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Riesiger Ansturm bei Blutentnahme

884 Menschen ließen sich am Sonnabend als Knochenmarkspender registrieren. Die Initiatoren sind überwältigt.

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© Regina Berger

Von Constanze Knappe

Neukirch. Die Schlange nimmt kein Ende. An die 50 Leute warten Sonnabendvormittag in der Turnhalle der Oberschule Neukirch darauf, ein paar Milliliter Blut abgezapft zu bekommen. Ungeduldig wird wegen des Anstehens aber niemand. Sie alle sind gekommen, um sich bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) registrieren zu lassen. Sie folgen einem Aufruf von Familie und Freunden des Neukirchers Thomas Lerche. Den schwer an Blutkrebs Erkrankten kann nur eine Stammzellspende retten. Lange vor Beginn der Aktion haben sich schon die ersten Leute eingefunden. Wer einmal an einem der fünf Tische sitzt, bei dem geht es zügig.

Bilder von der Typisierungsaktion in Neukirch

Sabine Stiebitz aus Putzkau (l.) ist eine der Helferinnen und Helfer bei der von Sophie Lerche initiierten Aktion. Daniel Schlenkrich aus Bautzen ist einer der Spender.
Sabine Stiebitz aus Putzkau (l.) ist eine der Helferinnen und Helfer bei der von Sophie Lerche initiierten Aktion. Daniel Schlenkrich aus Bautzen ist einer der Spender.
12 Uhr hatten schon 300 Menschen die fünf Milliliter Blut zur Typisierung gespendet.
12 Uhr hatten schon 300 Menschen die fünf Milliliter Blut zur Typisierung gespendet.
Anja Bottin, eine gelernte Krankenschwester, nimmt Andreas Ducke aus Doberschau Blut ab.
Anja Bottin, eine gelernte Krankenschwester, nimmt Andreas Ducke aus Doberschau Blut ab.
Madlen Linke aus Neustadt, eine freiwillige Helferin füllt den Antragsbögen der DKRS aus.
Madlen Linke aus Neustadt, eine freiwillige Helferin füllt den Antragsbögen der DKRS aus.
Mit einem Pflaster in der Ellenbogenbeuge trägt sich von Jana Schmück aus Bautzen ins Spenderbuch ein.
Mit einem Pflaster in der Ellenbogenbeuge trägt sich von Jana Schmück aus Bautzen ins Spenderbuch ein.
Die gefüllten Blutröhrchen der Spender.
Die gefüllten Blutröhrchen der Spender.
Blutabnahme
Blutabnahme
Hunderte Spritzen werden für die Aktion benötigt.
Hunderte Spritzen werden für die Aktion benötigt.
Hunderte Menschen waren am Sonnabend in die Turnhalle der Neukirchert Valtenberg-Oberschule gekommen.
Hunderte Menschen waren am Sonnabend in die Turnhalle der Neukirchert Valtenberg-Oberschule gekommen.
Plakate wiesen in ganz Neukirch den Weg zur Schule.
Plakate wiesen in ganz Neukirch den Weg zur Schule.

Andreas Ducke aus Doberschau (40) krempelt den Ärmel hoch. Der Blutspender kennt die Prozedur, nur wird jetzt weniger Blut gebraucht. Anja Bottin, Stieftochter von Thomas Lerche, entnimmt es. Unterstützt wird die Krankenschwester von weiteren Mitarbeitern des Pflegedienstes Kathrin Vogel aus Neustadt, die ebenfalls Blut abnehmen oder wie Sandra Obst Kinder schminken. Weil es um die Familie ihrer Kollegin geht, sind sie alle gern dabei, aber auch weil sie aus der täglichen Arbeit wissen, wie wichtig Hoffnung für Schwerkranke ist, sagt die Ergotherapeutin. „Wenn man mit seiner Spende jemandem das Leben retten kann, das wäre ein tolles Gefühl“, beschreibt Spender Andreas Ducke seine Motivation. Die Frage, wie es einem geht, wenn so ein Schicksal die eigene Familie betrifft, das habe ihn sehr beschäftigt. Viele andere Spender ebenso.

Daniel Schlenkrich aus Bautzen hatte am Vortag in der SZ von der Aktion gelesen. Er sei beruflich viel in der Welt unterwegs. Wie es seinem fünfjährigen Sohn ergehen würde, wenn ihm etwas zustößt, die Frage beschäftigt ihn, seit er das Schicksal von Thomas Lerche kennt, noch mehr. Auch deshalb nimmt er sich die Zeit für die Blutabnahme. Sophie Zenker aus Ringenhain und ihr Freund Florian Thomas (21) aus Steinigtwolmsdorf finden die Aktion toll. „Wenn es meinen Vater beträfe, würde ich auch hoffen, dass uns andere Menschen helfen“, so die 18-Jährige. Wie diese beiden schreiben sich etliche ins Gästebuch ein und wünschen der Familie Kraft für die schwere Zeit. Draußen köchelt derweil Kartoffelsuppe in der Gulaschkanone. Peter Glewe und weitere Mitglieder der Initiative Rittergut Putzkau kümmern sich ums Essen. „Ist doch wichtig, dass viele mitmachen“, sind sie sich einig. Würstchen brutzeln auf dem Grill. Zu fünft sind UPS-Fahrer aus Klipphausen da. Sie verkaufen Kuchen, der von Bäckern der Umgebung gespendet wurde. „Wir wollen unserem ehemaligen Kollegen helfen. Wenn einen so ein Schicksal trifft, da muss man zusammenstehen“, so Gösta Augustin.

Aufwendige Untersuchung im Labor

Zwei Stunden nach Beginn sind 300 Spender registriert, am Ende werden es 884 sein. Sie kommen aus dem gesamten Oberland bis Bautzen und Bischofswerda, sogar aus Bayern und der Schweiz. Mit 500 hatten die Initiatoren gerechnet. Von der großen Resonanz überrascht zeigt sich selbst Arne Gebhardt vom DKMS-Büro in Berlin, der die Aktion in Neukirch leitet.

In einer aufwendigen Untersuchung im Labor werden in den nächsten Tagen die Gewebemerkmale aller Blutproben ermittelt. Ob der- oder diejenige dabei ist, dessen Merkmale nahezu hundertprozentig mit denen von Thomas Lerche übereinstimmen, steht erst in vier Wochen fest. Es könnte aber auch ein Spender für einen anderen an Blutkrebs erkrankten Menschen darunter sein. Zur Finanzierung der teuren Labortests wird auch Geld gesammelt – inklusive dem Erlös aus Essen und Getränken sind 6 400 Euro zusammengekommen.

„Geschafft, aber glücklich“ ist am Abend Sabine Stiebitz, eine von über 30 Helfern. Die Putzkauerin ist seit Jahren eng mit der Lebensgefährtin von Thomas Lerche befreundet. Man sei immer gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Deshalb ist sie dabei und will gar keine großen Worte machen. Geradezu überwältigt ist Thomas Lerches Tochter Sophie, die gemeinsam mit ihrer Freundin Lilly Rödel den ganzen Tag in Neukirch ist. „Dass so viele Menschen, die uns gar nicht kennen, am Schicksal meines Papas Anteil nehmen und helfen wollen, das kann man gar nicht in Worte fassen“, erklärt die 17-Jährige sehr berührt. Derzeit befinde sich ihr Vater in der zweiten Phase der Chemotherapie. Weihnachten wird er im Krankenhaus verbringen, das sei für alle sehr bedrückend. „Aber aus der Aktion in Neukirch nehme ich Zuversicht mit und denke positiv.“