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„Riesa bräuchte mehr Grünanlagen“

Der Stadtpark ist eine echte Seltenheit, sagt Pro Natura. Mitte Mai will der Verein das den Riesaern zeigen.

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© Lutz Weidler

Riesa. Der Andrang war groß: Gut 70 Teilnehmer nahmen 2016 am ersten Frühlingsspaziergang durch den Riesaer Stadtpark teil. Mitarbeiter der Stadtverwaltung und des Vereins Pro Natura erzählten dabei viel Wissenswertes über die jahrhundertealte Anlage sowie die heimische Tier- und Pflanzenwelt. Am 13. Mai wird es die zweite Auflage geben. Treff ist 8 Uhr an der Freitreppe vor dem Stadtpark. Die Sächsische Zeitung hat im Vorfeld mit Peter Kneis von Pro Natura über die Führung und die Bedeutung des Stadtparks gesprochen.

Peter Kneis ist Mitglied bei Pro Natura und Vogelexperte. Regelmäßig bietet er naturkundliche Führungen an.
Peter Kneis ist Mitglied bei Pro Natura und Vogelexperte. Regelmäßig bietet er naturkundliche Führungen an. © Sebastian Schultz

Herr Kneis, zum zweiten Mal erklären Sie und Ihre Mitstreiter den Riesaern ihren Stadtpark. Warum?

Das liegt vor allem daran, dass die Resonanz im Vorjahr gut war. Aber nicht nur das: Bei jeder naturkundlichen Führung bemerken wir, dass auch der Bedarf groß ist.

Wie meinen Sie das?

Meiner Erfahrung nach haben die Leute während der Führungen jede Menge Fragen. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man sieht, woher sie ihre Informationen über die Natur herbekommen: Es gibt das Fernsehen, aber da schaut man eher Sendungen über die Tier- und Pflanzenwelt in der Ferne. Und dann gibt es beispielsweise vor Ort den Baumarkt. Da erfährt man, wie gefährlich die Natur ist und wie man sich etwa mit Schneckenkörnern gegen Schädlinge wehrt. Aber das reicht vielen nicht.

Welche Fragen tauchen denn auf?

Zum Beispiel kommt fast jeder einmal in die Verlegenheit, dass ein hilfloser Vogel vor ihm sitzt und er sich fragt: Was soll ich machen? Jungvögel kann man einfach aufheben und an eine geschützte Stelle hochsetzen. Anders als bei Säugetieren besteht auch nicht Gefahr, dass die Jungen nicht mehr von den Eltern gefüttert werden. Das wissen viele nicht. Wieder andere möchten von uns wissen, wie und wann sie ihre Hecken tierfreundlich verschneiden können.

Was macht denn den Stadtpark aus Naturschützersicht so besonders?

Es handelt sich um einen Auwald, das allein ist schon etwas ganz Seltenes in Sachsen. Und er ist enorm artenreich. Das fängt schon bei der Vogelwelt an. Mehr als 50 Arten leben hier, das ist überdurchschnittlich viel.

Welche Tiere und Pflanzen könnte man denn während der Führungen möglicherweise entdecken?

Da wären erst einmal im Mai noch die Reste einer üppigen Frühblüher-Landschaft, mit Pflanzen wie dem Lerchensporn und dem Blaustern. Die sieht man auch nur jetzt im Frühjahr, wenn das Blätterdach noch nicht geschlossen ist. Außerdem gibt es im Stadtpark eine besondere Insektenwelt zu bestaunen. Die größte Besonderheit ist da der Große Eichenbock, ein stattlicher Käfer, der nur dort vorkommt, wo es auch alte Eichen gibt, die etwas weiter auseinanderstehen. Riesa gehört da zum südlichen Rand des Verbreitungsgebiets.

Und welchen der vielen Vogelarten könnten die Besucher im Stadtpark begegnen?

Die Nachtigall wird man auf alle Fälle hören. Verschiedene Spechte sind sozusagen auch gesetzt. Vieles andere hängt auch vom Glück ab.

Wie ist eigentlich Ihr persönlicher Eindruck: Wissen die Riesaer den Stadtpark überhaupt zu schätzen?

Ich denke ja, das kommt wieder in Gang. Es wird schon gut angenommen, was die Stadtoberen da vor mehr als 100 Jahren für die Bürger geschaffen haben. Gerade auch im räumlichen Verbund mit dem Tierpark. Man bemerkt das ja auch andernorts, etwa auf dem Puschkinplatz. Da sehe ich, mal abgesehen von den Trunkenbolden, auch viele jüngere Menschen, die durch die Anlage spazieren. So etwas würde ich mir auch andernorts im innerstädtischen Bereich wünschen. Riesa bräuchte mehr Grünanlagen, am besten räumlich miteinander verbunden. Darüber sollte einmal diskutiert werden, nicht nur über den Leerstand in der Hauptstraße. Aber wo wird heute schon so locker entschieden, den Bürgern öffentliche Flächen zur Verfügung zu stellen?

Stattdessen wird eher mehr versiegelt.

Das ist das große Glück für den Stadtpark: Er liegt im Überschwemmungsgebiet – und hat damit übrigens auch eine Rückstaufunktion für das Wasser der Jahna. Dadurch ist er aber auch als Bauland unattraktiv. Wäre das nicht so, vielleicht gäbe es den Stadtpark schon nicht mehr.

Das Gespräch führte Stefan Lehmann.