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Retter kritisieren Arbeitgeber Rotes Kreuz

Nach den Selbstmorden zweier Kollegen reißt die Debatte um die Zustände im Rettungsdienst nicht ab. Nicht nur Arbeitszeiten und Bezahlung sind umstritten.

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Von Christoph Scharf

In den Rettungswachen des Landkreises gärt es. Nach zwei Selbstmorden von Rettungsassistenten (SZ vom 30.6.) hagelt es Kritik an den Arbeitsbedingungen. Vor allem vier Punkte sind bei Mitarbeitern des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Bautzen umstritten.

Gleiche Qualifikation, schlechtere Bezahlung

In einer Email an die SZ beschwert sich ein Mitarbeiter der Rettungswache Bautzen, dass hoch qualifizierte Rettungsassistenten in der Regel zunächst nur als deutlich schlechter bezahlte Rettungshelfer eingestellt werden – obwohl sie volle Arbeit leisten. Peter Mark, Kreisgeschäftsführer des DRK, bestätigt diese Praxis. „Das ist eine Frage der Finanzierung.“ Die Krankenkassen zahlen demnach nur wenige hoch qualifizierten Stellen, per Gesetz sei auch eine Quote für niedrig qualifizierte Mitarbeiter vorgesehen. „Wenn bloß Helferstellen frei sind, sich aber höher qualifizierte Leute bewerben, bieten wir ihnen an, trotzdem bei uns zu arbeiten – mit der Aussicht, aufzurücken, wenn eine Assistentenstelle frei wird.“

Zukunftsangst durch befristete Arbeitsverträge

Mitarbeiter sind sauer, dass neue Kollegen meist nur befristete Arbeitsverträge erhielten. So habe man als Rettungskraft immer die Unsicherheit über seinen Arbeitsplatz im Hinterkopf. Auch das bestätigt der Bautzener DRK-Chef, der das aber für normal hält. „Man muss doch erst mal schauen, ob es mit den Leuten passt.“ Auch die im Raum stehende europaweite Ausschreibung im Rettungsdienst sei kein Anlass für Panik. „Wir arbeiten seit 20Jahren gut mit dem Landkreis zusammen – und hoffen, dass auch weiterhin zu können.“

Wochenarbeitszeit werde nur selten eingehalten

Ein Hauptkritikpunkt bei den Rettungskräften ist die hohe Arbeitsbelastung. „Die Wochenarbeitszeit von 48Stunden wird in den seltensten Fällen eingehalten. Viele Kollegen sind psychisch und physisch am Rande ihrer Belastbarkeit“, schreibt ein Betroffener an die SZ. Klagen über die Dienstpläne sind schon länger bekannt, sagt Tino Eichelberger, Leiter des Rettungsdienstes in Bautzen. Auf anonyme Beschwerden über Dienstplanung und Ruhezeiten habe es erst im Mai eine Prüfung durch die Landesdirektion gegeben. „Uns wurde bestätigt, dass alles in Ordnung ist.“ Die 48Stunden Wochenarbeitszeit seien auch nur als Durchschnitt vorgeschrieben, sagt Betriebsratschef Michael Günzel. „Zulässig sind 60Stunden pro Woche – mit entsprechendem Freizeitausgleich.“

Mangelhafte Räumlichkeiten in der Rettungswache

Als „Zumutung“ kritisiert ein Mitarbeiter die Räumlichkeiten der Bautzener Rettungswache an der Schäfferstraße. „Zu Spitzenzeiten sind bis zu 18Leute im Gebäude – einem Haus, das für knapp die Hälfte konzipiert wurde.“ Laut DRK habe der Landkreis das Haus 1998 tatsächlich für weniger Kräfte errichten lassen. „Allerdings nicht für die neun Leute, sondern für 13 bis 14“, sagt Peter Mark. Die Aufstockung um ein weiteres Fahrzeug sei damals nicht abzusehen gewesen. Deshalb seien Baucontainer als provisorische Umkleideräume aufgestellt worden. „Ideal sind die Bedingungen nicht – aber die Kollegen leisten trotzdem hervorragende Arbeit“, sagt der Geschäftsführer.