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Randale, Rücktritte, Ratlosigkeit

Nach dem Zweitliga-Abstieg sind bei 1860 München Präsident und Geschäftsführer weg. Nach den schweren Ausschreitungen droht zudem eine harte Strafe.

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© dpa

Von Klaus Bergmann

Der einst so stolze Fußball-Traditionsverein TSV 1860 München liegt nach dem von schlimmen Fan-Ausschreitungen überschatteten Absturz aus der zweiten Liga in Trümmern. Eine ohnehin chaotische Saison endete mit skandalösen Begleitumständen und Rätselraten über den schwierigen Neubeginn. Im Mittelpunkt der Spekulationen steht der unberechenbare und mit seinen kühnen Visionen krachend gescheiterte Investor Hasan Ismaik.

Der Jordanier, an dessen Geldtropf die „Löwen“ auch für den Erhalt der Drittliga-Lizenz hängen, sprach sich selbst von einer Mitschuld am Desaster frei. „Das hat nichts mit meiner Person zu tun, sondern dieser Verein ist momentan geprägt von skrupellosen Machtkämpfen und internen Querelen, die es nun zu beseitigen gilt. Nur dann hat der TSV 1860 wieder eine Zukunft“, übermittelte Ismaik via Facebook.

„Unsere erste Aufgabe ist es jetzt, einen konkreten Plan für die Zukunft zu machen“, teilte der Verein mit und versicherte: „Mit dem Fall 3. Liga haben wir uns bereits befasst.“ Aber wer setzt die Planungen fort und um? Präsident Peter Cassalette trat direkt nach dem beschämenden 0:2 im Relegations-Rückspiel gegen den aus der vierten Liga nach oben durchmarschierten SSV Jahn Regensburg zurück. Geschäftsführer Ian Ayre war schon vor dem Spiel geflüchtet. Und der mit großen Ambitionen angetretene Trainer Vitor Pereira erklärte sein „Projekt“ für gescheitert und hielt eine Art Abschiedsrede – ohne klares „Servus“.

Die Schlussbilder waren beschämend für jene 1860-Fans, die dem Verein stets die Treue halten, gemäß dem Motto: „Einmal Löwe, immer Löwe.“ Über 60 000 Zuschauer füllten am Dienstagabend die Allianz Arena. Sie sahen die Tore der klar besseren Regensburger von Kolja Pusch und Marc Lais. Ein gewaltbereiter Teil der Anhänger versuchte nach 80 Minuten, einen Spielabbruch zu provozieren. Stangen und Sitzschalen flogen auf das Spielfeld.

Schiedsrichter Daniel Siebert unterbrach die Partie erst und brachte sie dann ohne größere Personenschäden über die Bühne. Zehn Polizisten wurden leicht verletzt. Der DFB-Kontrollausschuss nahm Ermittlungen auf, 1860 droht eine harte Bestrafung. Jahn-Torwart Philipp Pentke bezeichnete die Vorkommnisse ein „Unding“. Er stand im Tor vor der 1860-Kurve, aus der immer wieder Gegenstände flogen.

Am Tag nach dem schwarzen Dienstag für 1860 warteten alle gespannt auf die Reaktion von Ismaik. Beim Abstieg war er nicht im Stadion, sondern auf Tauchstation. Der Jordanier hatte versichert, auch in der 3. Liga weiterzumachen. Ob das noch Jubel bei 1860-Fans auslöst?

Ismaik hat in den vergangenen Jahren Präsidenten, Trainer, Manager und Spieler verschlissen. Als Fußball-Laie hat er mit seinem vielen Geld keines seiner Märchenschlösser aus 1001 Nacht (Europapokal und ein eigenes Stadion) realisieren können. Der wild zusammengekaufte Kader wird auseinanderfallen. „Wir waren nie zu hundert Prozent die Mannschaft, die wir sein sollten“, gestand Routinier Michael Liendl. „Wir haben heute gesehen: Wir sind eine Mannschaft – und 60 nicht“, sagte Pentke, der 2003 aus der Jugend von Dynamo Dresden zu 1860 gewechselt war, in München aber den Sprung zu den Profis nicht geschafft hatte.

13 Jahre nach dem Bundesliga-Abstieg hat der deutsche Meister von 1966 einen neuen Tiefpunkt erreicht. Nach 24 Jahren sind die „Löwen“ wieder drittklassig. Das ganze Ausmaß des Desasters wird in einem Fünffach-Abstieg deutlich: Profis, U21, U19, U17 und U16 spielen künftig eine Klasse tiefer. Den Neubeginn in der 3. Liga muss neues Personal bewerkstelligen. Das TV-Geld schrumpft auf eine Million Euro. Macht Ismaik frisches Geld locker? Die Zeit drängt. Die 3. Liga startet am 21. Juli. (dpa)