Merken

Raus aus der Arbeitslosigkeit

Mit einem Bundesprogramm hat das Jobcenter über 70 Döbelner in Arbeit gebracht. Doch eine Dauerlösung fehlt.

Teilen
Folgen
© Dietmar Thomas

Von Maria Fricke

Döbeln. Den ganzen Tag zu Hause vor dem Fernseher sitzen, das ist nichts für Gerd Balzer. Der 56-Jährige will anpacken. Doch in den vergangenen Jahren fehlte ihm dazu der passende Arbeitsplatz. Noch vor der Wende eignete er sich Kenntnisse als Landschaftsbauer an. Doch in dem Beruf in der Zeit der gesellschaftlichen Umstrukturierung eine Arbeitsstelle zu finden, gelang dem Döbelner nicht. „Ich habe verschiedene Maßnahmen mitgemacht, war unter anderem mal ABMer“, erzählt Balzer. Bei Erik Pietzschmann in Döbeln hat er nun eine neue Chance bekommen.

Seit Mai 2016 ist er fünf Stunden täglich bei dem Geschäftsführer der Pietzschmann Baumaschinen GmbH sowie dem Pietzschmann Kfz-Service. „Er kehrt morgens den Hof, räumt die Pappe weg, sorgt für Ordnung“, beschreibt der 32-jährige Chef die Aufgaben des Kollegen. Er übernimmt die Arbeiten, für die den anderen die Zeit fehle. Und das gern. „Herr Balzer ist immer gut gelaunt“, sagt sein Chef. Und auch Balzer selbst ist zufrieden. „Ich kann nicht klagen. Alles ist bestens. Das Team ist gut und hat mich gut integriert.“

Es hört sich nach einer Erfolgsgeschichte an. Dabei war Pietzschmann am Anfang skeptisch. „Wir waren auch andere Leute gewöhnt. Manche waren wirklich nicht tragbar“, berichtet er. Doch Gerd Balzer habe sich bewährt. Mit seiner Arbeitsleistung ist der Chef zufrieden. Und trotzdem hat die Geschichte einen Haken: Sie wird voraussichtlich im Mai 2018 enden. Denn die Stelle von Balzer wird derzeit vom Jobcenter gefördert. Ein Bundesprogramm für Langzeitarbeitslose macht das möglich.

Neben Balzer profitieren in der Region Döbeln nach Angaben von Annett Voigtländer, der Sprecherin des Jobcenters, weitere 71 Personen von der Förderung, darunter sieben mit Migrationshintergrund. Um das Programm hatte sich das Jobcenter beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales beworben. Geplantes Ziel war es, 140 Langzeitarbeitslose zurück in ein Arbeitsverhältnis zu bringen. „Zum 31. Juli konnten 145 Arbeitsaufnahmen gezählt werden. 45 Personen waren über 54 Jahre alt sind“, bilanziert Voigtländer. Rund die Hälfte der Arbeitsverhältnisse seien dabei ohne Befristung abgeschlossen worden. Obwohl die Förderung für die Angestellten spätestens nach drei Jahren ausläuft. So zahlt das Jobcenter bei Langzeitarbeitslosen, die mindestens zwei Jahre zu Hause gewesen sind, keinen festen Berufsabschluss haben und älter als 35 Jahre sind, in den ersten sechs Monaten 75 Prozent des Lohns, in den weiteren neun Monaten 50 Prozent. Für die letzten drei Monate gibt es noch 25 Prozent des Lohns. Für Langzeitarbeitslose, die mindestens fünf Jahre zu Hause waren, gibt es im ersten Jahr 75 Prozent, im zweiten 65 Prozent sowie im dritten, bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag, noch einmal 50 Prozent. Voraussetzung für die Zahlung der Förderung ist jedoch, dass die Arbeitgeber die Mitarbeiter für zwei Jahre befristet anstellen, wie auch Gerd Balzer bei Erik Pietzschmann.

Balzers Vertrag läuft bis Mai 2018. Wie es danach weiter geht, ist unklar. Das Problem ist, dass Pietzschmann aus eigener Kraft die Stelle nicht finanzieren könne. „Hier müsste eine Dauerlösung her“, sagt er. Aus ähnlichen Gründen werden wahrscheinlich auch andere Arbeitgeber den neuen Mitarbeitern nur befristete Verträge gegeben haben. Doch selbst das sieht Annett Voigtländer als Chance. „Für Leute, die so lange nicht beschäftigt gewesen sind, sind zwei Jahre Arbeit auch ein Sprungbrett“, meint die Sprecherin. Inwieweit es doch noch Übernahmen nach den Befristungen gebe, bleibe abzuwarten.

Allerdings sind nicht alle Vermittlungen erfolgreich gewesen. „Bisher wurden 47 Arbeitsverhältnisse vorzeitig beendet“, teilte die Sprecherin mit. Doch das muss nicht unbedingt schlecht sein. In einem Fall habe ein Arbeitnehmer sogar eine nicht geförderte Beschäftigung aufnehmen können. In fünf Fällen wurden die Arbeitnehmer an eine neue Firma vermittelt.

Knapp 3,1 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds sind bisher für das Programm in Mittelsachsen eingesetzt worden. Bis zum Jahresende stehen noch rund 240 000 Euro zur Verfügung. Das restliche Geld fließe in die Betreuung der Beschäftigten. Diese haben während der Laufzeit des Programmes sogenannte Betriebsakquisiteure übernommen. Sie führten Gespräche mit den Langzeitarbeitslosen, analysierten deren Stärken und Schwächen. Mit dem Wissen suchten sie gezielt nach passenden Arbeitgebern. Auch nach der Anstellung waren sie Ansprechpartner für beide Seiten. Den Erfahrungsschatz und die Aufgaben hat das Jobcenter auf das Stammpersonal übertragen. Denn die Förderung für die Stellen der Betriebsakquisiteure läuft mit Programmende aus.

Neben dem zum Jahresende auslaufenden Bundesprogramm gibt es vonseiten des Jobcenters noch weitere Möglichkeiten, um Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive zu geben. So läuft noch bis Ende 2018 das Programm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Aktuell sind über dieses 201 Arbeitsstellen im Kreis besetzt. Bis zu 226 können gefördert werden. Der Haken: Die Arbeitnehmer müssen Tätigkeiten ausüben, die zusätzlich, wettbewerbsneutral sowie im öffentlichen Interesse sind. Zudem besteht die Möglichkeit, beim Jobcenter für die Einstellung von Arbeitslosen Eingliederungszuschüsse zu beantragen.

Ende Juli 2017 gab es rund 3 500 Langzeitarbeitslose in Mittelsachsen. Dazu gehören alle diejenigen, die seit mindestens einem Jahr oder länger arbeitslos gemeldet sind. Ein Bruchteil der Betroffenen konnte von dem Bundesprogramm für Langzeitarbeitslose profitieren.