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Rettet den Karpfen

Gräten, Koiherpes, Klimawandel: Die Teichwirtschaft in der Oberlausitz sucht nach neuen Überlebens-Strategien.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Königswartha. Der Spiegelkarpfen muss jetzt mal kurz für die Wissenschaft herhalten. Gert Füllner hat das stattliche Exemplar gerade aus der Versuchsanlage gefischt. Der Leiter des Fischerei-Referats beim Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Königswartha will sehen, wie die Karpfen den Winter überlebt haben.

Überleben. Das ist tatsächlich das treffende Wort. Hier in den Versuchsteichen der Fischereibehörde in Königswartha geht es ums Überleben des Karpfens an sich und eines ganzen Wirtschaftszweiges, ja sogar der Kulturlandschaft. Die ist, wenn man so will, vom Aussterben bedroht. So sieht es Gert Füllner, und so sehen es auch viele in der Branche. „Die Wirtschaftlichkeit der Betriebe hat sich in den letzten Jahren erheblich verschlechtert“, sagt der Experte.

Der promovierte Diplom-Fischwirt spricht von steigenden Ausgaben auf der einen Seite und sinkenden Erträgen auf der anderen. Rund 400 Kilo Karpfen pro Hektar haben die Oberlausitzer Fischwirte im vorigen Jahr aus ihren Teichen geholt. Wenn ihre Arbeit sich halbwegs ordentlich rechnen soll, müssten es aber Hektarerträge von mindestens 600 Kilogramm sein. Allein im vorigen Jahr haben zwei Teichwirtschaften aufgegeben.

Anfälliger für Krankheiten

Die Probleme der Fischwirte sind vielschichtig, weiß Gert Füllner. Zuerst sind da die Gräten: „Der Karpfen hat ein Image-Problem“, sagt der Referatsleiter. „Er ist so, wie er ist, einfach nicht mehr modern“. Die Kunden wollen den Fisch heute küchenfertig und am liebsten filetiert. Doch dafür fehlt den meisten Betrieben eine Verarbeitungsmöglichkeit. „Eine Lösung könnte es sein, wenn Teichwirtschaften sich zusammenschließen und eine gemeinsame Fischverarbeitung aufbauen würden“, schlägt Füllner vor. Da könnten auch neue Formen der Vermarktung ausprobiert werden: Karpfenfilets gleich fertig portioniert in Folie verpackt zum Beispiel oder Karpfenfleisch verarbeitet zu Karpfenchips.

Dem Spiegelkarpfen aus der Versuchsanlage ist nicht anzumerken, dass es ihm schlecht ginge. Im internationalen Leistungsvergleich hat er kürzlich gut abgeschnitten: festes Fleisch, schöne Filets, reich an gesunden Omega-3-Fettsäuren. Aber der Spiegelkarpfen ist eben auch anfälliger für Krankheiten wie das Koiherpes-Virus, mit dem die Fischwirte seit zehn Jahren ein wachsendes Problem haben. „Als die Karpfen noch Schuppen hatten, waren sie resistenter gegen Krankheiten“, sagt Füllner. „Aber welcher Kunde will heute schon noch Fische schuppen?“

An einen Schuppenkarpfen kam auch der Kormoran mit seinen Krallen nicht so leicht heran. Kormorane, Grau- und Silberreiher reißen inzwischen massive Verluste in die Bestände. Fischwirte könnten in Ausnahmefällen zwar um eine Abschussgenehmigung ersuchen, aber mit ein paar abgeschossenen Vögeln ist das Problem nicht gelöst, weiß der Referatsleiter. „Eine bessere Lösung wäre es, in die Brutkolonien einzugreifen“, schlägt er vor und bezieht sich auf eine Studie der Uni Rostock. Danach könnte der Bestand der Kormorane locker auf ein Drittel reduziert werden, ohne dass die Population gefährdet würde. „Den Fischwirten wäre damit aber erheblich geholfen“, ist Gert Füllner überzeugt.

Alte Methode wiederbeleben

Vor allem im Winter hatten die Kormorane in den letzten Jahren leichtes Spiel. Wenn die Winter wärmer werden und die Teiche nicht mehr zufrieren, haben nicht nur Kormorane leichte Beute, sondern auch das Koiherpes-Virus, das dann nicht abstirbt, erklärt Füllner. Der Klimawandel ist also das nächste Problem für die Teichwirtschaften: Wenn Sommer wärmer und Frühjahre trockener werden, bedeutet das Wassermangel in den Teichen.

Auch dafür arbeiten Füllner und seine Kollegen an neuen Strategien: „Wir wollen testen, ob man eine uralte Methode in der Teichwirtschaft, die sogenannte Sommerung, wiederbeleben könnte“, erklärt der Referatsleiter. Dabei wird ein Teil der Teiche für eine Saison trockengelegt und zum Anbau genutzt. Das sichert den anderen Teichen mehr Wasser, verbessert den Boden und merzt Krankheitserreger aus.

In den Königswarthaer Anlagen der Fischereibehörde läuft momentan auch ein Versuch mit „Nebenfischen“. Lohnt es sich, wenn künftig in der Oberlausitz neben Karpfen mehr als bisher auch Schleie, Zander oder Welse gezüchtet würden? Es könnte auch die Zusammenarbeit mit einem großen Kaviarproduzenten intensiviert werden, der die Störe in den Teichen der Region mästen lässt. „So eine Dienstleistung ist besser, als die Teiche gar nicht mehr zu bewirtschaften“, ist Gert Füllner überzeugt. Denn wenn es erst so weit käme, wäre die einzigartige Kulturlandschaft tatsächlich vom Aussterben bedroht.