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Ramelow im Clinch mit der Antifa

Er ist der erste Ministerpräsident der Linken: Seit fast eineinhalb Jahren regiert Bodo Ramelow in Thüringen – recht staatsmännisch und ohne große Patzer. Nun ist er mit einer Schimpftirade auf die Antifa losgegangen. Warum?

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© picture alliance / dpa

Erfurt. Es gibt noch Tage, da kann sich Bodo Ramelow wundern, welche Wellen er mit seinem Agieren im Internet schlägt. Der Montag ist so ein Tag. Deutschlands erster Ministerpräsident der Linken ist Gesprächsthema in den sozialen Netzwerken, ein Video aus Halle vom Wochenende macht die Runde: Darin sagt der Linke im Disput mit mutmaßlichen Antifa-Aktivisten Sätze wie: „Ich finde den Aufruf beschissen“ oder „Es kotzt mich an, wie arrogant ihr seid.“ Einige Sequenzen, in denen es um Flüchtlinge geht, wirken aus dem Zusammenhang gerissen.

Als der Spitzenlinke bemerkt, dass er bei der Aktion gefilmt wird, deckt er mit seiner Hand die Handykamera zu. „Bodo Ramelow pöbelt gegen Antifa-Demo in Bornhagen“ - steht unter dem Video auf YouTube. Von einem Ausraster Ramelows, der sich seit seiner Wahl zum Regierungschef vor eineinhalb Jahren bei öffentlichen Auftritten auffallend staatsmännisch gibt, ist in einigen Kommentaren die Rede. Was ist passiert? Und worum geht es?

Ramelow liegt seit Wochen im Clinch mit der Antifa und linken Aktivisten. Der Anlass ist paradox: Der Linke übt deutliche Kritik an einer Aktion, die linke Gruppierungen gegen den Chef der rechtspopulistischen AfD in Thüringen, Björn Höcke, planen. Sie wollen am Himmelfahrtstag vor Höckes Privathaus in einem winzigen Ort im Thüringer Eichsfeld nahe der hessischen Landesgrenze aufziehen. Thüringens Regierungschef wirft ihnen „Nazi-Methoden“ vor. Er betont: „Vor Privathäusern haben Demonstranten nichts zu suchen.“

Damit sorgt er für heftige Debatten in der linken, aber auch der rechten Szene. Der konkret Betroffene, Höcke, verpasst derzeit keine Möglichkeit, seinen politischen Widersacher von der Linkspartei wortreich zu loben.

In Halle sieht sich der 60-Jährige dann bei einer Preisverleihung, bei der es um die Integration von Behinderten ging, bewusster Provokation und Beleidigung ausgesetzt. Er spricht von einer Inszenierung gegen ihn. Bei Twitter schreibt Ramelow „Ein Arschloch bleibt ein Arschloch, bleibt ein Arschloch.“ - ohne Bezug zu den Ereignissen in Halle.

Als er sich ins Gästebuch eingetragen habe, sei von Aktivisten plötzlich ein Plakat ausgerollt worden, auf dem etwas von „Höllenfahrt für Höcke in Bornhagen“ gestanden habe, sagt Ramelow der Deutschen Presse-Agentur. „Wer Begriffe wie „braunes Nest“ und „Ostzone“ benutzt, geht beschissen mit Menschen um“, findet er. In Bornhagen (Eichsfeldkreis) wohne Höcke mit Frau und Kindern, aber es sei auch ein Ort, in dem sich die Bürger um dort untergebrachte Flüchtlinge kümmerten.

Er verstehe nicht, dass er sich für seine Haltung rechtfertigen müsse, sagt Ramelow. Die NSDAP habe in den 1920er Jahren sogenannte Mahnwachen vor Häusern politischer Gegner veranstaltet. Wer heute vor Häuser ziehe, in denen Politiker mit ihren Familien leben, benutze ähnliche Methoden. Ramelow: „Wer sich links nennt und solche Methoden anwendet, ist nicht links.“ Vor einigen Jahren sei er fast Opfer eines Rechtsextremen geworden, dem es auch nur darum gegangen sei, „Bilder zu produzieren“.

Nicht nur Parteifreunde wie Thüringens Staatskanzleichef Benjamin Hoff springen Ramelow am Montag zur Seite. „Es wirkt auf mich mutig und prinzipienfest, sich mit Teilen seiner Klientel anzulegen“, sagt auch der Jenaer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland. Das Anliegen, bestimmte Methoden der Auseinandersetzung nicht zuzulassen, sei Ramelow offenbar so wichtig, dass er dafür sogar Beifall aus der rechten Ecke in Kauf nehme, analysiert der Wissenschaftler. Ramelow müsse sich auch bewusst sein, dass gerade für die Antifa die Verwendung des Begriffs „Nazi-Methoden“ die höchste Stufe der Provokation sei. Und: Zumindest Teile der Linken hätten eine gewisse Nähe zu Antifa-Gruppen.

Oppelland bescheinigt dem Linken, in seiner Rolle als Chef der rot-rot-grünen Koalition angekommen zu sein. Ob bei einer Papst-Audienz in Rom oder der Festrede vor Handwerkern - „er tritt als Ministerpräsident auf, ja landesväterlich“.

Mehr Freiheiten nimmt sich der Ex-Gewerkschafter dafür im Internet - nicht immer zur Begeisterung seiner Berater. So hat er in der Vergangenheit auf Twitter Italiens Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi einen „Dreckarsch“ genannt. Ramelow ist ständig in den sozialen Netzwerken unterwegs: Allein Twitter vermerkt für ihn 36 500 Tweets und 16 000 Follower. (dpa)