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Riesa schlägt Dresden

Pro Kopf hat die Sportstadt mehr Verkaufsfläche als die Landeshauptstadt. Das bringt aber auch Probleme.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Diese Nachricht dürfte angesichts des Leerstandes auf der Hauptstraße manchen Riesaer überraschen: Die Verkaufsfläche des Einzelhandels in der Stadt ist in den vergangenen Jahren leicht gewachsen. Das geht aus einer Erhebung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden hervor. Insgesamt 78 218 Quadratmeter Verkaufsfläche im Einzelhandel gibt es demnach aktuell in Riesa.

Erfasst sind dabei nur die aktiven Gewerbetreibenden, nicht die leerstehenden Flächen. Gegenüber der letzten Erhebung im Jahr 2010 nahm die Fläche im Einzelhandel um mehr als 4 000 Quadratmeter zu. Grund dafür ist der Ausbau der Elbgalerie. Gemessen an der Einwohnerzahl ergibt sich so eine Verkaufsfläche von 2,51 Quadratmeter pro Kopf. „Flächenmäßig ist Riesa sehr großzügig ausgestattet“, sagt IHK-Sprecher Lars Fiehler.

Die Pro-Kopf-Versorgung Riesas liegt damit höher als die Dresdens (siehe Grafik). „Seriös vergleichen kann man allerdings nur Kommunen, die in etwa gleich viele Einwohner haben“, betont Fiehler. Festzuhalten bleibe aber, dass gerade Riesa und Meißen komfortabel ausgestattet seien. „Riesa liegt da im Verhältnis zur Kaufkraft eher an der Obergrenze.“

Kaufkraft ist deutlich gestiegen

Eben diese Kaufkraft hat sich gegenüber 2010 deutlich erhöht. Die Zahl berechnet sich aus dem Verdienst abzüglich laufender Kosten wie Miete, Auto oder Versicherungen. Vor fünf Jahren standen den Riesaern im Schnitt 4 853 Euro pro Jahr zur Verfügung, heute sind es 5 533 Euro. Ein Phänomen, das im ganzen Kammerbezirk der IHK Dresden zu beobachten sei, sagt Lars Fiehler. „Selbst in unseren Sorgenregionen im Osten verzeichnen wir einen Anstieg.“

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei gut, es habe regelmäßige Rentenerhöhungen und nur eine geringe Inflation gegeben – und kaum Möglichkeiten, sein Geld gewinnbringend anzulegen. „Das alles sind Rahmenbedingungen, die dem Handel in die Karten spielen.“ Auch wenn die Riesaer mehr Geld zur Verfügung haben: Im kreisweiten Vergleich belegt die Stadt weiter einen der hinteren Plätze und wurde von Meißen und Lommatzsch sogar überholt.

Generell liegen alle Gemeinden im Landkreis deutlich unter dem Bundesschnitt von 6 246 Euro im Jahr. Radebeul schneidet mit 6 203 Euro noch am besten ab. Spitzenreiter im Altkreis ist laut Handelsatlas Nünchritz, Schlusslicht Gröditz.

Voreilige Schlüsse sollte man aus der vermeintlich hohen Dichte im Einzelhandel übrigens nicht ziehen, sagt Lars Fiehler. „Viel Verkaufsfläche suggeriert dem Bürger natürlich erst einmal eine attraktive Einzelhandels-Landschaft.“ Der Sprecher verweist in diesem Zusammenhang auf eine Umfrage der IHK, in der sich die Befragten sehr zufrieden mit den Einkaufsmöglichkeiten gezeigt hätten. „Aber für den einzelnen Händler bedeutet das natürlich auch, dass es schwerer ist, auskömmlich zu wirtschaften.“ Und weniger Geld in der Schatulle, das könne sich wiederum unter Umständen auf die Qualität niederschlagen.

„Zu viel ist nur auf den ersten Blick gut.“ Andree Schittko, Chef der Werbegemeinschaft Innenstadt Riesa (WIR) gibt einen anderen Punkt zu bedenken: „Die IHK nimmt als Grundlage die Einwohnerzahl Riesas. Elbgalerie und Riesapark strahlen aber auch auf den ländlichen Raum aus.“

Dass viel Verkaufsfläche nicht gleich viele Geschäfte bedeutet, zeigt ein Blick auf die Details: Von den rund 78 000 Quadratmetern Einzelhandels-Fläche in Riesa verteilen sich zusammen gut 40 000 Quadratmeter auf die Elbgalerie und den Riesapark. „Das erkennen wir flächendeckend“, sagt IHK-Sprecher Fiehler. Es gebe eine deutliche Verschiebung hin zu Centern oder großen Geschäften und Filialen. „Das führt dann dazu, dass wir in der Summe relativ geringe Flächenveränderungen haben, aber weniger Geschäfte.“ In Riesa sei das beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel der Fall gewesen. 2010 registrierte die IHK hier noch 112 Geschäfte auf knapp 24 000 Quadratmetern, heute sind es noch 87 Geschäfte auf mehr als 26 000 Quadratmetern.

„Vor allem die Zahl kleiner Läden hat sich in diesem Zeitraum verringert“, sagt Lars Fiehler. Damit gehe natürlich ein Stück Individualität verloren.

Dass kleine Geschäfte wegen der Center aussterben, will der WIR-Chef allerdings nicht geltenlassen. „Wir haben gerade in der Innenstadt ein gutes Verhältnis zwischen kleinen und größeren Geschäften.“ Den Einzelhandel nur über die Einkaufstempel abzudecken, wäre auch der falsche Weg, betont Andree Schittko, der auch Centermanager in der Elbgalerie ist. Richtig sei aber, dass vor allem der ländliche Raum auf den demografischen Wandel reagieren musste.

Bummel-Atmosphäre fehlt

Die Zukunftsaussichten, die der IHK-Sprecher für den Landkreis verkündet, sind aus Riesaer Sicht eher ernüchternd. „Letztlich steuern wir darauf zu, dass es in jedem Landkreis eine Kommune geben wird, die die Rolle der Einkaufsstadt einnimmt.“ In Ostsachsen hätten Bautzen und Görlitz diesen Platz bereits eingenommen. „Der Einzelhandel funktioniert dort gut, wo ich ihn mit anderen Dingen kombinieren kann“, erklärt Fiehler. Das könnte Gastronomie ebenso sein wie ein Kulturangebot oder einfach eine schöne Altstadt. Dinge eben, die eine Atmosphäre zum Bummeln schaffen – und die Meißen gegenüber Städten wie Riesa, Gröditz oder Großenhain einen Vorteil verschaffen, sagt Fiehler. Meißen als neues Einkaufs-Mekka? Eine Prognose, der Andree Schittko nur teilweise zustimmen kann. Meißen werde sich stärker an den Touristen orientieren, sagt der WIR-Chef. „Beim Shopping wird die Nähe zu Dresden ausschlaggebend sein.“ Viele Meißener würden eher in die Landeshauptstadt fahren, um Kleidung und Ähnliches zu kaufen. Riesa dagegen habe die Chance, seine Lage zwischen Dresden, Chemnitz und Leipzig zu nutzen – und sich weiter als Einkaufsstadt zu etablieren.