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Rätsel um Brückentafel ist gelöst

Beim Weißeritz-Ausbau wurde ein Bronzerelief gefunden. Der darauf abgebildete Unbekannte hat jetzt endlich einen Namen.

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Von Linda Barthel

Als Karin Jeschke vor Kurzem durch ihre Ausgabe der Sächsischen Zeitung blätterte, wollte sie ihren Augen nicht trauen. „Da war ein Bild gedruckt, das mir bekannt vorkam“, sagt die 59-Jährige. Dabei handelte es sich um das Foto der beim Ausbau der Weißeritz am Emerich-Ambros-Ufer gefundenen Brückentafel. Diese wurde im November von einem Mitarbeiter vom Straßen- und Tiefbauamt im Stadtarchiv auf der Elisabeth-Boer-Straße abgegegeben und wird jetzt dort gelagert. Seitdem rätselten immer mehr Leser, wer der auf dem Bronzerelief abgebildete junge Mann sein könnte. Dabei wurde neben dem Lehrer und Kommunisten Ernst Schneller auch auf den sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin und Sportidol Werner Seelenbinder getippt.

Doch es handelte sich um keinen von ihnen. Das weiß die Blasewitzerin Karin Jeschke ganz genau, denn sie hat des Rätsels Lösung. Der junge Mann ist der 1896 in Budapest geborene Emerich Ambros. Dieser war zu Lebzeiten im Reichsbahnausbesserungswerk Dresden-Friedrichstadt tätig und Ende der 20er Jahre Parteisekretär der SPD in Löbau. Dort wurde er 1933 verhaftet und in das Schutzhaftlager Hohenstein gebracht, wo der aktive Nazigegner dann nach schweren Misshandlungen erschlagen wurde.

Tafel ging mit der Flut verloren

Dass Karin Jeschke das weiß ist kein Zufall, denn die ehemalige Lehrerin für Geschichte und Russisch ist heute Geschäftsführerin des Verbands der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten im Freistaat Sachsen. In einem 2002 erschienen Buch zu Dresdner Gedenkorten für die Opfer des NS-Regimes hat sie sich unter anderem mit der Erinnerungstafel von Emerich Ambros befasst. Deshalb erkannte sie diese sofort wieder.

Die Archivarin Gisela Hoppe vermutete bereits von Anfang an, dass die Brückentafel bei der Jahrhundertflut im Jahr 2002 verloren ging. Damit hat sie Recht, bestätigt Karin Jeschke. „Die Erinnerungstafel war am östlichen Brückenpfeiler gegenüber des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerk angebracht“, sagt die Dresdnerin.

Nachdem nun das Rätsel um das Porträtrelief gelöst wurde, bleibt nur noch die Frage, was jetzt mit ihm passiert. „Zunächst lagert das Bronzerelief erst einmal bei uns im Stadtarchiv“, sagt Mitarbeiterin Annemarie Niering. In nächster Zeit werde dann entschieden, wohin die Tafel kommt. Karin Jeschke hat schon genaue Vorstellungen. „Ein Archiv ist nicht der richtige Ort für die Tafel“, sagt die ehemalige Lehrerin für Geschichte und Russisch. „Ich würde mir wünschen, dass sie wieder an der alten Stelle, also am Brückenpfeiler gegenüber dem Wohnhaus von Emerich Ambros angebracht wird.“

Falls das nicht möglich ist, hätte sie noch eine zweite Idee. So könnte das Bronzerelief auch direkt am Haus Emerich-Ambros-Ufer 50 montiert werden. Dort hängt seit 2006 bereits eine neue Gedenktafel. „Als das alte Bronzerelief mit der Flut verschwand, hat sich unserer Verband für deren Montage eingesetzt“, sagt Karin Jeschke. „Die Tafeln könnten doch jetzt nebeneinander hängen und an Emerich Ambros erinnern.“