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Retter auf vier Pfoten

Die Hunde Nicki und Maggi sind auf die Suche nach Vermissten spezialisiert. Das Training dafür ist nicht immer leicht.

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© Uwe Soeder

Von Frances Scholz

Gebannt schnüffelt Nicki über die Wiese. Ihre Nase führt sie weiter auf den Fußweg. Ihr Schwanz wedelt hin und her. Plötzlich zieht der Hund an der orangefarbenen Leine von Henry Marks und beginnt zu rennen. „Jetzt hat sie die richtige Spur des Gesuchten aufgenommen“, weiß der 25-jährige Weißenberger.

Der Gesuchte – das ist in diesem Fall Trainingspartnerin Elisa Kortt. Sie hat sich hinter einem Strauch am Protschenberg in Bautzen versteckt. Wie jeder andere Mensch hinterlässt sie einen individuellen Geruch, dem Nicki nun nachspürt. Der Wind trägt die Geruchsspuren allerdings bald davon – sodass der Belgische Schäferhund auch rechts und links der Fährte schnuppern muss. Heute herrschen für die Hündin allerdings keine idealen Bedingungen. Es ist windig. Nach wenigen Minuten hat Nicki Elisa Kortt hinter dem Strauch aber gefunden. „Das hast du super gemacht“, lobt Henry Marks und belohnt die Hündin mit Streicheleinheiten und Futter.

Drei Jahre Ausbildung

Seit Mai ist Nicki für die Suche nach Vermissten qualifiziert. Drei Jahre war sie mit ihrem Herrchen in Ausbildung. Henry Marks ist der einzige geprüfte ehrenamtliche Vermisstenhundeführer in den Landkreisen Bautzen und Görlitz. „Es gibt einen deutschlandweit arbeitenden Verein. Dieser nimmt auch die Prüfungen ab“, erklärt er. Geprüfte Hundeführer können sich dann bei der Polizei mit ihrer Nummer registrieren lassen und stehen den Beamten ehrenamtlich bei der Vermisstensuche zur Seite. Seit August wurden Henry Marks und Nicki von der Polizei für neun Einsätze hinzugerufen. „Beim letzten wurden zwei Kinder in Bischofswerda vermisst. Nicki hat anhand eines Kleidungsstücks die Fährte aufgenommen und wir haben sie dann auf einem Spielplatz gefunden“, sagt der Berufsfeuerwehrmann.

Trainingspartnerin Elisa Kortt ist Ergotherapeutin und will es Henry Marks und Nicki gleichtun. Sie befindet sich mit ihrem sechs Jahre alten Zwergschnauzer Maggi seit anderthalb Jahren in der Ausbildung. „Manchmal unterschätze ich Maggi. Sie lernt aber wirklich schnell. Im Prinzip kann jeder Hund so eine Ausbildung für die Personensuche machen. Es muss nur eine starke Bindung zum Menschen da sein“, sagt die 27-jährige Bautzenerin.

Training auf dem Leipziger Hauptbahnhof

Zweimal in der Woche trainieren die beiden mit ihren Hunden für etwa anderthalb Stunden. Dazu fahren sie auch mal weiter weg. Auf den Dresdener Flughafen oder zum Leipziger Hauptbahnhof. „Wichtig ist, dass die Hunde immer in anderen Regionen und Situationen üben. Vorm Einsatz weiß man ja auch nie, in welcher Umgebung der Vermisste verschwunden ist“, sagt Elisa Kortt. Beim Training gibt es immer ein Opfer, das sich verstecken muss. „Freunde oder Arbeitskollegen halten da auch schon mal her, denn es ist gut, wenn Maggi und Nicki mit Personen üben, mit denen sie sonst nicht so viel Kontakt haben“, erklärt sie. Dabei wissen die Hunde genau, wann ihr Einsatz beginnt. „An der Stelle wo ein Mensch zuletzt gesehen wurde, legen wir ihnen ein Geschirr an. Dann wissen sie, jetzt geht es los. Nicki schaltet dann wirklich ab und konzentriert sich nur noch auf die Suche“, sagt Henry Marks.

Doch nicht immer läuft das Training ohne Reibungspunkte ab. „Gerade wenn wir in der Stadt trainieren, ist das eine große Herausforderung. Die vielen Menschen und der Verkehr“, sagt Henry Marks. Davon und von den vielen Gerüchen dürfen sich die Hunde nicht ablenken lassen. Denn gerade an Kreuzungen ist es wichtig, dass sich der Hund für die richtige Richtung entscheidet. Nur so besteht die Chance, eine vermisste Person auch zu finden. Allerdings hat das Umfeld für das Training wenig Akzeptanz. „Wir werden oft auch mal wüst beschimpft. Viele denken, weil wir eine lange Leine lassen, haben wir die Hunde nicht unter Kontrolle. Aber wir müssen ja unter Menschen trainieren“, erklärt er. Über solche Reaktionen ärgern sich Henry Marks und Elisa Kortt etwas und können es auch nicht so richtig verstehen. „Beim Training tragen wir ja auch unsere Einsatzkleidung. Wir sind ja nicht in zivil unterwegs“, sagen die beiden.

Handy klingelt auch nachts

Trotzdem macht den beiden die ehrenamtliche Arbeit Spaß. „Ich bin mit Schäferhunden groß geworden und ich finde es toll, durch meine Arbeit etwas Gutes tun zu können. Außerdem ist Nicki nach einem Einsatz oder dem Training immer sehr stolz und ausgeglichen“, sagt der Weißenberger. Anstrengend wird es höchstens mal für den Partner. „Wenn jemand vermisst wird, dann klingelt das Handy auch schon mal mitten in der Nacht und da muss man dann auch schon los“, sagt er.

Doch um jeden Preis bringen Henry Marks und seine Hündin einen Einsatz nicht zu Ende. „Einmal mitten im Sommer bei 35 Grad waren wir schon sieben Kilometer unterwegs. Aber dann musste ich einfach abbrechen. Man muss auch wissen, wann es für den eigenen Hund zu belastend wird“, erklärt er. Dann übernehmen Fährtenhunde der Polizei ab der Stelle, an der Nicki aufhört. „In den meisten Fällen hat sie die richtige Richtung vorgegeben und der Vermisste konnte gefunden werden“, sagt Henry Marks stolz.

Die Trainingsrunde von Nicki ist für heute geschafft. Sie hat Elisa Kortt gefunden und ihre Belohnung erhalten. Nun ist Zwergschnauzer Maggi dran. Henry Marks läuft schon mal los, um sich zu verstecken.

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