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Raus aus den Hundegräben

Ein Krefelder Internet-Unternehmer hat eine pfiffige PR-Kampagne entworfen. Ein Vorbild auch für Görlitz.

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© Friedhelm Reimann

Von Sebastian Beutler

Tönisvorst ist ein Städtchen in Nordrhein-Westfalen. Seine 400 000 Apfelbäume liefern jährlich rund 48 Millionen Äpfel und begründen den Ruf der Stadt mit ihren 35 000 Einwohnern als Apfelstadt am Niederrhein. Die Grenze zu Holland ist nicht weit, Düsseldorf, Krefeld und Mönchengladbach liegen in der Nähe. Es könnte alles so schön sein, wenn es den Bürgern nicht stinken würde: vor Hundekot. Die Einwohner von Tönisvorst haben rund 2 300 Hunde. Und die produzieren eben Haufen.

Das sind drei der Plakate, die mit der Imagekampagne des Krefelder Internet-Unternehmers Burkhard Küppers verbunden sind: direkt, aber im Ton freundlich.
Das sind drei der Plakate, die mit der Imagekampagne des Krefelder Internet-Unternehmers Burkhard Küppers verbunden sind: direkt, aber im Ton freundlich. © ighid
Das sind drei der Plakate, die mit der Imagekampagne des Krefelder Internet-Unternehmers Burkhard Küppers verbunden sind: direkt, aber im Ton freundlich.
Das sind drei der Plakate, die mit der Imagekampagne des Krefelder Internet-Unternehmers Burkhard Küppers verbunden sind: direkt, aber im Ton freundlich. © ighid
Das sind drei der Plakate, die mit der Imagekampagne des Krefelder Internet-Unternehmers Burkhard Küppers verbunden sind: direkt, aber im Ton freundlich.
Das sind drei der Plakate, die mit der Imagekampagne des Krefelder Internet-Unternehmers Burkhard Küppers verbunden sind: direkt, aber im Ton freundlich. © ighid

Ähnlich wie Görlitz hatte Tönisvorst bereits in der Vergangenheit Kampagnen gefahren, um das Problem zu mildern. Doch die liegen schon einige Jahre zurück, die Wirkung hat nachgelassen. Nun läuft eine dritte. An deren Beginn stand in diesem September eine große Umfrage unter den Einwohnern von Tönisvorst. Dabei wurden sie gefragt, wo am meisten Hundekot in der Stadt liegt. 400 Bürger meldeten ihre Vorschläge ans Rathaus. Dort wurden sie geprüft, und schließlich hat die Stadt zwölf Tütenstationen aufgebaut und Papierkörbe aufgestellt. „Und sie werden fantastisch angenommen“, freut sich Wolfgang Schouten, Chef für Recht, Sicherheit und Ordnung im Rathaus von Tönisvorst. Die Stadtreinigung habe ihm erst jüngst signalisiert: So viel Kottüten steckten schon lange nicht mehr in den Papierkörben.

Eine Entwicklung, die auch Görlitz anstrebt und gerne verzeichnen würde. Zwar werden auch in der Neißestadt viele Kottüten verwendet. Die Stadt beziffert ihre Zahl pro Jahr auf 138 000 Stück, aber sie landen eben häufig auch in den Kellern leer stehender Gebäude oder auch in Straßengullys, was wiederum deren Reinigung verteuert. Deswegen hält Diana Wynen diesen Schritt auch nicht für den entscheidenden: „Das Problem lösen zehn Hundebeutelbehälter mehr oder weniger nicht.“ Und schon gar nicht könnten Städte das Problem den Bürgern selbst überlassen, wie das in Görlitz geschieht, wenn an die Zivilcourage der Einwohner appelliert wird.

