Merken

Rettet die Schwester ihren Bruder?

Claudia Lerche wird Stammzellen für den an Leukämie erkrankten Neukircher Thomas Lerche spenden.

Teilen
Folgen
NEU!
© Regina Berger

Von Constanze Knappe

Eine erste Hürde ist genommen. Für den Neukircher Leukämie-Patienten Thomas Lerche wurde eine passende Stammzellenspenderin gefunden: seine Schwester Claudia. Sofort, nachdem sie von der Diagnose Blutkrebs ihres Bruders erfahren hatte, ließ sie sich testen. Der Spender muss nicht nur der genetische Zwilling des Patienten, sondern auch vollkommen gesund sein. Um sicherzugehen, sind nach Aussage von Annika Schirmacher von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) unzählige Untersuchungen nötig. Deshalb fuhr Claudia Lerche, die in Bayern lebt, für zwei Tage nach Dresden. Danach hieß es warten. Bis zu sechs Wochen kann es dauern, bis die Proben ausgewertet sind und man weiß, ob die Gewebemerkmale übereinstimmen. Die Chancen, dass das der Fall ist, stehen bei Geschwistern bei 25 Prozent. Und dennoch war es zunächst nicht mehr als ein Hoffnungsschimmer.

Ein Spender für Thomas Lerche ist gefunden. Doch bis zur Transfusion ist es noch ein weiter Weg.
Ein Spender für Thomas Lerche ist gefunden. Doch bis zur Transfusion ist es noch ein weiter Weg.

In der Zeit des Wartens blieb das Risiko, dass Claudia Lerche kein genetischer Zwilling oder aber aus gesundheitlichen Gründen nicht als Stammzellenspenderin geeignet ist. „Wir wollten nicht so lange warten, bis wir Gewissheit haben. Wenn es nicht gepasst hätte, wäre wertvolle Zeit verstrichen“, sagt Sophie, die Tochter von Thomas Lerche. Zeit, die ihr Vater nicht hat. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide. Die Familie beschloss deshalb, parallel zur Auswertung der Blutprobe von Thomas’ Schwester im November mit der DKMS eine Typisierung in Neukirch zu organisieren. Viele, die Thomas Lerche gar nicht persönlich kennen, ließen sich Blut abnehmen. Die 884 Proben wurden im DKMS Life Science Lab in Dresden ausgewertet. Die Chancen, dass ein Teilnehmer gleiche Gewebemerkmale aufweist wie Thomas Lerche, sind mit 1:20 000 ungleich schlechter als bei Verwandten ersten Grades. „Trotzdem klammerten wir uns an diesen Strohhalm“ , so Sophie damals.

Neukircher Aktion nicht umsonst

Warum die Auswertung der Proben ihrer Tante besonders lange dauerte, vermag die 17-Jährige nicht zu sagen. Seit voriger Woche steht nun fest, dass mit Claudia Lerche der passende Stammzellenspender gefunden ist. Die Aktion in Neukirch sei dennoch nicht umsonst gewesen, so Annika Schirmacher. Bis heute habe zwar noch keiner, der sich in Neukirch registrieren ließ, Stammzellen gespendet. Aber jeder Einzelne gibt Patienten auf der ganzen Welt Hoffnung. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass bald der erste Spender aus dieser Aktion hervorgeht“, sagte sie auf Anfrage der SZ. Die Ergebnisse der Proben werden in eine Datenbank mit weltweitem Zugriff eingelesen. Diese wird täglich abgefragt, um einen passenden Spender zu finden.

Indes geht es Thomas Lerche sehr schlecht, die dritte Chemotherapie macht dem 46-Jährigen gehörig zu schaffen. Wie die Ärzte vorausgesagt hatten, belastet die Behandlung den ganzen Körper. „Er hat Nasenbluten und starke Schmerzen, weil die Schleimhäute doll entzündet sind. Er bekommt Nahrungsergänzung über den Venenzugang, weil er den Mund kaum auf bekommt und demzufolge nichts essen kann“, postete Anja Bottin, die Tochter von Thomas Lerches Lebensgefährtin bei Facebook. Seine Tochter Sophie bestätigt das im Gespräch mit der SZ. „Weil er kaum noch sprechen kann, hat er alle Besuche abgesagt“, sagt sie und empfindet das als sehr bedrückend. Bis Ende Januar läuft die Chemotherapie, die nach Aussage von Annika Schirmacher „sehr hoch konzentriert“ ist und „im besten Fall alle Krebszellen im Knochenmark abtötet und Platz schafft für die neuen Stammzellen, die sich im besten Fall vermehren und gesundes Blut bilden.“

Chemo, Bestrahlung, Transplantation

Nach der Chemo darf Thomas Lerche für drei Wochen nach Hause. Dem schließt sich eine Bestrahlung an. Für die Vorbereitung auf die Transplantation wird der Neukircher unter strengsten Hygienemaßnahmen isoliert. „Dass er in der schlimmsten Phase dann gar keinen Besuch empfangen darf, wird ihm und uns schwer zu schaffen machen“, sagt Sophie. Sie fügt hinzu: „Wir stehen das gemeinsam durch in der Hoffnung, dass er gesund wird“. Und Anja Bottin postet: „Auch wenn wir ihm die Last nicht abnehmen können, sind wir in Gedanken immer bei ihm und versuchen, ihn so gut es geht aufzubauen.“ Das Interesse am Schicksal des Neukirchers ist groß. Als Sophie auf Facebook kundtat, dass ein Spender gefunden sei, reagierten 1 100 Leute. „Überwältigend“, findet sie das.

Einen Termin für die Spende gibt es noch nicht. Für die Transplantation werden dem Spender Stammzellen aus dem Knochenmark oder dem Blut entnommen, je nach Erfordernissen des Patienten.

www.facebook.com/papasollleben