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Rettung für einen alten Schatz

Die Kamenzer Kirche St. Just beherbergt Fresken mit Seltenheitswert. Doch die sind leider kaum noch zu erkennen.

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© René Plaul

Von Nicole Preuß

Kamenz. Die Gläubigen standen vermutlich einst ehrfürchtig vor dem Chorraum der Kirche St. Just. Die Marienfiguren trugen Kleider in kräftigen Farbtönen und die Heiligen hätten in ihrer zeitgemäßen Mode wohl auch problemlos am Hof des böhmischen Königs ein- und ausgehen können. „Diese mittelalterliche Malerei muss ganz großes Kino für die Menschen damals gewesen sein“, sagt Pfarrer Michael Gärtner. Doch die 600 Jahre alten Bilder sind schon seit Jahren erheblich beschädigt. Manche Details sind schwer oder gar nicht mehr zu erkennen. Salze und vor allem die Feuchtigkeit haben den Kunstwerken über die Jahrhunderte zugesetzt. Dabei gehören sie zu den wertvollsten Kunstschätzen des Freistaates und haben selbst in Deutschland Seltenheitswert.

Bilder aus der St. Just Kirche

Die Leiterin der Städtischen Sammlungen, Dr. Sylke Kaufmann, hat sich mit den Fresken auseinandergesetzt. „Es gibt nur wenige Orte, an denen man noch solche Zyklen bewundern kann“, sagt sie. Die Ausmalung entstand wohl in den Jahren zwischen 1400 und 1420 und wurden wahrscheinlich von besonders talentierten böhmischen Künstlern geschaffen. Zumindest ist ein starker böhmischer Einschlag unverkennbar. „Man spricht von einem verfeinerten höfischen Stil, der von Schlankheit, Eleganz, feiner Mimik der Figuren und weichem Faltenwurf geprägt ist“, sagt Sylke Kaufmann.

Immer mal wieder Notreparaturen

Die Inhalte der Fresken sind fast comicartig aufgebaut. Die Nordseite zeigt verschiedene Szenen aus dem Leben der Gottesmutter Maria. Die andere Seite ist Bildern aus der Passionsgeschichte vorbehalten. „Die Darstellung der Kreuzigung wurde ganz geschickt gemacht. Die Rahmung des Kreuzes ragt in die nächsthöhere Ebene hinein. Damit erhält die Kreuzigung ein besonderes Gewicht“, sagt Sylke Kaufmann. Zwei angedeutete Fenster mit Heiligen- und Prophetendarstellungen ergänzen die drei vorhandenen Fenster im Chorraum und hoch oben schweben Engel zwischen den Rippen des Gewölbes.

Die Evangelische Kirchgemeinde Kamenz hat in den vergangenen Jahren immer mal wieder Notreparaturen vornehmen lassen. Der Bildstreifen, der wahrscheinlich die Marienkrönung zeigt, wurde zum Beispiel erst vor vier Jahren konserviert, weil die Gefahr bestand, dass der Putz sonst abfiel. Der Sockel wiederum wurde bereits zweimal mit Opferputz versehen, der das Salz aus der Wand ziehen sollte. Es fehlte allerdings das Geld für eine große, umfassende Restaurierung. Das ist nach vielen Jahren des Sammelns nun anders. Der Bund, der Freistaat, die Ostdeutsche Sparkassenstiftung, die evangelische Landeskirche, der Kirchbauverein und viele private Spender haben die nötige Summe von 345 000 Euro jetzt zusammengebracht.

Bilder sollen wieder erkennbar werden

Das Team um den Rödertaler Restaurator Uwe Rähmer will bis zum Frühjahr 2018 den Putz stabilisieren. Die Bilder werden aufwendig gereinigt und gefestigt. Es soll zurückhaltend retuschiert werden, sodass sich die Wahrnehmbarkeit und die Lesbarkeit der Bilder verbessern. Die leuchtenden Farben des Mittelalters werden wohl nicht mehr auf die Wand kommen, aber die Bilder sollen wieder erkennbar werden – und vor allem ins Bewusstsein der Kamenzer zurückkehren. Der Vorsitzende des Kirchbauvereins Martin Kühne erzählt von Begegnungen zu besonderen Gelegenheiten , bei denen die Kamenzer erstaunt waren, dass sich solche Malereien in dem kleinen Gotteshaus befinden. Deshalb soll die Justkirche nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten zum Beispiel in Führungen aufgenommen werden.

Die Bilder wurden erst in den 1930er Jahren bei Arbeiten in der Kirche zufällig wiederentdeckt und freigelegt. Die Christen im 16. Jahrhundert hatten wohl genug von den aufwendigen Malereien und putzten sie zu. Die Kirchgemeinde hofft nun, dass die Bilder möglichst lang im restaurierten Zustand erhalten bleiben. Die Dachentwässerung, die wohl ein Grund für die Feuchtigkeit war, wurde verbessert. Eine automatische Belüftung, die bei Bedarf ein Fenster öffnet, soll für ein gutes Klima in der Kirche sorgen. „Wir werden sehen, dass wir mit dem Problem Feuchtigkeit vernünftig umgehen“, sagt Pfarrer Gärtner.