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Reifen und Sofas auf der Autobahn

Die Autobahnmeister haben einen gefährlichen Job. Sie sammeln Fundstücke und sorgen für Sicherheit.

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© Rico Löb

Von Reiner Hanke

Grell blinkt ein Warnpfeil auf der Autobahn-Standspur bei Pulsnitz. Im Radio läuft gerade die Meldung, zwischen Pulsnitz und Ohorn liegen Gegenstände auf der Autobahn. Es vergeht kaum ein Verkehrsreport ohne solche Hinweise. Gestern Vormittag wurden auf einer Autobahn Mülltonnen gesichtet, auf einer anderen Plastik-Teile. Die Unfallgefahr ist dann enorm und schnelle Reaktion wichtig. Sonst kann eine Situation schnell zum Albtraum für Kraftfahrer werden. Zum Beispiel als auf der A 4 Richtung Bautzen ein Sofa von der Lkw-Ladefläche flog. Das donnerte auf die Autobahn. Der Fahrer dahinter konnte die Kollision nicht mehr verhindern. Zum Glück gab es nur Sachschaden.

Dann rücken die Kollegen in Orange aus, im Raum Pulsnitz bis Ohorn und Burkau. Hier sorgt die 40-köpfige Mannschaft der Autobahnmeisterei Hellerau um ihren Chef Franz Lober für Sicherheit. Er ist der Autobahnmeister und erklärt: „Es gehört zu den Aufgaben, alle Gegenstände zu entfernen, die auf oder am Rande der Autobahn verloren oder hinterlassen wurden.“ Verlorene Ladung sei ein Problem. In der Regel sei die unzureichend gesichert. Reste abgefahrener Reifen gehören dazu. Aber auch überfahrene Wildtiere. Gefahr ist in Verzug, wenn sich ein Gegenstand direkt auf der Fahrbahn befindet. Dann greift auch die Autobahnpolizei ein und kann das Hindernis zumindest fürs Erste aus dem Gefahrenbereich räumen: „Die Kollegen sind immer mit der Polizei im Kontakt und unterstützen sich gegenseitig“, erklärt Isabel Siebert vom Landesamt für Straßenverkehr. Damit der Verkehr flüssig und sicher rollen kann. Ein bisschen Angst fährt trotzdem manchmal mit. Das mulmige Gefühl kennt wohl fast jeder Autofahrer, wenn die Ladung auf dem Laster voraus schwankt und wackelt oder Planen gefährlich flattern.

Am besten die 110 wählen

Meist entdecken die Kollegen der Autobahnmeistereien selbst die verlorenen Gegenstände auf der Trasse, da sie mit ihren auffälligen Fahrzeugen quasi ununterbrochen unterwegs sind, um ihr Revier zu inspizieren. So ähnlich sieht das bei der Autobahnpolizei als zweite wichtige Quelle aus. Da gehe kaum ein Fundstück durch die Lappen. Manchmal alarmieren Kraftfahrer gleich direkt die Meisterei. Am besten sei es aber, sofort die 110 zu wählen, wenn Gegenstände auf der Fahrbahn liegen. Den direkten Ruf empfiehlt der Meister in Ausnahmen. Zum Beispiel, wenn die Geldbörse beim Start an der Raststätte auf dem Dach des Autos vergessen wurde: „Manchmal können wir sogar verloren Geglaubtes wiederfinden.“ Zwischen Hellerau, Pulsnitz und Burkau finden die Mitarbeiter aber noch ganz andere Dinge. Allein die sagenhafte Menge von sechs Containern mit Autoreifen kommt im Jahr zusammen. Dazu drei Container voller Schrott. Da fliegen Werkzeugkisten von Lastern. Die Männer sammeln alte Computer ein, Eisenteile, Gasflaschen und vieles mehr. Hinzu kommt aber noch ein gigantischer Berg aus Müll: Plastik, Haushaltsabfälle, Windeln, gelegentlich auch Sperrmüll. Die machen noch mal rund 140 Tonnen im Jahr aus, weiß der Chef der Autobahnmeisterei und es bringt ihn auf die Palme: „Allein diese Abfälle, die wir tagtäglich massenweise aus den Gebüschen rund um die Autobahn und auf den Rastplätzen, Rödertal inklusive, sammeln müssen, verursachen einen riesigen Aufwand und nebenbei gesagt auch ordentlich Kosten.“ Es sind rund 13 000 Euro pro Jahr.

Unverständlich für die Mitarbeiter der Autobahnmeisterei. Denn an jedem Parkplatz stehen überall Mülltonnen. Auf den Parkplätzen der Fast-Food-Ketten seien die Mülleimer sogar so platziert, dass die Gäste zum Entsorgen nicht mal aus dem Auto aussteigen müssten. Trotzdem fliegen die Becher und Futtertüten massenhaft auf die Autobahn: „Dafür fehlt mir jedes Verständnis.“ Denn der Job ist nicht ungefährlich. Natürlich sei das Personal gut geschult. Und nie ein Mitarbeiter allein unterwegs, wenn Fundstücke zu bergen sind. So kann ein Kollege im Notfall eingreifen. Dazu kommen die Fahrzeuge im kaum übersehbaren Warn-Orange, mit dem gelben Warnlicht und die grelle, reflektierende Kleidung. Nur wenn die Auto- und Lkw-Fahrer die Arbeiter rechtzeitig sehen, können sie auch Rücksicht nehmen. Ein Risiko bleibt freilich immer.

Wird der Verlust nicht bemerkt?

Manchmal lösen die Fundstücke Staunen aus. So sammelten die Kollegen mal ein Luxusfahrrad ein, eine Bau-Leiter und sogar eine ganze Sofagarnitur. In jedem Fall handelt es sich dann um eine Verkehrsgefährdung. Dann wird die Polizei eingeschaltet. Wenn möglich, ermitteln die Beamten die Besitzer. Der Chef der Autobahnmeisterei würde sich allerdings wünschen, dass die Verursacher selbst viel öfter melden, wenn sie Ladung verloren haben. Merken sie es nicht oder suchen sie bewusst das Weite? Der Meistereichef sagt: „Stellen Sie sich mal vor, wir erfahren davon zu spät und die verlorene Ladung verursacht inzwischen einen schweren Unfall? Wer das verursacht hat, der wird doch seines Lebens nicht mehr froh.“