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Reicht Görlitz das Kühlhaus nicht?

Der Görlitzer Stadtrat will ein Planungsbüro für das Werk I beauftragen. Das zweite soziokulturelle Zentrum scheint unumstößlich.

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© nikolaischmidt.de

Von Daniela Pfeiffer

Nichts zu rütteln. Görlitz bekommt noch mehr Soziokultur. Der Stadtrat soll am Donnerstag das Institut für neue Industriekultur (Inik) aus Cottbus mit der Planung und Entwicklung des Jugendzentrums Werk I beauftragen. Damit nimmt das Großprojekt auf dem früheren Waggonbaugelände in der Hilgerstraße, das drei Millionen Euro kosten soll, wohl in den nächsten Monaten konkrete Formen und Inhalte an.

Für diejenigen, die in Görlitz bereits die sogenannte Soziokultur betreiben, ist das nicht so leicht zu verstehen. Abgesehen von kleineren Initiativen hat die Stadt mit dem Kühlhaus in Weinhübel eigentlich schon ein Soziokulturelles Zentrum. Hier, in dem riesigen Gebäudekomplex, werden bereits generationsübergreifende Angebote gemacht, die Palette wird immer größer und bunter. Allein im früheren Verwaltungsgebäude gibt es eine Siebdruck- und eine Kreativwerkstatt, ebenso wie einen Kicker- und einen Billardraum, Räume für kleinere Konzerte, Bar, Fotolabor. In der Maschinenhalle und der alten Schmiede gibt es Konzert- und Partyräume – auch für größere Menschenmengen zugelassen.

670 Leute dürfen in die Maschinenhalle, sagt die 32-jährige Künstlerin Juliane Wedlich, eines von 16 Mitgliedern im Kühlhaus-Verein. Dass ihnen allen, die sich so um die Entwicklung und Etablierung des Kühlhauses als generationsübergreifender Treffpunkt nun tatsächlich das Werk I zur Seite gestellt wird, sehen sie mit äußerst gemischten Gefühlen. Einerseits seien da die freundschaftlichen Verbindungen zum Verein Second Attempt, der das Werk I vorantreibt. Doch andererseits frage man sich schon, warum es noch ein Zentrum geben soll – mit genau den gleichen Zielen.

All die Dinge erfüllt das Kühlhaus bereits

Denn laut der Bedarfsermittlung, die dem Stadtrat vor dem Grundsatzbeschluss zum Werk I im Sommer vorgelegt wurde, soll das neue soziokulturelle Zentrum eine offene Raumstruktur haben, die für verschiedene Nutzergruppen verfügbar ist. Vereine, Initiativen und andere Nutzer sollen hier Veranstaltungen und Projekte durchführen können. All die Dinge erfüllt das Kühlhaus bereits. Es gibt Nähkurse, zu denen Frauen zwischen 20 und 40 Jahren kommen, ein Kletterturm im Fahrstuhlschacht könnte Sportler ansprechen.

Und wenn die Kühlhäusler in dem Tempo weitermachen, wie sie es seit der Umnutzungsgenehmigung im Februar an den Tag legten, ist noch viel mehr denkbar. Einzig die finanzielle Basis ist nicht ganz gesichert. „Der Besitzer gibt sehr viel“, sagt Juliane Wedlich. „Das erleichtert Einiges. Es ist nicht selbstverständlich, dass er das macht.“ 50 000 Euro haben die Vereinsmitglieder aus eigener Tasche in Bau und Einrichtung gesteckt. Auch die Robert-Bosch-Stiftung gibt Geld.

Dennoch „wird das ein Problem für uns“, sagt Juliane Wedlich mit Blick auf das Werk I. Dessen großer Vorteil wird die zentrale Lage sein. Auch das war einer der Gründe für den Stadtrat, dem Mammutprojekt zuzustimmen. Wenngleich nicht einstimmig. SPD/FDP, Zur Sache und die NPD hatten Ende Juni gegen das Projekt gestimmt. Zur Sache-Chef Joachim Paulick sagte im März: „Ich finde, das neue Konzept für das Kühlhaus deckt alles ab, was auch in das neue Jugendzentrum soll. Görlitz hat so viele tolle Jugendangebote, dass es kein großes Zentrum braucht.“ Zumindest hätte man sich eine genaue Bedarfsanalyse gewünscht. Denn bis heute ist nicht klar, wer und was genau auf der Hilgerstraße einziehen soll.

Das Werk I wird nicht mehr infrage gestellt

Über Kühlhaus und Werk I hat auch die CDU jüngst noch einmal gesprochen. Doch die Fraktion bleibt ihrer Haltung treu: Das Werk I wird nicht mehr infrage gestellt. Fraktionschef Dieter Gleisberg möchte nicht das eine gegen das andere ausspielen. „Ich sehe das sehr entspannt. Wir können das Eine machen ohne das andere zu lassen“, sagt er und schwärmt zugleich vom Kühlhaus, das sich aus eigener Kraft mit einem tollen Konzept und guten Projekten entwickle. Es spreche aber ein anderes Klientel an als das geplante Werk I.

Das sieht man im Kühlhaus anders. „Wir hatten extra versucht, Nischen zu finden, um uns abzugrenzen – und uns deshalb auch generationsübergreifend auf die Fahnen geschrieben“, sagt Juliane Wedlich. Doch plötzlich soll das auch für das neue Jugendzentrum gelten. Ein bisschen unfair sei das schon.