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Rein und Raus am Anger

Das Kunstgewerbegeschäft Träber macht zu. Ein anderer Laden zieht um. Zwei Kneipen sind geschlossen.

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© Arvid Müller

Von Nina Schirmer & Ines Scholze-Luft

Radebeul. Es lohnt sich einfach nicht mehr. Dieser Satz kommt den Träbers nicht leicht über die Lippen. Doch er ist Realität. Ihr Kunstgewerbeladen in Altkötzschenbroda wirft kaum noch Gewinn ab und wird Ende Februar schließen. Der Ausverkauf hat schon begonnen. Die Holzkunst aus dem Erzgebirge aber auch Seifen, Tischdecken, Teelichter und alles andere ist reduziert.

Die Speisekammer hat auch zugemacht.
Die Speisekammer hat auch zugemacht. © Norbert Millauer

„Es tut mir weh“, sagt Christine Träber. Die Radebeulerin hatte den Laden 1990 eröffnet. Vor eineinhalb Jahren ging sie in Rente und Tochter Bettina Träber übernahm das Geschäft. Doch die Kunden wurden weniger. „Bei vielen ist der Bedarf an Erzgebirgskunst gedeckt“, sagt Mutter Christine. Außerdem verkaufen immer mehr Hersteller ihre Ware selbst auf den Weihnachtsmärkten. Früher habe sie von Oktober bis Dezember so viel Umsatz gemacht, dass der Gewinn für ein halbes Jahr gereicht hat, erzählt die 67-Jährige. Ihre Tochter hat dieses Glück heute nicht mehr. Die Sorgen, wie sie die nächsten Rechnungen bezahlen soll, wurden irgendwann so groß, dass sie darüber krank geworden ist. Jetzt zieht die 39-Jährige die Reißleine – auch ihrer Gesundheit zu liebe.

Vermissen wird sie den Austausch mit den Stammkunden. Bei ihnen möchte sich die Geschäftsführerin bedanken. „Das Miteinander war immer sehr schön“, sagt sie. Viele kamen zum Quatschen vorbei. Dankbar sind die Frauen auch dem Hotel Goldener Anker von nebenan. Dort durften die Träbers in einem Gästezimmer ihre Ware einlagern, als der Laden bei der Flut 2002 unter Wasser stand. Einen Monat konnten sie damals nichts verkaufen.

Auch die Touristen, die im Laden einkaufen, sind weniger geworden. Die beiden Frauen hätten gerne zusätzlich an Sonntagen geöffnet, wenn die meisten Gäste in Kötzschenbroda unterwegs sind. Doch das wurde ihnen nicht erlaubt.

Alles wird ausverkauft

Nicht nur die stetig kleiner werdende Kundenzahl hat das Geschäft in den letzten Jahren erschwert. Auch Diebstähle haben zugenommen. Vor zwei Jahren wurde den Träbers eine Spieluhr im Wert von 500 Euro aus der Vitrine gestohlen. Und selbst während des Ausverkaufs verschwand ein großer Dekohase. Geklaut, während die Verkäuferin im Geschäft war. Ein Sicherungssystem könnte vielleicht helfen, ist aber zu teuer. Am 11. Februar veranstaltet der Laden einen letzten großen Aktionstag mit Sonderangeboten. Auch Möbel und Vitrinen stehen zum Verkauf. Die Besitzer wollen alles los werden.

Ist das Kunstgewerbe ausgezogen, wird René Thomas dort einziehen. Seit Herbst 2015 ist er mit seinem Deko-Geschäft Gegenkurs Thomas auf der Anger-Westseite vertreten und bisher recht zufrieden mit der Entwicklung. Das ermutigt ihn, sich durch den Umzug flächenmäßig zu vergrößern. Um Altkötzschenbroda noch attraktiver zu machen, könnte in der Werbegilde überlegt werden, was sich gemeinsam unternehmen lässt. Beispielsweise zu den Festen am Anger. Im ersten Halbjahr würde eine solche Aktivität auf dem Anger noch fehlen. René Thomas schlägt eine Art Frühlingserwachen vor, eine kleine Veranstaltung, die sich vielleicht schon in der kommenden Saison umsetzen lässt.

Auch am Kinderbekleidungsladen Emely von Antje Kunellis informieren Aufsteller, dass das Lager geräumt wird, mit ordentlichem Rabatt für viele Teile. Doch aus ganz anderem Grund als bei Träbers Kunstgewerbe. Emely schafft so Platz für neue Angebote. In wenigen Tagen kann sie auf 14 Jahre Emely zurückblicken. Damals war sie Radebeuls erste Ich-AG. Sie hat Höhen und Tiefen erlebt, dass Hochwasser überstanden und ist besonders glücklich darüber, dass ihre Stammkunden ihr so lange die Treue halten.

Bei Emely gibt es gebrauchte und neue Kinderkleidung. Jetzt nimmt sie wieder Sommersachen an, sagt die Ladenchefin, die bereits Kleidung für die wärmere Jahreszeit anbietet.

Dass immer mal wieder ein Laden oder eine Gaststätte im Umfeld schließen, berührt sie sehr. Deshalb macht sie sich oft Gedanken, was in Altkötzschenbroda geschehen sollte, damit niemand aufgeben muss. Ihr ist wichtig, dass die Kunden die kleinen Läden nicht vergessen, dort hingehen und kaufen – wenn sie möchten, dass die auch in Zukunft da sind.

Eine große Schlittschuhbahn?

Antje Kunellis zufolge könnte die Stadt das Anger-Leben unterstützen, indem sie beispielsweise den Kindertag organisiert. Da hat bisher die Werbegilde die Fäden in der Hand, die könnte so entlastet werden. Für weitere Belebung schlägt die tatkräftige Geschäftsfrau vor, dass zwischen den Weihnachtsmarktwochenenden nicht totale Ruhe an den Buden herrscht, sondern wenigstens ein geöffneter Glühweinstand für etwas Festflair sorgt. Und wie wäre es damit, den ganzen Anger in eine Schlittschuhbahn zu verwandeln? Besonders aber wünscht sie sich einen Ansprechpartner bei der Stadt, der Händler und Gewerbetreibende bei Problemen berät.

Während bei Emely und Gegenkurs Thomas viel Kraft in die nächsten Vorhaben gesteckt wird, hat sich eine beliebte Adresse verabschiedet. Die Gaststätte Speisekammer – bekannt für Essen im Weckglas – ist geschlossen, die Internetseite nicht mehr erreichbar. Sie wird künftig nicht mehr am Anger vertreten sein, sagt Betreiberin Ivonne Neubert. Das habe rein private Gründe.

Weshalb der Sonnenhof geschlossen ist, verrät ein Schild im Schaufenster: wegen Renovierung. Wann das Restaurant wieder öffnet, ist nicht zu erfahren. Weder auf der Homepage. Noch durch Anrufe, die enden beim Besetztzeichen. Allerdings hat der Radebeuler Männerchor, der bisher dort geprobt hat, seit Jahresanfang den Probenort verlegt. Die Sänger treffen sich nun montags 19 Uhr im Hotel Goldener Anker.