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Rettung für das Hausbuch

Der Via-Regia-Verlag bekommt einen neuen Leiter und will Projekte des geschlossenen Lusatia-Verlags aufgreifen.

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© Wolfgang Wittchen

Von Irmela Hennig

Bautzen. Eine Leseratte war Jan Bergmann als Kind nicht unbedingt. Doch für Geschichte hat sich der gebürtige Bad Muskauer, der in Daubitz bei Rietschen aufgewachsen ist, schon immer interessiert. Darum hat er in Dresden Geschichte und Kunstgeschichte studiert. Gerade schreibt er seine Doktorarbeit über den Sächsischen Landtag in der Reformationszeit.

Zurück in die Oberlausitz wird er ziehen – zusammen mit seiner künftigen Frau. In Markersdorf bei Görlitz wollen sich Eva-Maria Ahlswede und Jan Bergmann niederlassen. „Weil wir hier verwurzelt sind, die Region schön ist“, sagt der 29-Jährige, der in Kürze seinen 30. Geburtstag feiert. Außerdem ist der Historiker dann mittendrin in dem Gebiet, aus dem er viel Stoff für seine Forschungsarbeit und Publikationen schöpft. Und über das er künftig Bücher herausgeben wird. Denn Jan Bergmann übernimmt demnächst den Via-Regia-Verlag in Königsbrück.

Der wurde 2013 von Historiker Lars-Arne Dannenberg gegründet. Nach zwei Leitungswechseln hat Dannenberg gerade selbst den Hut auf. Doch weil er viele Forschungs- und Publikationsprojekte umsetzt, fehlt ihm dafür die Zeit. Und Jan Bergmann hat schon einige Erfahrungen gesammelt in Bereichen, die für einen Verlagsleiter wichtig sind. Er schreibt selbst – vor allem Artikel für Zeitschriften und Sammelbände, aber auch ein Buch über das Stift Joachimstein in Radmeritz, heute Radomierzyce in Polen, hat er verfasst.

Zudem kümmert er sich für den Verlag bereits um die Oberlausitzer Heimatblätter. Die Zeitschrift ist aus dem Bibliotheksjournal der Christian-Weise-Bibliothek Zittau hervorgegangen. Sie erscheint viermal im Jahr und bietet Beiträge zu historischen Themen. „Mit wachsender Nachfrage“, freut sich Lars-Arne Dannenberg. Und Jan Bergmann ergänzt. Von ursprünglich 250 sei die Auflage auf 350 gestiegen. Es gebe treue Stammleser mit einem Abo. Aber auch in Buchhandlungen werden die Blätter verkauft. „Und die bestellen immer wieder nach“, sagt Jan Bergmann.

Die Heimatblätter gehören zum wiederkehrenden Programm des Via-Regia-Verlags. So wie die Buch-Reihe „Miniaturen am Wegesrand“. Darin werden historisch und kulturgeschichtlich bedeutsame Gebäude der Oberlausitz und Niederschlesiens vorgestellt, darunter die Stadthalle und das Kaufhaus von Görlitz. In Arbeit ist ein Minibuch über das Zgorzelecer Dom Kultury sowie über Schloss Gaußig und vor allem die dortige Kapelle, die ganz besonders ausgestaltet ist.

Kalender und Geschichten – das bleibt

Doch Lars-Arne Dannenberg und Jan Bergmann haben auch eine neue-alte Idee für eine Reihe. Sie wollen das „Oberlausitzer Hausbuch“ fortführen. Die jährlich erscheinende Publikation war ein Erfolgstitel des Bautzener Lusatia-Verlages. Sie enthielt kurze Prosa- und Sachtexte, Gedichte, Tipps und einen Kalenderteil. Nach dem Tod des Lusatia-Inhabers Frank Stübner im Frühling und der Auflösung des Verlages war die Zukunft des Buches eigentlich besiegelt.

