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Retter für die Wagenfähre gesucht

Gestern fuhr die Autofähre zwischen Niedermuschütz und Kleinzadel zum letzten Mal. Jedenfalls in diesem Jahr. Vielleicht auch für immer.

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© Andreas Weihs

Niedermuschütz/Kleinzadel.

Lautlos gleitet die Gierseilfähre über die Elbe. Kein Geknatter, kein Dieselgeruch. Diese Fähre wird allein von der Strömung der Elbe angetrieben. Umweltfreundlicher geht es nicht. Dennoch soll die Fähre weg. Sie wird schlicht zu wenig genutzt. Bis gestern Mittag waren gerade mal zwei Autos übergesetzt. Zwei „Stammkunden“, die am Nachmittag zurückfahren.

„Das meiste Geld bringen die Radfahrer im Sommer“, sagt Fährmann Frank Lange. Die könnten freilich auch mit der nahe gelegenen Personenfähre zwischen Niederlommatzsch und Seußlitz über die Elbe fahren.

Lange hat gerade die Schicht übernommen. Viel zu tun haben wird er auch an diesem Tag nicht. Und es ist ein historischer Tag. Zum letzten Mal setzt die Autofähre zwischen Niedermuschütz und Kleinzadel über. In diesem Jahr, vielleicht aber auch für immer. Lange bedauert das. „Die Fähre gehört einfach zur Gemeinde dazu, ist wichtig für den Tourismus“, sagt der 50-Jähirge. Erst seit 16 Jahren ist das derzeitige, 17 Meter lange Fährschiff in Betrieb. Rund 600 000 Mark hat es 1999 gekostet.

Geld reicht nur für eine Fähre

Im Dezember soll der Kreistag den neuen Verträgen für die Elbfähren im Landkreis zustimmen. Die Gemeinde Diera-Zehren hat den Vertragsentwürfen zugestimmt, wenn auch mit einem Zähneknirschen. Denn statt 60 000 Euro Zuschuss im Jahr für die Personen- und die Wagenfähre will der Landkreis nur noch für jede Fährstelle 15 000 Euro zahlen. Dieses Geld reicht nur für eine der beiden Fähren in Diera-Zehren. Schon vor einiger Zeit hat sich der Gemeinderat entschieden, in diesem Falle die Personenfähre zwischen Niederlommatzsch und Seußlitz zu betreiben. Auf der Strecke bleibe dann die historische Gierseilfähre.

Ist das Aus für die Autofähre damit besiegelt? Carola Balk, die Bürgermeisterin von Diera-Zehren, glaubt das nicht. „Es wäre sehr schade, denn diese Fähre ist eine technische Besonderheit, die es nicht so oft gibt“, sagt sie. Die Gemeinde sucht Retter für die Fähre, ist aber noch nicht fündig geworden. Eine Alternative wäre eine Art „Notbetrieb“ durch den Landkreis, dass diese Fähre also nur zu bestimmten Zeiten – beispielsweise an den Wochenenden – betreiben wird. Doch daraus wird wohl nichts. Der Landkreis beharrt darauf: 15  000 Euro pro Fährstelle und keinen Cent mehr. „Wenn die Fähre nicht geschlossen werden soll, dann müssen wir jemanden finden, der den Betrieb finanziert“, sagt Carola Balk. Die Gemeinde sei dazu jedenfalls nicht in der Lage.

In Diera-Zehren kritisiert man die Gleichmacherei, versteht man nicht, dass es die gleichen Zuschüsse für alle Fähren gibt. „Man muss doch die unterschiedlichen Bedingungen berücksichtigen. Die Wagenfähre hat für den gesamten Landkreis Bedeutung“, so die Amtschefin. So sei sie an die Elbe-Radwege und an den Radweg Meißner 8 angebunden. „Das hat doch alles Geld gekostet. Es ist schade, dass sich der Landkreis nicht dazu bekennt. Stattdessen werden wir als die Schlechten hingestellt, die die Fähre dichtmachen wollen“, sagt sie. Sie habe bis zuletzt gehofft, dass der Landkreis Meißen wie in den Jahren zuvor die 60 000 Euro Zuschuss zahlt und mit dem Geld beide Fähren betrieben werden können. Doch der Landkreis sieht eine Beförderung von Autos plötzlich nicht mehr als Aufgabe des öffentlichen Personennahverkehrs an. Der beinhalte nun mal die Beförderung von Personen, nicht jedoch von Kraftfahrzeugen, so das Argument. Weil in diesem Jahr sehr oft Niedrigwasser auf der Elbe herrschte, konnte die Autofähre nur selten fahren. Sie benötigt einen Wasserstand von mindestens 90 Zentimetern. Aber auch bei Hochwasser ist sie nicht einsatzbereit. Deshalb entschieden die Gemeinde und der Betreiber, die Verkehrsgesellschaft Meißen (VGM), die Wagenfähre noch im November fahren zu lassen. Normalerweise endet die Saison für diese Fähre am 31. Oktober.

Die vielen Ausfallzeiten, die ja auch mit erheblichen Einnahmeverlusten verbunden sind, führten letztlich zur Entscheidung des Gemeinderates, sich gegen die Wagenfähre zu entscheiden, falls nicht beide Fähren betrieben werden können.

Ob sie im April nächsten Jahres wieder in Betrieb geht, ist also derzeit völlig offen. „Wir suchen Retter für die Fähre“, so Carola Balk. Findet sie keine, könnte das noch weitere Konsequenzen für die Gemeinde haben. Denn an dem Fähranleger wurden Schäden mit Hochwasser-Hilfsgeldern behoben. Möglicherweise droht dann die Rückzahlung dieser Gelder im oberen fünfstelligen Bereich. Schon 2003 wurde Hochwassergeld verbaut, für das noch die Bindefrist läuft, 2014 dann erneut. Die Bürgermeisterin hofft, dass es keine Rückforderungen geben wird: „Wir haben ja keine Luxussanierung gemacht, sondern nur die Schäden behoben, die dringend notwendig waren, um den Fährbetrieb wieder herzustellen“, sagt sie.

VGM soll Fähren übernehmen

Wie es generell mit den Fähren im Landkreis weitergeht, ist ebenfalls offen. Die Schiffe und Anleger gehören den Gemeinden, betrieben werden die Fähren von der VGM. Die Städte und Gemeinden möchten die Fähren gern loswerden, um nicht mehr die Kosten beispielsweise für die Revision der Schiffe zu haben. Das durchaus nachvollziehbare Argument: Die Busse gehören ja auch den Verkehrsbetrieben und nicht den Städten und Gemeinden, in denen sie fahren. Die VGM ist prinzipiell dazu bereit, die Fähren zu übernehmen, doch die Wagenfähre würde das wohl nicht retten. VGM-Geschäftsführer Rolf Baum betont: „Wenn der Landkreis die Zuschüsse nicht erhöht, können auch wir die Autofähre nicht betreiben.“ Für die Gemeinde würde das bereits das Aus für die zweite Fähre bedeuten. Zu DDR-Zeiten gab es auch zwischen Zehren und dem Zuessenhaus eine Personenfähre. Der Betrieb wurde aber schon Anfang der 90er Jahre eingestellt.