichtblick, wie Ohrenzeugen berichten.

Die anfänglichen Probleme tun dem Erfolg der Veranstaltung keinen Abbruch. Bis 1988 findet das Internationale Schlagerfestival Dresden jedes Jahr im Herbst statt. Außer 1973 – zugunsten der Weltjugendfestspiele in Ost-Berlin lassen es die Verantwortlichen ausfallen. Anfangs sind ausschließlich Musiker aus der DDR und befreundeten sozialistischen Ländern dabei. Sie singen um Gold, Silber und Bronze im Nationalen und Internationalen Titelwettbewerb, die 1982 allerdings zusammengefasst werden. Es bleibt aber ein wahrer Preisregen. Ab 1977 kommt der „Grand Prix“ hinzu. Außerdem gibt es Preise für das beste Arrangement, einen Publikumspreis sowie den Preis der Pressejury.

Mitte der 1980er-Jahre öffnet sich das Teilnehmerfeld auch für fernere Länder. Mit dabei sind Musiker aus Laos, Äthiopien, Argentinien, Mexiko und sogar von den Philippinen. Auch seinem Bildungsauftrag folgt das Festival ab 1984. Neben dem Musikwettbewerb werden Seminare zur Theorie der Popmusik angeboten.

Für das Dresdner Publikum ist die Veranstaltung die Chance, die heimischen Schlager-, Pop- und Rockstars mal hautnah zu erleben: Hans-Jürgen Beyer, 4 PS, Uschi Brüning, Kreis, Jürgen Walter oder Gaby Rückert. Die Festivalkarten sind allerdings begehrt. Wer eine haben will, muss schnell sein – oder die richtigen Leute kennen. In der Innenstadt herrscht während der Festivaltage Trubel. Auf der Prager Straße geben die Teilnehmer Autogramme. Vor dem HO-Geschäft „Rhythmus“ dreht das DDR-Fernsehen 1975 beim Diskotreff einen Beitrag mit dem jugoslawischen Schlagersänger Miro Ungar. Der scheint begeistert zu sein. „Diese Festivaldiskothek ist eine großartige Einrichtung, bringt sie doch Festivalatmosphäre in diese wunderbare Straße“, sagt er anwesenden Pressevertretern. Den internationalen Wettbewerb in diesem Jahr gewinnen trotzdem andere: Veronika Fischer und Band mit dem Lied „Dass ich eine Schneeflocke wär‘“.

Dass ein Sieg beim Dresdner Schlagerfestival durchaus ein Sprungbrett ist, beweist 1978 die Band Karat. Mit den Titeln „König der Welt“ und „Über sieben Brücken mußt du gehn“ gewinnen sie den Grand Prix. Danach gelingt den Musikern um Herbert Dreilich der endgültige Durchbruch. Dass eine Rockband nun ausgerechnet bei einem Fest des Schlagers erfolgreich ist, kommentiert Dreilich später gelassen: „Wir haben das gerne angenommen, denn wir waren und sind heute noch der Meinung, man sollte nicht in Schubladen denken. Schlager, Pop und Rock, da sind die Grenzen doch fließend. Weshalb sollten wir so ein internationales Podium nicht nutzen? Es konnte doch nur von Vorteil sein!“ Auch für andere gestandene Ost-Rocker ist das offensichtlich kein Problem. Electra gewinnen 1980 den Grand Prix, Stern Meissen 1982 den ersten Preis.

Das Ende für das Festival kommt 1988, ein Jahr, bevor auch die DDR mit dem Mauerfall fast Geschichte ist. Die letzte Auflage überzeugt nur wenige. Mittelmaß auf der Bühne, vergessene Liedtexte. „Das Schlagerfestival sollte neu profiliert werden“, fordert die Presse. Zu spät.