Merken

Radsportlegenden feiern in Seifhennersdorf

Christian Metzke würde gern mit Täve Schur am Sonnabend beim Rennen in Rumburk starten. Aber das geht nicht.

Teilen
Folgen
© Matthias Weber

Von Holger Gutte

Seifhennersdorf. Christian Metzke ohne Rennrad geht gar nicht. Mit 76 Jahren tritt er genauso gern in die Pedale wie in seiner Jugend. Nur nicht mehr so häufig. Zu seinem 60. Geburtstag hat er sich sein letztes Rennrad in Italien gekauft. Am liebsten würde er damit nun am Sonnabend in Rumburk beim Jedermann-Rennen bei der „Tour de Zelenak“ an den Start gehen.

Täve Schur – hier bei der „Tour der Hoffnung“ 2014 in Reichenbach – kommt zur Jubiläumsfeier der Seifhennersdorfer Radsportler.
Täve Schur – hier bei der „Tour der Hoffnung“ 2014 in Reichenbach – kommt zur Jubiläumsfeier der Seifhennersdorfer Radsportler. © Nikolai Schmidt

Dann könnte er wieder mal gemeinsam mit seinem Freund Täve Schur fahren. Der heute 85-jährige einstige Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele, Weltmeister und Friedensfahrtsieger kommt extra seinetwegen nach Seifhennersdorf. Die Radsportler des Turn- und Sportvereins der Stadt feiern nämlich am Wochenende das 60-jährige Bestehen des Radrennsports und 125 Jahre Radsportverein in Seifhennersdorf. „Das Jubiläum des Radsportvereins ist zwar 2015 gewesen. Wir wollten aber nicht zweimal hintereinander feiern“, sagt Christian Metzke.

Er gibt nicht zu, dass es ihn reizt, in Rumburk mitzufahren. Aber: „Das geht gar nicht. Wenn ich stürze, was würde dann mit der Jubiläumsfeier im Karlihaus werden?“, fragt er. Die Feier ohne ihn wäre undenkbar. Christian Metzke gehörte 1956 zu den zehn Gründungsmitgliedern des Radrennsports in Seifhennersdorf. Er kann sich noch sehr gut daran erinnern. In der Zeitung stand damals ein Aufruf von Steffen Froneberg, der gern eine Sektion Radrennsport in der Stadt aufbauen wollte. Zehn Jungs sind seinem Aufruf gefolgt. „Dann kam er aber aus dem Urlaub nicht mehr nach Seifhennersdorf zurück. Und wir standen da“, erzählt Christian Metzke. Die zehn wollten trotzdem Radrennen fahren. Christian Metzke lässt sich überreden und wird Vereinsvorsitzender. Mit 16 Jahren. Die anderen sind auch nur so alt wie er oder noch jünger gewesen. Er kauft sich ein gebrauchtes Rennrad mit Holzfelgen. „Ich hatte von nichts eine Ahnung. Und deshalb am Anfang manchmal aus Fehlern lernen müssen“, gesteht er. Weil er bisher nur Radfahren konnte, besorgt er sich ein Buch, um zu wissen, wie man überhaupt einen Schlauch flickt.

60 Jahre später ist Christian Metzke immer noch Vereinsvorsitzender. Er legt dicke Aktenordner auf den Tisch und blättert stolz darin. Zig Fotos und einige Zeitungsberichte von unzähligen Radrennen sind darin. Zu jedem Foto kann er eine Geschichte erzählen. Oft stehen Seifhennersdorfer auf den Siegertreppchen. Frank Zöllner ist beispielsweise viermal DDR-Meister geworden. Seifhennersdorf ist damals Trainingszentrum gewesen und hat als kleiner Verein oft die großen Radsportzentren in Cottbus und Leipzig mit seinen Erfolgen beeindruckt. „Anfangs war es nicht leicht, mit den Rädern immer mit dem Zug zu den Rennen zu fahren“, schildert er. Später haben sie einen ausrangierten Barkas vom Eisschnelllauf-Verein in Chemnitz erhalten. Christian Metzke weiß noch genau um die Tragik und Spannung von so manchem Rennen. „In Spitzenzeiten hatten wir über 50 Wettkämpfe im Jahr“, schwärmt er. Als er nach der Wende plötzlich nicht mehr hauptamtlich als Trainer arbeiten konnte, ist es trotzdem erfolgreich weitergegangen. Jüngstes Beispiel dafür ist Felix Donath als Deutscher Meister im Nachwuchs und bei den Männern.

14 DDR-Meister- und nach der Wende sechs deutsche Meistertitel stellt der Seifhennersdorfer Verein. Sogar drei Vize-Weltmeistertitel und eine Silbermedaille bei den Olympischen Spielen kann er vorweisen. Mit dem zweiten Platz in der Mannschaftsverfolgung bei der Olympiade 1972 in München erreichte Heinz Richter den bisher größten Erfolg für den Verein. Zudem schaffte es Gottfried Böhmer 1999 mit seiner Europa-Tour über 14 149 Kilometer ins Guinness Buch der Rekorde.

Heinz Richter und viele andere ehemalige Seifhennersdorfer Radsportler haben ihr Kommen zur Jubiläumsfeier schon zugesagt. Christian Metzke freut sich, sie alle wiederzusehen. Und es ärgert ihn, dass er von einigen nicht weiß, wie er sie erreichen kann. Aber vielleicht kommen sie auch so, meint er.

28 große Transparente will er in einem Nebenraum des Saales vom Karlihaus für die Jubiläumsfeier aufhängen. Darauf ist ein Großteil der 60-jährigen Seifhennersdorfer Radrenngeschichte dokumentiert. Christian Metzke schwärmt vom Oberlausitzer Grenzland Straßenpreis in den 1950er Jahren, der durch Seifhennersdorf, Leutersdorf und Neugersdorf führte. Nach der Wende hatte er noch mal versucht, ihn wieder aufleben zu lassen. Das klappte zwar nicht, dafür aber so manches andere Rennen unter seiner Regie oder Mithilfe.

30 Mitglieder zählt die Abteilung Radsport des TSV Seifhennersdorf heute. „Leider sind nur vier aktive Kinder- und jugendliche Radrennfahrer darunter. Mit dem Wechsel von Julius Kumschlies (14) zum Dresdner SC haben sie in diesem Jahr erst wieder ein Radsporttalent verloren. „Das war aber auch früher schon so, dass die Erfolgreichsten in die Sportschulen oder zu größeren Vereine gingen“, sagt er.

Es geht weiter, hofft er. Und vielleicht klappt es auch noch mal mit Täve Schur irgendwo zu starten. 21 Jahre lang ist er nach der Wende mit ihm, Freunden und anderen Radsportlern in Italien Rad gefahren.

„Tour de Zelenak“: Start Sonnabend, 10 Uhr, Marktplatz