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Razzia in Radeberg

In drei Bundesländern geht die Polizei gegen eine Erpresserbande aus Tschetschenien vor. Auch im Radeberger Süden.

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© Thorsten Eckert

Von Karin Schlottmann und Jens Fritzsche

Radeberg. Flügelweg Radeberg, Mittwoch kurz nach 6 Uhr morgens: blau-weiße Polizeifahrzeuge rollen an, Spezialkräfte. Die Aktion ist Teil einer Razzia gegen Organisierte Kriminalität (OK) in drei Bundesländern – mit Schwerpunkt Sachsen. Hier werden bei 19 Durchsuchungen Wohnungen in Dresden, Leipzig, Pirna und – eben auch –  Radeberg kontrolliert. Zwei Wohnungen sind es am Radeberger Flügelweg, wie Radebergs Stadtsprecher Jürgen Wähnert gegenüber SZ bestätigt. Denn auch Mitarbeiter der Stadtverwaltung sind vor Ort, „sie werden bei solchen Einsätzen und Wohnungsöffnungen als Zeugen gerufen.“

Bei der Razzia wurden zudem Wohnungen und Asylbewerberunterkünfte im thüringischen Gotha und Rheinland-Pfalz durchsucht. Insgesamt nahmen Sondereinsatzkräfte und Beamte der GSG 9 neun Verdächtige fest.

Wie das Landeskriminalamt Sachsen mitteilte, handelt es sich bei den Beschuldigten überwiegend um russische Asylbewerber, die zur Volksgruppe der Tschetschenen gehören. Zu den insgesamt 16 Beschuldigten gehören zudem zwei Russlanddeutsche, ein Ukrainer, ein Armenier und ein Kasache. Die Ermittlungsbehörden werfen der organisierten Bande Bildung einer kriminellen Vereinigung, räuberische Erpressung, Bedrohung, Freiheitsberaubung sowie Körperverletzung vor. Sie sollen mit massiven Drohungen und brutaler Gewalt Geld von Landsleuten erpresst haben. Unter anderem sollen sie Messer und Schlagwerkzeuge verwendet haben, um an ihr Ziel zu kommen. Wegen des hohen Gewaltpotenzials wurden die Spezialeinsatzkräfte (SEK) mehrerer Bundesländer sowie die GSG 9, die Antiterroreinheit der Bundespolizei, bei der Razzia eingesetzt.

LKA-Präsident Jörg Michaelis sagte, der Einsatz solle ein Signal aussenden. „Gerade in Zeiten, in denen die Maßnahmen zur Abwehr der Terrorgefahr einen Schwerpunkt der kriminalpolizeilichen Arbeit bilden, dürfen wir den traditionellen Kriminalitätsfeldern, insbesondere der OK, keine Freiräume zur Entfaltung lassen.“ Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) lobte die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern.

Das Landeskriminalamt Sachsen geht davon aus, dass die Verdächtigen zur sogenannten Russisch-Eurasischen Organisierten Kriminalität gehören. Dazu zählen russischsprachige Täter aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Ihre Ideologie wird als „Diebe im Gesetz“ bezeichnet, heißt es im OK-Lagebild des Bundeskriminalamtes. Die „Diebe im Gesetz“ gehorchen einer strengen Hierarchie und schotten sich ab. Sie orientieren sich an kriminellen Autoritäten und einem eigenen Normen- und Wertesystem. Ein zentrales Element stellt laut BKA die sogenannte Diebeskasse (Obtschak) dar, in die alle Mitglieder einzahlen müssen.

Vor einer Woche hatte die Polizei in fünf Bundesländern Beweismaterial gegen mutmaßliche Terrorhelfer tschetschenischer Herkunft sichergestellt. Sie sollen die Finanzierung von Terrorstrukturen unterstützt haben. Zu den sächsischen OK-Ermittlungen besteht kein Zusammenhang, heißt es dazu.