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Rentnerpaar überrascht Einbrecher

Mitten am Tag bricht ein Mann ins Haus der Familie Bassing in Zscheilitz ein. Die fühlt sich seitdem nicht mehr sicher.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Lommatzsch. Der kleine Lommatzscher Ortsteil Zscheilitz liegt abgelegen. Hier sagen sich im wahrsten Sinne des Wortes Fuchs und Hase „Gute Nacht“. Der Ort hat seine beste Zeit offensichtlich hinter sich. Leerstehende Bauernhöfe und Scheunen, die in sich zusammenfallen, zeugen davon. Die Straßen sind mit Pfützen übersät, nachts wird die Beleuchtung ausgeschaltet. Für Familie Bassing ist Zscheilitz seit fast 20 Jahren zur Heimat geworden. Hier haben Ingrid und Erich Bassing damals günstig ein Haus gekauft, eine Ruine, wie sie sagen. Sie haben es hergerichtet, hier fühlen sie sich wohl. Bis zu jenem Mittag im Januar.

Dabei haut die 76-jährige Ingrid Bassing so schnell nichts um. Sie hat schon vieles durchgemacht. Erlebte als Kind das Bombardement auf Dresden. „Rechts und links neben mir fielen die Bomben, alle meine Verwandten sind ums Leben gekommen“, sagt sie. Auch ihr Mann Erich hat Schlimmes erlebt, musste als Kind aus Ostpreußen fliehen. Geflohen sind die beiden auch 1988 aus der DDR, wohnten und arbeiteten einige Jahre in Augsburg. Nach der Wende kehrten sie zurück, kauften ein heruntergekommenes Haus in Zscheilitz. Mit viel Zeit, Geld und Arbeit haben sie ihr Zuhause hergerichtet. Hier wollten sie in Ruhe ihren Lebensabend verbringen. Doch damit war es schlagartig vorbei: Am helllichten Tag wurden sie Opfer eines Einbrechers.

Ein Brecheisen in der Hand

Sie waren an jenem Donnerstagmittag im Januar zum Einkaufen nach Lommatzsch gefahren. Eigentlich wollten sie noch nach Meißen, fuhren aber doch nach Hause. „Ich wunderte mich, dass die Innentüren sperrangelweit offenstanden, ärgerte mich darüber, schließlich hatten wir geheizt“, sagt Ingrid Bassing. Sie glaubte, ihr Mann habe vergessen, die Türen zu schließen. Doch der war es nicht. Als sie das Haus betrat, hörte sie ihren Mann schreien. „Im Bad stand ein Mann, ein Hüne, der hatte ein Brecheisen in der Hand“, sagt der 75-jährige Erich Bassing. „Was wollen Sie hier?“, fragte er, doch eine Antwort bekommt er nicht. Der Unbekannte stürmt ins Freie, flüchtet zu Fuß.

Erich Bassing rennt, so schnell er kann in eine benachbarte Firma, ruft: „Wir sind überfallen worden.“ Dann setzt er sich ins Auto, will dem Einbrecher den Weg abschneiden, während seine Frau den Notruf 110 wählt. Dem Firmeninhaber und seinem Mitarbeiter gelingt es, den Täter einzuholen und festzuhalten. Sie sperren ihn in einem Vorraum des Firmengebäudes ein, bis die Polizei kommt. Das dauert nach den Angaben der Bassings etwa 30 Minuten. Für Lommatzsch und damit auch für Zscheilitz ist das Polizeirevier Riesa zuständig. Doch nach und nach treffen weitere Streifenwagen auch aus Meißen, Großenhain und Radebeul ein. Durch die Spuren im Schnee kann das Brecheisen bald gefunden werden. Der Einbrecher hatte es auf seiner Flucht weggeworfen.

Der Schaden am Haus hält sich in Grenzen. Der Einbrecher hat ein Fenster aufgehebelt, war wohl gerade dabei, die Wohnung zu durchsuchen, als er durch die Eigentümer gestört wurde. Zum Stehlen ist er offenbar gar nicht gekommen. Dennoch bleibt für das Rentnerehepaar mehr als nur ein ungutes Gefühl. „Das ist schon komisch, wenn da jemand in ganz persönliche Räume eindringt“, sagt Ingrid Bassing. „Seit 18 Jahren wohnen wir hier, nie ist etwas vorgefallen in diesem ruhigen Ort. Ich hätte nicht gedacht, dass wir das mal erleben werden“, sagt die 76-Jährige.

Wenige Tage vor der Tat feierten die beiden goldene Hochzeit. Von dem Täter wissen sie nicht viel. Ein 29 Jahre alter Meißner ist es, so viel steht fest. Er soll erst vor Kurzem vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden und drogenabhängig sein. Die Bassings, ein Zufallsopfer? Sie glauben nicht daran. „Der hat uns lange ausspioniert“, ist Ingrid Bassing überzeugt. Auch dass der Mann bei Schnee und Kälte zu Fuß von Meißen nach Zscheilitz gelangt ist, glaubt sie nicht.

Früher sicherer gelebt

Dabei ist bei den Bassings nichts zu holen. All ihr Geld haben sie in den Ausbau des Hauses gesteckt. Ein ehemaliger Schweinestall wurde zu einem komfortablen Bad. „Wir haben vier Kinder großgezogen, alle sind ordentliche Menschen geworden. Und dann kommt so ein Mistkerl und will uns bestehlen“, sagt sie. Und wundert sich andererseits nicht. „Schalten Sie doch mal den Fernseher ein – immer nur Mord und Totschlag“, sagt die 76-Jährige.

Nein, große Angst habe sie wegen des Einbruchs nicht. „Ich verdränge das“, sagt Ingrid Bassing. Doch ihren Lebensabend haben sich die beiden im beschaulichen Zscheilitz anders vorgestellt. Mit der Ruhe ist es vorbei. „Früher haben wir sicherer gelebt“, sagt sie. Die Bassings haben die längste Zeit in Zscheilitz gelebt. Es ist allerdings nicht so sehr dieser Vorfall, der sie bewegt, noch einmal umzuziehen. In ihrem Alter schaffen sie es nicht mehr, das Grundstück zu bewirtschaften. „Ein, zwei Jahre wollen wir hier noch wohnen, dann suchen wir uns eine altersgerechte Wohnung“, sagt Ingrid Bassing. In Dresden, wo sie lange wohnten und wo sie sich sicherer fühlen als hier auf dem flachen Land.