Frau Wynen vermarktet die Initiative gegen Hundekot in Deutschland, kurz ighid. Sie ist verantwortlich für die Kampagne in Tönisvorst, die für die Initiative ein Pilotprojekt darstellt. Begründer von ighid ist Burkhard Küppers, der eine Internet-Agentur in Krefeld besitzt und selbst Hundeliebhaber ist. Er ärgerte sich selbst, wenn er in einen Hundehaufen hineingetreten war. Zugleich bemerkte er, wie er als Hundehalter zur Zielscheibe der pöbelnden Hundekritiker wurde. Küppers sah, wie alle Hundehalter unter Generalverdacht gerieten, weil einige eben die Haufen nicht wegmachten. Hundekot, so viel stand fest, schürt Hundehass.

Gegen diese verhärteten Fronten wollte er angehen und entwickelte eine Kampagne, in deren Mittelpunkt nicht Strafen und Verfolgung stehen. Ein Geschäftsmodell, aber eines, das für mehr öffentliche Sauberkeit sorgen soll. Am Anfang standen kleine Transparente, die er ins Internet zum Ausdrucken stellte. Dabei warb er um gegenseitiges Verständnis. Das ist auch immer noch Kern der Kampagne, vor allem aber, so erklärt Diana Wynen, will sie vermitteln, dass „Hundehalter eine Verantwortung haben – für das Tier, für sich selbst und die Mitmenschen“. Und dass die Hundehaufen nicht durch die Hundesteuer abgegolten wird und niemand die Haufen wegräumt. Vergleichbar sei das mit der Nichtraucher-Kampagne vor Jahren in Deutschland. Auch damals nahmen die Nichtraucher die Raucher als rücksichtslos wahr. Schließlich aber wandelte sich die Einstellung. Gesetze wie das Rauchverbot in Gaststätten unterstützten diesen Prozess. „Ich habe schon lange nicht mehr erlebt, dass Raucher einfach losrauchen“, sagt Frau Wynen, „sondern meist fragen sie, ob mich das stört.“

Deswegen berichtet in der kommenden Woche eine ZDF-Hundetrainerin vor rund 1 500 Schülern in Tönisvorst. Sie wird berichten, wie sie die Tiere auf die Dreharbeiten der beliebten Reihen „Bibi + Tina“ oder „Fünf Freunde“ vorbereitete. Damit verbunden ist aber zugleich die Botschaft: „Hundebesitzer haben Verantwortung.“ Als Nächstes gehen die Verantwortlichen dann ins Altenheim, wo der Hundekot ebenso eine Rolle spielt. Viele Rollstuhlfahrer haben schon erlebt, dass sie den Haufen nicht ausweichen konnten, durchfuhren und beim nächsten Anschub dann ihre Hände mit Kot vom Rad verschmutzt waren. „Gerade sie bekommen ja nicht so leicht die Hände wieder sauber“, sagt Diana Wynen, der Ärger ist bei den Senioren dann besonders groß. Und schließlich wird auch ein Rechtsanwalt an einem Abend über Hundehaltung in der Stadt informieren.

Dieser umfassende Ansatz überzeugte auch Wolfgang Schouten. „Erst hatten wir gedacht, dass ist jetzt die x-te Kampagne zum Thema Hundesteuer“, erzählt er. „Aber als wir dann von den verschiedenen Aktionen erfuhren, haben wir es uns genauer angeschaut.“ Und nicht bereut, diesen Schritt gegangen zu sein. Zumal die Kosten der Kampagne für die Stadt überschaubar sind. Diana Wynen erklärt, warum das so ist: „Wir arbeiten mit Firmen der Region zusammen und mit Sponsoren. So konnten wir im Falle Tönisvorst die Kosten für die Stadt auf 2 500 Euro begrenzen.“ Auch weitere Städte haben Interesse bekundet, die Zeitschrift Stern berichtete über die Kampagne, in Nordrhein-Westfalen macht das Beispiel Schule, selbst der Fernsehsender RTL sah vorbei. Tönisvorst gewann dadurch auch noch ein gutes Image. „Das alles sorgt für gute Stimmung bei allen Beteiligten“, sagt Diana Wynen. „Und die Bürger haben das Gefühl, mit ihren Sorgen ernst genommen zu werden.“