Merken

Rietschen rebelliert

Die Gemeinde hält am abgelehnten Kredit für das neue berufliche Gymnasium fest. Notfalls will sie vor Gericht ziehen.

Teilen
Folgen
© André Schulze

Von Alexander Kempf

Rietschen. Die Pläne für das freie berufliche Gymnasium in Rietschen sind bereits weit gediehen. In der Gemeinderatssitzung am Montagabend ist sogar schon die potenzielle Schulleiterin vorgestellt worden. Jana Fest, bisher noch Lehrerin an der freien Oberschule in Rietschen, soll die Einrichtung leiten. Alle Voraussetzungen dafür bringt sie nach eigener Darstellung mit. Sie wirbt vor den Gemeinderäten um Unterstützung. Das angestrebte berufliche Gymnasium sei ein logischer Schluss und zum Vorteil der Gemeinde.

Viel Überzeugungsarbeit muss Jana Fest gar nicht leisten. Denn die absolute Mehrheit der Gemeinderäte spricht sich für das berufliche Gymnasium aus und will dessen Gründung sogar mit einem Darlehen der Gemeinde unterstützen. Doch die Kommunalaufsicht des Landkreises Görlitz hat einen entsprechenden Vorstoß des Rietschener Gemeinderates in der Vergangenheit für rechtswidrig erklärt. Und das nicht nur, weil die Gemeinderäte dem Darlehen für den Förderverein der Freien Oberschule in nichtöffentlicher Sitzung also geheim zugestimmt haben. Laut Kommunalaufsicht ist der Gemeinde die Vergabe eines solchen Darlehens mit öffentlichem Geld nicht gestattet.

Viele Rietschener Gemeinderäte können das nicht verstehen. Insbesondere Gemeinderat Torsten Lorenscheit hat sich intensiv mit der Kritik der Kommunalaufsicht auseinandergesetzt, Gesetze gelesen und Experten zurate gezogen. So hat er nach eigener Aussage mit drei Anwälten und einem Anlageberater gesprochen. Von allen Seiten sei er bestärkt worden, dass nichts dagegen spreche, das Darlehen an den Schulträgerverein zu vergeben. Dabei handele es sich seiner Meinung nach um eine freiwillige Aufgabe der Gemeinde, für die er einen öffentlichen Bedarf sieht.

Der als Berater zur Sitzung eingeladene Kommunalamtsleiter des Landkreises Görlitz macht Torsten Lorenscheit und den anderen aber keinerlei Hoffnung auf Erfolg. Er erinnert an die Vermögensbetreuungspflicht der Gemeinde. Eine Schule zu unterstützen, für die es formal kein öffentliches Bedürfnis gibt, sei keine freiwillige Aufgabe der Gemeinde. „Es besteht keinerlei Sicherheit, dass Rietschen das Geld auch zurückkriegt“, so Jurist Karl Ilg. Jeder Gemeinderat müsse sich fragen, ob er auch privat die veranschlagten 170000 Euro Kredit aufnehmen würde.

Doch Torsten Lorenscheit und die Mehrheit der Gemeinderäte erachten das Risiko offenbar als überschaubar. So verweist er darauf, dass der Freistaat ja gesetzlich verpflichtet ist, den zunächst nicht gezahlten Zuschuss für das berufliche Gymnasium rückwirkend nach sechs Jahren voll zu überweisen. Vorausgesetzt, das berufliche Gymnasium steht diese Zeit durch. Da Rietschen plant, das Darlehen an den Schulträgerverein sogar mit 3,5 Prozent zu verzinsen, wäre das Geld seiner Meinung nach gut angelegt.

Doch wie realistisch ist es, dass das berufliche Gymnasium durchhält? Laut Jana Fest liegen bereits fünf schriftliche Anmeldungen und zwei Voranfragen vor. „Wir sind schon bei sieben Schülern, ohne dass wir die Werbetrommel gerührt haben“, sagt sie. Da in Görlitz jedes Jahr an einem vergleichbaren beruflichen Gymnasium Bewerber wegen fehlender Plätze abgelehnt werden, rechnet sie mit einer guten Nachfrage in Rietschen. Auch am Gymnasium Niesky gebe es Schüler, die ihr Abitur lieber in drei Jahren als in zwei Jahren absolvieren würden, erzählt sie.

Das berufliche Gymnasium in Rietschen will sich auf den Schwerpunkt Wirtschaft konzentrieren. Das dort abgelegte Abitur würde zu einem Studium an jeder Hochschule und Universität in Deutschland berechtigen. Noch hat die Bildungsagentur aber gar keine Genehmigung dafür erteilt. Das Prüfverfahren läuft gegenwärtig, und dabei spielt auch die Finanzierung der Schule eine wichtige Rolle.

Dass Rietschen dabei nicht so helfen kann, wie es sich viele Gemeinderäte wünschen, führt zu Frust. „Anscheinend gibt es unterschiedliche rechtliche Auffassungen“, fasst Gemeinderat Helmut Perk die Diskussion im Gemeinderat zusammen, „dann muss man es drauf ankommen lassen.“ Das tut die Mehrheit der Gemeinderäte am Ende. Sie votiert für den Kredit an den Schulträgerverein. Was nun passiert, hat Kommunalamtsleiter schon in der Diskussion zuvor angekündigt. „Wenn sie den Beschluss fassen, werden wir ihn beanstanden“, so Karl Ilg. Und rechtlich durch alle Instanzen gehen.