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Raus aus dem Hamsterrad

Andreas Becker war Manager in großen Agrarbetrieben. Dort stieg er aus. Nun hilft er jungen Leuten von Seifersdorf aus.

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© Frank Baldauf

Von Franz Herz

Dippoldiswalde. Andreas Becker hat die Weichen für sein Leben neu gestellt. Im vergangenen Jahr war er noch Vorstandsvorsitzender der Agrargesellschaft Reinhardtsgrimma und gehörte zum Vorstand der Agrargesellschaft Ruppendorf, einem der größten Landwirtschaftsunternehmen der Region. Der 41-Jährige, der aus Sadisdorf stammt, hatte Landwirt gelernt, eine Technikerausbildung absolviert und sich so zum Manager hochgearbeitet.

Doch das hat er zum Ende des vergangenen Jahres aufgegeben, und heute macht er etwas ganz anderes. Er hat sich als Kinder- und Jugendcoach selbstständig gemacht. Im Dippoldiswalder Ortsteil Seifersdorf hat er sich ein Haus gekauft. In leuchtendem Orange steht es gegenüber der Feuerwehr. Früher hat hier der Konsum verkauft, doch zuletzt standen die Geschäftsräume leer und dienten als Lager. Nun hat Andreas Becker sie neu eingerichtet als Praxis für Kinder- und Jugendcoaching. Hier sitzt er an einem runden Holztisch. Rundherum stehen vier bunte Stühle so gestaltet, dass sie für Kinder im Schulalter passen.

Vom Vorstand zum Kindercoach

Becker erklärt, warum er seine persönlichen Weichen so gründlich umgestellt hat. „In einer Situation als Manager arbeitet man wie in einem Hamsterrad“, erzählt er. Dazu kommt, dass die Landwirtschaft auch ein ausgesprochenes stressiges Saisongeschäft ist. „Im Sommer ist man extrem viel unterwegs – und man nimmt die Probleme dann auch mit nach Hause. So habe ich einmal nachgedacht und mich gefragt: Willst du das dein ganzes Leben lang so machen?“ Er will später einmal auf sein Leben zurückblicken und sagen: Ich habe getan, was für mich richtig war. Das sieht er jetzt in seiner neuen Tätigkeit.

Sein Ziel war schon immer, mit Menschen zu arbeiten, erzählt Becker. „Und ich habe bei Lehrgängen gemerkt, was es für Möglichkeiten gibt, sich selbst zu entwickeln und andere zu entwickeln.“ Er fragt: „Aber warum soll es solche Angebote nur für Manager geben, nicht auch für Kinder?“

Heute wendet er diese Kenntnisse nicht mehr auf sich selbst in einem Leitungsberuf an, sondern er hilft damit in erster Linie Kindern und Jugendlichen. Er selbst hat drei Kinder aus erster Ehe und zwei, die seine Partnerin mit in die neue Ehe gebracht hat. So kennt er den Umgang mit Kindern.

Andreas Becker ist dann auf das Institut für Potenzialentwicklung in Münster gestoßen, das Kurse für Kinder- und Jugendcoaching anbietet. Eine solche Ausbildung hat er Anfang dieses Jahres absolviert, und seit Mai ist er als Coach aktiv. Er ordnet die Tätigkeit so ein: „Ich bin kein Therapeut. Ich kann niemand heilen. Aber ich kann helfen, die Möglichkeiten, die in einem Kind liegen, besser zu entfalten.“

Er nennt typische Probleme, bei denen er Kinder unterstützt: bei Problemen mit schlechtem Selbstbewusstsein, bei schulischen Blockaden, wenn also ein Kind mit einem Fach oder einem bestimmten Lehrer nicht klarkommt. Der Coach hat dafür verschiedene Methoden. „Es geht darum, Blockaden zu lösen, die Motivation zu steigern oder an Glaubenssätzen zu arbeiten“, sagt er. So ein Glaubenssatz wäre: Das schaffst du ohnehin nicht. Manche haben so etwas verinnerlicht. „Das kann man aber drehen“, sagt Becker. „Dann heißt es: Ich kann alles schaffen, wenn ich es will.“

Er benutzt in seinen Stunden Playmobilfiguren, um mit den Kindern bestimmte Situationen nachzustellen, oder er verwendet Bilder. In der Regel dauert ein Coaching sechs Stunden. Für eine solche Stunde verlangt er 85 Euro. „Das ist aber eine Investition in die Zukunft“, sagt er dazu.

Parallel zu seiner Coachingtätigkeit macht Becker jetzt noch eine Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie. „Das will ich zwar nicht praktisch ausüben. Aber ich will mehr Hintergrundwissen für meine Arbeit als Coach bekommen“, sagt er.

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