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Riesas letzte Videothek macht dicht

Nach 25 Jahren ist an der Bahnhofstraße Schluss. Dabei waren die Angestellten noch im Februar hoffnungsvoll.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Wer in Riesa Filme ausleihen möchte, hat seit einigen Tagen eine Anlaufstelle weniger. Seit Monatsanfang ist die Videothek in der Riesaer Bahnhofstraße geschlossen – und mit ihr der letzte klassische Filmverleih in der Stadt. Im Schaufenster hängt noch der Zettel, der den „großen Ausverkauf“ und die Schließung ankündigt. Ein Teil der DVDs wurde noch verkauft, der Rest geht an die Zentrale des Deutschen Video Rings (DVR) in Meudt, zu dem die Riesaer Videothek gehörte.

Am Standort in Riesa sei „nix mehr gelaufen“, sagt Heidi Isola von der Wolfgang Klenk GmbH, zu der der DVR gehört. Die Unternehmensgruppe plane vielmehr, sich komplett aus diesem Geschäftszweig zurückzuziehen. Riesa sei auch nicht als einziger DVR-Standort betroffen. „Als ich vor 20 Jahren angefangen habe, waren es noch 120 Videotheken“, sagt Isola. Mittlerweile seien davon nur noch 29 geöffnet, in den neuen Bundesländern beispielsweise in Cottbus, Plauen und Zeitz. Der Filmverleih sei einfach nicht mehr rentabel, erklärt die Einkäuferin. Die Konkurrenz vor allem durch das Internet sei zu groß geworden.

Für die drei Angestellten vor Ort kam die Schließung offenbar trotzdem überraschend. Zwar hatte der Filmverleih wegen der gesunkenen Nachfrage bereits Anfang des Jahres seine Öffnungszeiten deutlich eingeschränkt, war wochentags nur noch von 15 bis 20 Uhr geöffnet. Doch noch im Februar hatte sich ein Verkäufer gegenüber der SZ optimistisch gezeigt. Von einem Videotheken-Sterben wolle er nicht sprechen, auch wenn das Geschäft schwieriger geworden sei. Am Hauptsitz in Meudt sah man das offenbar anders – und machte den Riesaer Filmverleih nach insgesamt 25 Jahren dicht.

Filmpiraterie ist der Hauptfeind

Vor allem die illegalen Filmangebote aus dem Internet bereiten den Videotheken schon seit Jahren enorme Probleme, sagt Jörg Weinrich, der Vorsitzende des Interessenverbandes des Video- und Medienfachhandels (IVD), in dem rund 80 Prozent aller deutschen Filmverleihe organisiert sind. „Über diese Plattformen kommt man nicht nur schneller an die Filme, sondern muss auch nichts dafür bezahlen“, so Weinrich. Für den deutschen Filmverleih bedeutet das enorme Einbußen: Bundesweit sinken die Umsätze. Das wiederum führe dazu, dass Mitarbeiter entlassen, das Sortiment verkleinert und – wie im Fall von Riesa – die Öffnungszeiten eingeschränkt werden. Trotzdem bleibt vielen Videotheken nur die Schließung: Innerhalb von nur fünf Jahren habe sich die Zahl der Videotheken in Deutschland fast halbiert. Auch in Sachsen zählte der IVD Ende vergangenen Jahres 80 Mitglieder, 2009 waren es noch 169. Zahlen aus diesem Jahr liegen dem Verband laut Weinrich noch nicht vor.

Um die Branche zu schützen, hält der IVD-Chef ein Eingreifen von Politik oder Justiz für geboten. Das Urheberrecht müsse im Internet besser durchgesetzt werden. Weinrich verweist auf einen Prozess, in dem der Bundesgerichtshof am 26. November ein Urteil verkünden wird. Das Gericht muss nach einer Klage der Verwertungsgesellschaft Gema entscheiden, ob die Telekom als Internetanbieter dazu verpflichtet werden kann, Seiten zu sperren, auf denen illegale Inhalte angeboten werden. Bislang fehlt dafür die rechtliche Grundlage. Nur wenn die geschaffen ist, sei die Existenz der Videotheken gesichert, glaubt Jörg Weinrich. Zwar gebe es neben den illegalen auch noch legale Dienste für Filmfreunde. Die stünden aber nicht in direkter Konkurrenz zum Filmverleih. „Für viele Leute sind diese Modelle, bei denen man sich anmelden muss, noch zu kompliziert. Dazu kommt noch, dass es etwas anderes ist, die Auswahl in einem Raum vorzufinden, als sich durch Listen zu klicken.“ Außerdem sei das Angebot – abgesehen von einigen ausgewählten Serien – kaum mit dem in den Videotheken zu vergleichen. Und zu guter Letzt fehle im Internet natürlich grundsätzlich die Beratung. „Es ist eben etwas anderes, wenn man sich Empfehlungen geben lassen kann, statt einfach nur die Kurzbeschreibungen zu lesen.“

Auf einen vollständigen Verzicht müssen sich auch die Filmfreunde in Riesa nicht einstellen. Eine Alternative gibt es am Poppitzer Platz. Die Stadtbibliothek zählt in ihrem Sortiment auch mehr als 13 000 DVDs. Nur auf eine Wiedereröffnung der Videothek sollte niemand hoffen, betont Heidi Isola vom Deutschen Video Ring: Eine neue DVR-Videothek in der Stadt werde es definitiv nicht geben.