Doch einige Autoren haben sich mit Themen und Vorschlägen an den Via-Regia-Verlag gewandt, und der arbeitet nun an einem neuen Hausbuchformat. „Aus rechtlichen Gründen wird es anders heißen und etwas anders aufgemacht“, so Lars-Arne Dannenberg. Aber die Grundidee von Kalender und Geschichten soll bleiben. Auch andere Projekte, die eigentlich bei Lusatia umgesetzt werden sollen, könnten im Königsbrücker Verlag nun einen Platz finden. Dannenberg und Bergmann freuen sich jedenfalls, wenn sich Autoren melden. Mit einigen seien sie schon im Gespräch. Annelies Schulz ist (noch) nicht dabei. Die gebürtige Oppacherin hatte für den Lusatia-Verlag ihre Lebensgeschichte in Romanen aufgeschrieben und war eine Erfolgsautorin für den kleinen Bautzener Betrieb.

Jan Bergmann weiß, dass es kein Zuckerschlecken ist, einen Verlag zu betreiben. Er muss sich finanziell tragen, die Bücher müssen Einnahmen in die Kasse bringen. Bis jetzt kommt beim Via-Regia-Verlag das nötige Geld durch den Verkauf rein. „Wir verlangen von den Autoren nicht, dass sie vorher etwas für das Erscheinen ihrer Werke bezahlen“, sagt Lars-Arne Dannenberg. Noch ist Via-Regia kein Vollzeit-Projekt. Doch Jan Bergmann will das kleine Unternehmen dazu ausbauen. Es soll ihn ernähren. Er will hauptberuflich Verleger sein. Vielleicht sind irgendwann auch Mitarbeiter denkbar.

Vampirbuch und Abenteuertexte

Vorhaben gibt es jedenfalls so einige. Aktuell ist ein Kinderbuch im Entstehen. In „Der Vampir mit der gelben Bommelmütze“ von Ingo Hauffe tourt ein kleiner Blutsauger durch die Oberlausitz und erlebt Abenteuer. Um die geht es auch in einem Essayband des österreichischen Autors und Literaten Arnold Klaffenböck. Er war und ist immer wieder in der ostsächsischen Region unterwegs und schreibt auf, was ihm dabei Ungewöhnliches widerfährt. Beide Bücher sollen anspruchsvoll mit Zeichnungen illustriert werden, und jedes von ihnen passt für Jan Bergmann und Lars-Arne Dannenberg ins Profil des Verlages. Denn der will Wissen und Kultur vermitteln und sich dabei auf die Oberlausitz, Sachsen, Böhmen und Schlesien konzentrieren.

Der angehende Verleger Bergmann ist einer, der die digitale Welt schon beinahe von Kindesbeinen an mitbekommen hat. Elektronische Bücher, Hörbücher, Textprojekte für Smartphones und all diese Dinge sind ihm vertraut. „Ich bin dafür offen und werde prüfen, was für uns Sinn macht“, so Jan Bergmann. Er habe Freunde, die das technisch auch realisieren könnten.

Verleger schreibt auch selber

Bei aller Verlagsarbeit – der Historiker will auch selbst weiter schreiben. Gern möchte er sich mit der Landtagsgeschichte der Oberlausitz befassen. Gemeint sind die Ständeversammlungen, die es einst in Bautzen gab. Dabei kamen Vertreter der Sechsstädtebund-Mitglieder, Adel und Klöster zusammen. Geschrieben hat er unter anderem schon über Rittergüter und Herrenhäuser, aber auch über die Folgen des Ausbruchs von Vulkan Laki auf Island. Zwischen 1783 und 1785 hatten seine Eruptionen das Klima bis in die Oberlausitz nachhaltig beeinflusst. Es wurde kälter, die Ernten schlechter. Doch die Menschen wussten damals nicht, warum. Ein anderes Thema von Jan Bergmann war der wohl größte Waldbrand in der jüngeren Geschichte der Oberlausitz – 1942 vernichtete er in der Muskauer Heide eine Fläche von 1 740 Hektar. Doch weil damals gerade Krieg herrschte und anderes in den Vordergrund drängte, sei er heute fast vergessen.

So wie sich Jan Bergmann für seine Themen begeistert, tun das auch viele andere Autoren. Nicht allen kann der Via-Regia-Verlag eine Plattform bieten. „Es wird mir schwerfallen, aber ich werde auch Projekte ablehnen müssen. Ich weiß, dass die Verfasser Herzblut in die Arbeiten stecken, aber nicht alles passt zu uns.“ Erst mal aber freut sich der künftige Verlagschef auf Autoren, die sich mit ihren Ideen melden. Genauso wie auf Sponsoren, die bereit sind, bestimmte Publikationen zu unterstützen.

www.via-regia-verlag.de