Merken

Reichsbürger zu Geldstrafe verurteilt

Das Amtsgericht wirft dem Mann aus Bautzen versuchte Nötigung vor. Der Fall ist damit aber noch lange nicht abgeschlossen.

Teilen
Folgen
© Lausitznews

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Lässig schlendert Jens B. am Polizeiaufgebot vorbei. Seinetwegen stehen die Beamten an diesem Mittwochvormittag im Bautzener Gerichtsgebäude parat – in voller Montur und kugelsicheren Westen. Das Amtsgericht hat erhöhte Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Auch Besucher sind betroffen, müssen sich kontrollieren lassen und ihre Handys abgeben.

Und das alles nur wegen Jens B. aus Bautzen, der den deutschen Rechtsstaat nicht anerkennt, den Talar des Richters als Faschingskostüm und die Verhandlung gegen ihn als eine Show-Veranstaltung bezeichnet. Der 51-jährige Arbeitslose gehört zur sogenannten Reichsbürgerbewegung, ein Wunder, dass er überhaupt vor Gericht erschienen ist. Einen Anwalt braucht er nicht. Selbstgefällig, redegewandt und respektlos setzt er sich über die Würde des Gerichts hinweg und macht die öffentliche Verhandlung, in der zufällig auch noch eine Schulklasse sitzt, selbst zu seiner Show.

Oberstaatsanwältin Kerstin Nowotny wirft ihm versuchte Nötigung vor. Sie zitiert aus einem Brief an das Sozialgericht in Chemnitz. Ein „Jens aus der Familie B.“ pocht darin auf Sozialleistungen, die ihm seiner Meinung nach zustünden. Mindestens 5 000 bis 8 000 Euro müsste er kriegen, schreibt er, andernfalls werde er „zum schlimmsten Gläubiger“, den man sich vorstellen könne. „Kleiner Tipp“, man solle doch schon mal Besen und Eimer bereitstellen, um die Scherben zusammenzukehren. Und: „Ein Feuerlöscher wäre auch nicht ganz verkehrt.“

Strafanzeige während der Verhandlung

Ein eindeutiger Versuch einer Nötigung, argumentiert die Oberstaatsanwältin. Die Angelegenheit hätte auch mit einem Strafbefehl von 40 Tagessätzen zu je 15 Euro erledigt sein können, doch den akzeptierte der Angeklagte nicht. Stattdessen beschäftigt er nun die Justiz mit einer Hauptverhandlung, die er zu seiner Bühne macht. Er kenne den Brief nicht, und überhaupt sei er hier nur eine juristische Person und faktisch gar nicht da. Er könne also überhaupt nicht verurteilt werden.

Richter Dirk Hertle verurteilt Jens B. trotzdem und erhöht ob dessen überheblichen Verhaltens das Strafmaß auf 60 Tagessätze zu je 20 Euro. Jens B. ist das egal. Er werde das Urteil sowieso nicht akzeptieren und sich beim Europäischen Gerichtshof beschweren, hat er schon von vornherein angekündigt. Die Urteilsbegründung hört er sich gar nicht erst an. Sofort nach der Verkündung verlässt er demonstrativ den Saal. Richter, Staatsanwältin und Zuhörer bleiben kopfschüttelnd zurück. „Der Mann müsste sich doch eigentlich schämen, Geld von einem Staat zu fordern, den er derart ablehnt“, sagt Richter Hertle. Oberstaatsanwältin Kerstin Nowotny hat ein ungutes Gefühl. Jens B. hatte in der Verhandlung mehrmals auch sie und den Richter bedroht. Dirk Hertle stellte deshalb noch während der Verhandlung Strafanzeige.

Immer häufiger hat es Sachsens Justiz neuerdings mit sogenannten Reichsbürgern zu tun. Die Szene wächst und vernetzt sich, sagt Kerstin Nowotny. Man dürfe das auch nicht verharmlosen. Nicht umsonst würden die Reichsbürger inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet.

In Sachsen leben nach Angaben des Verfassungsschutzes mehr als 700 Personen, die die bundesdeutschen Rechte und Gesetze offen ablehnen – und immer wieder die Justiz beschäftigen. Allein seit März dieses Jahres – frühere Zahlen gibt es nicht – wurden insgesamt 360 Ermittlungsverfahren gegen etwa 160 Reichsbürger bei Sachsens Staatsanwaltschaften geführt.