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Rentner muss Führerschein abgeben

Der 77-Jährige baut beim Einparken einen Unfall und flüchtet. Jetzt droht ihm sogar der endgültige Verlust der Fahrerlaubnis.

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© Symbolbild/dpa

Von Jürgen Müller

Meißen. Der 77-Jährige kommt zu spät zu seiner Verhandlung am Amtsgericht Meißen. Das ist auch kein Wunder. Denn von seinem Wohnort im Raum Großenhain nahe an der Landesgrenze zu Brandenburg mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Meißen zu kommen, ist gar nicht so einfach. Auf Bus und Bahn ist der Mann seit einiger Zeit angewiesen. Sein Führerschein wurde am 1. Juni dieses Jahres eingezogen. Auf den ist er aber dringend angewiesen. In seinem Ort gibt es keine Einkaufsmöglichkeit. Und mit dem Bus zu fahren, ist auch nur selten möglich.

Sein Anwalt hat deshalb Beschwerde gegen das Einziehen des Führerscheines eingelegt. Sie war erfolglos. Nun geht der Rentner gegen den Strafbefehl in Einspruch. Weil er Unfallflucht beging, soll er nicht nur eine Geldstrafe zahlen, sondern auch für sieben Monate auf seinen Führerschein verzichten.

Es ist ein Januartag in diesem Jahr, als der Mann gegen 18 Uhr auf dem Netto-Parkplatz in Radeburg versucht, seinen Opel einzuparken. Der Versuch geht gründlich schief. Der 77-Jährige fährt einen Golf an, beschädigt ihn vorn rechts. Es entstehen an dem gegnerischen Fahrzeug Reparaturkosten von fast 3 000 Euro.

Doch der Mann will den Unfall nicht bemerkt haben. Er habe eingeparkt, sei einkaufen gewesen und dann wieder weggefahren. Einen Unfall habe es nicht gegeben, behauptet er. Und überhaupt: An seinem Auto sei faktisch nichts zu sehen gewesen. Das freilich ist kein Kunststück. Der Opel ist voller „Kampfspuren“. Die Polizisten haben Mühe, unter den vielen Kratzern und Dellen eine Spur zu finden, die zu dem Unfall auf dem Parkplatz passt.

Doch sie werden fündig. Und der Unfall wurde von mehreren Zeugen beobachtet. Ein 32-jähriger Mann aus Radeburg notiert sich das Kennzeichen des Unfallfahrzeuges, hinterlässt an der Frontscheibe des Geschädigten Golf einen Zettel mit seiner Telefonnummer. Pech für den Unfallfahrer, Glück für den Geschädigten. Der wäre sonst auf den Reparaturkosten sitzengeblieben. „Es hat gekracht, das hat man schon gehört, sonst wäre ich ja nicht darauf aufmerksam geworden“, sagt der Zeuge, der einige Meter entfernt stand. Er widerlegt auch die Behauptung des Angeklagten, dass dieser einkaufen war. Er habe eingeparkt, sei angefahren und sofort wieder raus aus der Parklücke und weggefahren, so der Zeuge.

Der Verteidiger beharrt darauf, sein Mandant habe den Unfall nicht bemerkt. Er will ein Gutachten anfertigen lassen. Die Richterin kündigt an, ihrerseits ein Gutachten zur Fahrtauglichkeit des Angeklagten erstellen zu lassen. Diese Drohung verfehlt ihre Wirkung nicht. Man muss kein Arzt zu sein, um zu ahnen, welches Ergebnis dieses Gutachten bringt. Dem Rentner droht der dauerhafte der Entzug der Fahrerlaubnis, falls sich herausstellt, dass er fahruntauglich ist.

Und so entscheidet sich der Verteidiger nach einem Gespräch mit dem Angeklagten für das kleinere Übel. Er zieht den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück. So bleibt es bei der Geldstrafe und noch viereinhalb Monaten Führerscheinentzug. Außerdem muss der Rentner die Kosten des Verfahrens tragen und seinen Anwalt bezahlen. Denn bei einer Vorsatztat, was Unfallflucht nun mal ist, springt auch keine Rechtsschutzversicherung ein.

Konsequenzen hat der Mann nach dem Unfall keine gezogen. Obwohl er sehr schwer hört, geht er erst vier Wochen vor der Verhandlung, und nachdem er den Strafbefehl erhielt, zum Ohrenarzt. Der verschreibt ihm ein Hörgerät. Das sollte der Mann nun auch benutzen.