Merken

Rennstrecke Autobahntunnel

In den Coschützer Röhren entlang der Autobahn A 17 gibt es keine Kontrollen. Ist das ein Freibrief für Raser?

Teilen
Folgen
© André Wirsig

Von Tobias Wolf

Coschütz/Freital. Drängeln, zu kurze Abstände und überhöhte Geschwindigkeit: Was nach einer Rennstrecke klingt, erlebt Lothar Siegert jeden Morgen auf der Autobahn A 17 in den Tunnelröhren Coschütz, Dölzschen und Altfranken. Immer zwischen halb und um sieben ist der Pendler zwischen Pirna und Dreieck Dresden-West unterwegs. „An die Tempobegrenzung von 80 Kilometern pro Stunde halten sich nur wenige“, sagt der 64-Jährige. „Gerade erst habe ich erlebt, wie sich zwei Autos ein Rennen mit mindestens 140 lieferten.“ Die Zahl rücksichtsloser Autofahrer nehme zu, die Präsenz der Polizei dagegen ab, so Siegert.

Viele, die die A-17-Tunnel regelmäßig nutzen, machen solche Erfahrungen, egal, ob tagsüber oder nachts, im Berufsverkehr oder am Wochenende. Wer sich in den Tunneln an die vorgegebene Geschwindigkeit halte, werde nicht selten bedrängt oder gleich rechts überholt, sagt Siegert. Für den Ingenieur ist das brandgefährlich. Er fordert, dass die rund 2,3 Kilometer lange Tunnelkette stärker überwacht wird. Für den Allgemeinen Deutschen Automobilclub (ADAC) zählen Autobahntunnel zu den besonders gefährdeten Bereichen, weil sie von außen nur schwer zugänglich sind. Deshalb sei die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit besonders wichtig. Durch Kontrollen könne dieses Ziel besser erreicht und das Unfallrisiko gesenkt werden. „Wir sprechen uns dafür aus, etwaige Kontrollen im Vorfeld durch eine entsprechende Beschilderung anzukündigen, um diesen Effekt zu verstärken“, sagt Markus Löffler, Leiter der Abteilung Umwelt, Verkehr und Technik beim ADAC Sachsen.

Keine Dunkelblitzer für die Röhre

Kontrolle bedeutet meist Geschwindigkeitsüberwachung. Die findet in den Tunneln an der A 17 bislang nicht statt, auch weil Sachsens Verkehrsminister seit Jahren keine Blitzer in die Röhren einbauen wollen. Andere Bundesländer wie Bayern, Berlin oder Thüringen setzen in Autobahntunneln verstärkt auf sogenannte Schwarz- oder Dunkelblitzer. Die Digitaltechnik benötigt den hellen Blitz herkömmlicher Anlagen nicht. Der Autofahrer wird, ohne dass er es merkt, beim Rasen fotografiert.

Die Sicherheit in den Tunneln habe für das Verkehrsministerium hohe Priorität, die Unfallstatistik gebe derzeit keinen Anlass, solche Dunkelblitzer einzusetzen, sagt Verkehrsminister Martin Dulig (SPD). In den Jahren 2012 bis 2014 habe es dort jeweils nur einen Unfall mit Personenschäden gegeben, ohne dass überhöhte Geschwindigkeit die Ursache gewesen sei. Die Tunnelkette werde von 13 Mitarbeitern rund um die Uhr unter anderem per Video überwacht, so Dulig weiter.

In seiner Antwort auf eine Beschwerde von Pendler Siegert schrieb Dresdens Polizeichef Horst Kretzschmar, dass auf den zu betreuenden Autobahnabschnitten regelmäßig Kontrollen gegen das Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern durchgeführt würden. Man versuche, den Kontrolldruck aufrecht zu erhalten. Dies sei mit Blick auf die Vielzahl der Aufgaben der Polizei nicht immer durchgängig möglich.

Modellversuch in Niedersachsen

Raser zu kontrollieren gehört wohl gar nicht dazu. „Die Polizeidirektion Dresden führt keine Geschwindigkeitskontrollen in der A-17-Tunnelkette durch“, sagt Polizeisprecher Marko Laske. Dem ADAC liegen keine Erkenntnisse zum Geschwindigkeitsniveau in den Tunneln vor, deshalb könnten keine Formen der Verkehrsüberwachung wie Schwarzblitzer empfohlen werden, so der Technikchef. Kritik an den Anlagen gibt es, „weil durch das unbemerkte Blitzen kein unmittelbarer Effekt im Sinne einer positiven Verhaltensänderung eintritt“, sagt Markus Löffler. „Andererseits können durch dieses System im Vergleich zum herkömmlichen Blitzer plötzliche Bremsmanöver durch das Erschrecken beim Aufblitzen verhindert werden.“

Löffler verweist auf das System der Abschnittskontrolle, bei der am Anfang und Ende einer Strecke alle Autos erfasst werden und die Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt werde. In Österreich werde das System bereits eingesetzt, in Deutschland laufe ein Modellversuch in Niedersachsen.

Das sächsische Verkehrsministerium werde das Unfallgeschehen in Tunnelanlagen im Auge behalten und bei Bedarf über weitere Maßnahmen entscheiden, so der Minister. Für Pendler Siegert sind solche Aussagen ein Freibrief für Raser. „Ich erwarte, dass der Verkehrsminister seine Meinung zu Schwarzblitzern ändert und die Politik ihrer Verantwortung nachkommt“, sagt er. „In der Tunnelkette müssen Blitzer gegen Raser installiert werden.“