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Raus aus Hartz IV

Immer weniger Menschen im Landkreis Bautzen leben von Stütze. Für viele Langzeitarbeitslose ergeben sich jetzt neue Chancen.

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© dpa/Jens Büttner

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Leben von Stütze – mehr als sieben Prozent der Menschen im Kreis Bautzen beziehen Hartz IV. Die gute Nachricht: Seit Jahren sinkt deren Anteil deutlich. Dahinter stecken verschiedene Ursachen. Zugleich zeigt sich aber auch, dass noch immer viele Familien und Alleinerziehende mit Kindern auf Unterstützung vom Staat angewiesen sind. Die SZ zeigt die aktuelle Situation und erklärt, wie das Jobcenter des Landkreises den Betroffenen helfen will.

© SZ-Grafik: Sylvia Tietze

Die aktuelle Lage: Im Kreis Bautzen leben 22 000 Menschen von Hartz IV

Ende des vergangenen Jahres wies das Jobcenter des Landkreises Bautzen in seiner Statistik 21 756 Menschen aus, die Hartz-IV-Leistungen bezogen. Dahinter stecken die Schicksale von Langzeitarbeitslosen und deren Kindern, aber auch Menschen, die trotz Arbeit aufstocken müssen, weil der Lohn zum Leben nicht reicht. Letzteres betrifft immerhin knapp 5 000 Menschen.

Insgesamt gab es im Kreis vergangenes Jahr im Schnitt 12 940 sogenannte Bedarfsgemeinschaften. Hinter dem Begriff verbergen sich auf Stütze angewiesene Singles, aber auch Familien. In fast jeder zweiten Bedarfsgemeinschaft leben Kinder. Fast 5 000 Minderjährige sind betroffen. Und: Ende 2016 gab es fast 2 200 Bedarfsgemeinschaften mit Alleinerziehenden.

Optimistisch stimmt indes der Blick auf den langjährigen Vergleich. Seit 2011 ist die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften um rund ein Drittel geschrumpft (siehe Grafik).

Die Gründe: Die alternde Gesellschaft, die Konjunktur und Förderprogramme

Die deutliche Absenkung der Anzahl der Stütze-Empfänger macht der Chef des Job-Centers, Mathias Bielich allen voran an drei Gründen fest. Dahinter steckt einerseits der demografische Wandel. Viele Langzeitarbeitslose haben längst das Rentenalter erreicht und fallen deshalb schlicht aus der Statistik. Jedes Jahr verschwinden so rund 500 Betroffene aus den Akten. Zugleich sorgt die gute Konjunktur für neue Jobs. Davon profitieren auch Langzeitarbeitslose. Mathias Bielich verweist aber auch auf die Arbeit seiner Behörde: „Wir sind mit den Programmen sehr erfolgreich.“ Dazu zählen vom Bund oder der EU gestützte Projekte für Langzeitarbeitslose oder zur Integration von Behinderten. So konnten seit 2015 in einem Projekt 270 Langzeitarbeitslose in unbefristete Anstellungen gebracht werden, wie Susann Lenz, Amtsleiterin des Bereichs Eingliederung erklärt. Bei dem Projekt erhalten Arbeitgeber in der Anfangsphase während des Anlernens Zuschüsse zum Gehalt, die nach und nach abgeschmolzen werden. „Das Projekt richtet sich an Langzeitarbeitslose, die sonst keine Möglichkeit haben, an einen Arbeitsplatz zu kommen“, sagt Susann Lenz.

Die Chancen: Viele Firmen haben ihre Ansprüche zurückgeschraubt

Das erfolgreiche Projekt mit den Langzeitarbeitslosen bestätigt die Verantwortlichen des Jobcenters in einer überraschenden Beobachtung. Mathias Bielich spricht von einem Sinneswandel: „Früher hieß es bei den Unternehmern immer, sie bräuchten Fachkräfte. Heute heißt es: Es fehlen Arbeitskräfte. Die Wirtschaft ist zunehmend bereit, Leute anzustellen, auch wenn sie nicht perfekt sind.“ Davon profitiert auch eine Gruppe, die bislang ebenfalls Probleme auf dem Arbeitsmarkt hatte. Viele Firmen hätten sich in der Vergangenheit schwer getan, Behinderte einzustellen. „Wir leisten viel Aufklärungsarbeit“, so Mathias Bielich. Über ein aktuelles Projekt seien 14 Behinderte in feste Jobs und 15 weitere in ein Praktikum vermittelt worden.

Die Prognose: Das Jobcenter speckt beim eigenen Personal ab

Mathias Bielich erwartet angesichts der derzeitigen Umstände einen weiteren Rückgang der Leistungsbezieher – will sich mit Blick auf die Unwägbarkeiten aber für die nächsten Jahre nicht festlegen. Auch die Frage, wie viele Stützeempfänger möglicherweise nie fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden können, weist er zurück: „Wir stempeln hier niemanden ab.“ Zugleich räumt er ein, dass es „immer weniger Kunden werden, die individueller betreut werden müssen“ – was teils auch teurer ist. Weniger Klienten heißt aber auch weniger Mitarbeiter. Deshalb ist die Behörde bereits von einst 450 Stellen auf jetzt 360 abgespeckt worden. Ein Prozess, der andauern wird. Freiwerdende Stellen werden schon jetzt nicht mehr besetzt.