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Rezept für einen Weihnachts-Hit

„Oh, es riecht gut“, so beginnt eines der bekanntesten Weihnachtslieder. Seinen Ursprung hat es in Bautzen.

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© Abb.: Eulenspiegel Kinderbuchverlag

Von Miriam Schönbach

Zum Plätzchenbacken in der Adventszeit gehört Weihnachtsmusik. Doch während im Westen Deutschlands zu Zimt- und Vanilleduft meist Rolf Zuckowskis „In der Weihnachtsbäckerei“ gesummt wird, erklingt im Osten in vielen Familien „Oh, es riecht gut“. Die Melodie und den Text haben dann fast alle parat. Die wenigsten aber wissen, dass die bekannte Weise ihren Ursprung in der Oberlausitz hat.

Christel Ulbrich (1908 bis 1996) ist die Schöpferin des bekannten Weihnachtsliedes „Oh, es riecht gut“.
Christel Ulbrich (1908 bis 1996) ist die Schöpferin des bekannten Weihnachtsliedes „Oh, es riecht gut“. © Stadt Bautzen
Die Bautzenerin Erika Suschke blättert in einem Fotoalbum mit Erinnerungen an Christel Ulbrich.
Die Bautzenerin Erika Suschke blättert in einem Fotoalbum mit Erinnerungen an Christel Ulbrich. © dpa

Verfasst wurde das Weihnachtslied von Christel Ulbrich (1908-1996). Die Bautzenerin war vor allem als Tanzpädagogin und Puppenspielerin bekannt. Ihre Ideen zur Arbeit mit Kindern sind bis heute in der Stadt präsent – auch weil viele Bautzener die Erinnerung weitertragen.

Auch Tanz-Christel wurde sie genannt

Zu ihnen gehört zum Beispiel Erika Suschke. Die Sonderschulpädagogin ist mittlerweile in Rente. In ihrer Wohnung blättert sie in einem Fotoalbum. Immer wieder ist auf den Bildern eine tanzende Frau zu sehen. Sie trägt einen langen Rock und einen praktischen Kurzhaarschnitt. Zuweilen hat sie auf den Aufnahmen auch ihre Puppen dabei. „Christel hat die Musik leben und erleben lassen“, sagt Erika Suschke. Sie selbst lernt das Multitalent Mitte der 70er-Jahre kennen, als sie ihren Sohn zur musischen Früherziehung bringt. Auch das war so eine Idee der „Tanz-Christel“, wie sie von Freunden genannt wird. Viele Erzieher der DDR haben bei der Bautzenerin gelernt, Kinder spielerisch an Musik und Bewegung heranzuführen.

Bei der Begegnung mit Erika Suschke ist Christel Ulbrich in Bautzen bereits eine Institution. Die gebürtige Tharandterin kam 1928 als Absolventin des Sozialpädagogischen Frauenseminars in Leipzig an die Spree. Die Ausbildung war für sie prägend, denn dort kommt sie mit den Ideen von Émile Jacques-Dalcroze in Berührung. Der Schweizer Musikpädagoge und Komponist zog 1911 in die Gartenstadt Hellerau, um sein eigenes Arbeitszentrum zu errichten. Er wollte Musik in der Bewegung erlebbar machen und die Sinne für das Aufnehmen der Musik sensibilisieren.

Domizil bei den Weigangs

Das Gefühl für Musik, Bewegung, Rhythmik begeistert die junge Frau. Diesen Schatz, ihr Temperament und viele Ideen bringt sie Ende der 20er-Jahre in einen privaten Kindergarten in der Bautzener Neustadt mit. Nachdem die Einrichtung bald aus allen Nähten platzt, wendet sie sich an die bekannte Bautzener Unternehmerfamilie Weigang. Diese ist zu dieser Zeit bereits nach Dresden gezogen. Der Familiensitz in Bautzen steht leer. Als Christel Ulbrich bei den Weigangs vorspricht, erhält sie sofort den Schlüssel, schreibt in ihren Erinnerungen.

Das Weihnachtslied „Oh es riecht gut“ entsteht aber wahrscheinlich erst nach dem Krieg. Mit Gesang habe die Mutter ihre Kinder zum Plätzchenbacken in die Küche gelockt, erinnert sich Tochter Almut Jungnickel. Die 75-Jährige wohnt heute in Potsdam. 1950 verbrachte sie ihr erstes Weihnachtsfest wieder in Bautzen. Davor lebte sie bei einer Pflegefamilie. Ihr Vater Walter Ulbrich war ein bekannter Maler. Er kehrte in diesem Winter aus der Kriegsgefangenschaft zurück. „Meine Mutter stand in der kalten Backstube und begann zu reimen. Wir Kinder machten alle mit. So sind wir zu einem Teil des bekannten Weihnachtslieds geworden“, sagt sie.

Und das Lied lädt regelrecht zum Mitmachen ein, zum Mandeln knacken, zum Butter und Zucker glatt rühren und Eier in den Topf schlagen – wie es in den fünf kurzen Strophen heißt. „Wir haben Stollen und Pfefferkuchen gebacken. Die Lebkuchen haben wir mit Pappe auf der Rückseite verstärkt. Sie kamen an den Weihnachtsbaum, der bis zur Decke reichte“, erinnert sich Almut Jungnickel. Auch sie selbst hat mit ihren Kindern und Enkeln gern das Mitmachlied in der Vorweihnachtszeit gesungen. „Es ist eine schöne Erinnerung an die Mutter“, sagt sie.

Stoff im Musikunterricht

Erstmals abgedruckt werden Text und Noten 1957 in der Kinderzeitschrift Frösi – unter der Überschrift  „Weihnachtsbäckerei“. Der Titel „Oh, es riecht gut“ setzt sich ab 1970 durch, als das Lied auf der Langspielplatte „Bald nun ist Weihnachtszeit“ veröffentlicht wird. „Außerdem gehörte es in der DDR zum Musik-Unterrichtsstoff der Klasse 2. Deshalb kennen viele Menschen das Lied“, sagt Erika Suschke.

Seit ihre Mentorin vor 20 Jahren starb, führt die langjährige Wegbegleiterin das Erbe von Christel Ulbrich fort. So übernahm sie viele ihrer Tanzkreise, kümmert sich um Weiterbildungen für Tanztherapeuten an Reha-Kliniken und um den Workshop für „Meditativen Tanz“ beim Tanzfest in Rudolstadt. So bleibt Christel Ulbrich in Bautzen präsent und spätestens, wenn ihre Weihnachtsweise erklingt, summt auch Erika Suschke mit: „Weihnachtskringel braun und rund, eins zum Kosten in den Mund. Oh, es riecht gut.“